Qualität, die sitzt!
Interview mit Jürgen Sollner, Geschäftsführer der Erpo Möbelwerk GmbH
Wirtschaftsforum: Herr Sollner, sie sind seit rund 20 Jahren im Unternehmen tätig und haben es damit eine lange Zeit begleitet. Wie haben Sie die Entwicklung des mittelständischen Polstermöbelherstellers erlebt und wie stellt sich das Unternehmen heute in Zahlen dar?
Jürgen Sollner: Bei Erpo geht es seit jeher um die Kultur des Sitzens. Kurz nach dem Start 1952 wurde von Decken auf die Herstellung hochwertiger Polstermöbel – der Inbegriff für bequemes Sitzen – umgestellt. In der Nachkriegszeit war der Bedarf groß, sodass Erpo kontinuierlich wuchs. Qualität war dabei immer ein Alleinstellungsmerkmal, auch und vor allem in Zeiten, als immer mehr Billigprodukte auf den Markt kamen. Nach verschiedenen Übernahmen, unter anderem durch Affinum aus München, haben wir seit 2013 mit der BWK GmbH Unternehmensbeteiligungsgesellschaft aus Stuttgart einen absolut zuverlässigen und überaus engagierten Partner an unserer Seite. Heute gibt es zwei Standorte in Ertingen. In einem Werk sind Lager, Zuschnitt und Näherei zu finden, etwa 500 m weiter dann Polstereiarbeiten, Endmontage und Qualitätskontrolle. In Donzdorf gibt es eine kleine Fertigung und ein Ausstellungszentrum, zudem sind dort vertriebliche Themen angesiedelt. Erpo hat an beiden Standorten rund 160 Mitarbeiter und setzt zwischen 25 und 30 Millionen EUR um.
Wirtschaftsforum: Erpo steht für die Kultur des Sitzens. Was genau bedeutet dieser Claim und wie spiegelt er sich in den Produkten wider?
Jürgen Sollner: Unsere Sitzmöbel vereinen Qualität, Komfort und Design auf harmonische Weise. Vor diesem Hintergrund haben wir in unserem Portfolio die drei Serien ‘Classics’, ‘Collection’ und ‘Avantgarde’ entwickelt, die alle unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Charakteristisch für die Serie ‘Classics’ ist ein Baukastensystem, das es ermöglicht, je nach Raumzuschnitt ein Sofa individuell zu konfigurieren; es gibt unzählige Kombinationsmöglichkeiten. Breite, Tiefe, Armlehnen, Füße, Sitzkissen mit unterschiedlichen Härtegraden, Rückenkissen, Bezüge und Stoffe können kundenspezifisch ausgewählt werden. Andere Anbieter haben dieses Angebot auch, allerdings nicht in dieser Vielfalt. Hinzu kommen Sofas, die auch als Bett geeignet sind und sehr stark nachgefragt werden.
Wirtschaftsforum: Für wen sind die Erpo-Möbel interessant?
Jürgen Sollner: Wir vertreiben die Produkte an Möbelhäuser und über Handelspartner; Endkunden rekrutieren sich aus allen Altersklassen. ‘Classics’ ist für 35-Jährige und bis ins hohe Alter gedacht; bei ‘Collection’ steht die Funktion in Bezug auf die Flexibilität und der damit verbundene Komfort im Vordergrund, ‘Avantgarde’ ist multifunktionell, sehr designaffin, steht für ein modernes Zeitgefühl und wendet sich damit an eine jüngere, designorientierte Zielgruppe.
Wirtschaftsforum: Erpo-Sitzmöbel sind schön und bequem, bieten hervorragende Qualität made in Germany zu fairen Preisen und sind damit Aushängeschilder des Unternehmens. Was hebt Erpo jenseits der Produkte vom Markt ab?
Jürgen Sollner: Erpo ist ein mittelständischer Betrieb, der fest in der Region verwurzelt ist. Wir fertigen hier am Standort Ertingen in Baden-Württemberg, alles andere ist für uns nie eine Option gewesen. Erpo ist immer einen geradlinigen Weg gegangen, ist seinen Werten treu geblieben und hat so gezeigt, dass es in Deutschland auch heute möglich ist, hochwertige Möbel mit einem vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis zu fertigen. Made in Germany ist ein Qualitätssiegel, das wir hochhalten. Uns ist es wichtig, Schritt für Schritt nach vorn zu gehen und genau abzuwägen, was man tut. Diese Kontinuität und Beständigkeit macht uns wirklich aus. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Druck aus dem Ausland stetig zunimmt und außer in Europa heute auch in Asien gute Produkte gefertigt werden, müssen wir uns durch Qualität abheben.
Wirtschaftsforum: Erpo ist längst nicht nur in Deutschland und der DACH-Region ein gefragter Partner. Wo liegen weitere Märkte und wie erreichen Sie diese?
Jürgen Sollner: In Europa liegen unsere Hauptmärkte nach wie vor in Holland, Belgien, Österreich und der Schweiz; in Asien sind wir in Korea und Japan über hervorragende Partner präsent. Neben der Kölner Möbelmesse ist unsere eigene Hausmesse extrem wichtig, um Kunden zu begrüßen und neue Produkte zu präsentieren. Sie wird auch dieses Jahr im September und Oktober – natürlich unter strengen Hygieneauflagen – stattfinden. Hier können Kunden unsere Produkte tatsächlich erleben. Sie sehen sie, können sie anfassen und ausprobieren. Keine noch so gute Internetseite kann das bieten.
Wirtschaftsforum: Sie kommen aus der IT-Branche, haben viele Jahre als SAP-Berater im Bereich Entwicklung, Finanzbuchhaltung und Controlling gearbeitet und leiten heute gemeinsam mit Stefan Bornemann das Unternehmen. Welche Auswirkungen hat Corona bisher gehabt und wie beurteilen Sie die Zukunft?
Jürgen Sollner: Durch den Lockdown waren März und April schwierige Monate für uns. Inzwischen ist eine positive Tendenz erkennbar, der Juli zeigte eine sehr gute Entwicklung. Zunächst einmal müssen wir dieses Jahr vernünftig überstehen; die Zahlen sehen sehr gut aus, deshalb bin ich ein wenig optimistisch. Mir persönlich liegt sehr viel an dem Unternehmen. Wir haben interessante Produkte, es herrscht eine familiäre Atmosphäre, die Mitarbeiter, die ich fast alle persönlich kenne, sind mir ans Herz gewachsen. Ich selbst sehe mich eher als Mitarbeiter und nicht unbedingt als Geschäftsführer. Stefan Bornemann und ich sind nah an der Basis, wissen, was im Unternehmen abläuft. Es gibt sehr viele Ideen und wir sind optimistisch, dass wir Erpo auch über Corona hinaus weiter positiv entwickeln und stärken können.