Im Handwerk mit der Zeit gehen
Interview mit Serge Eggler, Leiter ecoleo / Projektleiter der Schreinerei Fust AG
Wirtschaftsforum: Herr Eggler, erzählen Sie doch zunächst etwas über die Entwicklung der Schreinerei bis heute.
Serge Eggler: 1997 hat Markus Fust die Schreinerei als Einmannbetrieb gegründet. Er ist noch heute alleiniger Inhaber und Geschäftsführer. Wir sind ein sehr innovatives Unternehmen, das schon viele Veränderungen vollzogen hat. So haben wir 2016 mit dem Aufbau unserer Online-Schreinerei ecoleo begonnen. Auslöser war die Anfrage eines Kunden, der ein modulares Regal bestellen wollte. Wir haben es gebaut, daraus ein Möbelsystem gemacht und angefangen, dieses online zu vertreiben. Im zweiten Schritt konnten wir 2018 Maßmöbel online schalten. Seitdem haben wir ecoleo immer weiter entwickelt. Die Schreinerei Fust beschäftigt inzwischen 60 Mitarbeiter.
Wirtschaftsforum: Wie läuft der Online-Kauf von Maßmöbeln ab?
Serge Eggler: Der Kunde kann über einen Konfigurator seine Wünsche eingeben und mittels 3D-Visualisierung Maße, Farben und Innenausstattung definieren und verändern. Das Angebot wird sehr gut angenommen und eröffnet uns einen neuen Markt. Die Kunden, die eine Beratung wünschen, kommen weiterhin, und zusätzlich erreichen wir Menschen, zu denen wir vorher keinen Zugang hatten. Mit ecoleo sind wir jetzt schweizweit unterwegs. Bisher waren wir mit der Schreinerei nur regional tätig. Trotz der digitalen Möglichkeiten sehen sich Kunden die Möbel immer noch gern an, um sich von der Qualität zu überzeugen. Diese Möglichkeit bieten wir ihnen nicht nur in Wil, sondern auch in einer Ausstellung in der Region Zürich.
Wirtschaftsforum: Welche Produkte sind am beliebtesten?
Serge Eggler: Am meisten nachgefragt sind Schränke, vom Kleiderschrank bis zu Schiebetürschränken für den Wohnbereich. Hier zeigt sich ein echter Bedarf bei den Kunden nach Maßmöbeln. Bei anderen, freistehenden Möbeln kommt es nicht so sehr darauf an, dass sie auf den Zentimeter genau passen. Oft wird auch erst ein Schrank und später ein dazu passendes Sideboard gekauft. Wir erweitern unser Angebot ständig. So breit wie die Produkte sind unsere Zielgruppen gefächert. Unsere Kunden sind überwiegend zwischen 25 und 60 Jahre alt, häufig sind sie Eigenheimbesitzer. Unser Hauptklientel sind Privatkunden. Wir stellen aber auch Möbel für andere Innenausbauer her.
Wirtschaftsforum: Wie war Ihr Werdegang im Unternehmen?
Serge Eggler: 2012 habe ich in der Werkstatt der Schreinerei angefangen, war dort in der Fertigung tätig, dann als Maschinist und in der Montage. Anschließend wurde ich Projektleiter. Seit 2016 ecoleo ins Leben gerufen wurde, bin ich in die Entwicklung und den Aufbau der Marke involviert, und konnte nun auch die Leitung übernehmen.
Wirtschaftsforum: Was hat das Unternehmen besonders gut gemacht?
Serge Eggler: Wir haben mit ecoleo den Nerv der Zeit getroffen. Die Idee der Online-Schreinerei ist in der Schweiz nicht sehr verbreitet. Wir decken damit eine Nische zwischen den Schreinereien und Möbelhäusern ab, indem wir Schreinerqualität zu niedrigeren Preisen bieten. Aber auch mit unserer Lieferfähigkeit überzeugen wir: Wir liefern bei Online-Bestellungen innerhalb von fünf Tagen; das kann nicht jeder.
Wirtschaftsforum: Wie erleben Sie die Entwicklung Ihrer Branche?
Serge Eggler: Infolge der Digitalisierung sind die Kunden immer informierter, sie kennen zum Beispiel manchmal ganz spezielle Materialien, über die wir uns erst kundig machen müssen. Im Handwerk müssen wir mit der Zeit gehen. Gerade durch Corona haben wir gesehen, wie wichtig es ist, ein zweites Standbein zu haben. Gutes Personal zu finden, ist nach wie vor nicht einfach. Wir setzen deshalb auf die eigene Ausbildung unserer Fachleute. Unsere 20 Auszubildenden lernen nicht nur in den Bereichen Digitalisierung und Automatisierung. Wir pflegen auch weiterhin das Handwerk. Auch an unseren Maschinen stehen nur gelernte Schreiner, keine Hilfsarbeiter.
Wirtschaftsforum: Was zeichnet Ihre Unternehmenskultur aus?
Serge Eggler: Wir haben ein sehr kollegiales Verhältnis. Der Austausch untereinander ist uns wichtig. Die Entwicklung, die wir vollzogen haben, setzt voraus, dass jeder im Unternehmen hinter ihr steht: es ist daher wichtig, die Mitarbeiter mitzunehmen. Wir haben flache Hierarchien, und jeder trägt die Verantwortung für seine Arbeit selbst. Dass eine Reihe von Mitarbeitern schon seit vielen Jahren bei uns ist, spricht sicher für unsere Kultur.
Wirtschaftsforum: Wo möchten Sie ecoleo in ein paar Jahren sehen?
Serge Eggler: Unser Ziel ist, so bekannt zu werden, dass jeder, der einen Schrank bestellen möchte, bei ecoleo einen Preisvergleich macht.
Wirtschaftsforum: Eine persönliche Frage zum Abschluss: Was motiviert Sie zu dem, was Sie tun?
Serge Eggler: Mir macht meine Arbeit Freude. Ich konnte ecoleo von Anfang an mit entwickeln, deshalb ist die Marke auch so etwas wie ein Kind für mich. Diese Entwicklung voranzutreiben, ist meine Leidenschaft. Dazu gehört auch, für Rückschläge einzustehen.