„Wir lieben stationär!“

Interview mit Stephan Just, Vorstand der easyApotheke (Holding) AG

Wirtschaftsforum: Sie nutzen für Ihr Marketing immer noch den guten alten Einwurf-Flyer. Stehen Sie nicht auf digital?

Stephan Just: Doch, das ist nicht der Grund. Sie werden schmunzeln: Er ist unser erfolgreichstes Instrument. Die Kunden lieben ihn. Das ist in der Tat witzig, im Zeitalter der Digitalisierung. Daneben entwickelt sich unser digitales Marketing mit sehr hoher Dynamik. Omnichannel, also die umfassende Verknüpfung aller Vertriebskanäle, ist für uns ein großes Thema, das gerade in der Umsetzung ist.

Wirtschaftsforum: Sie könnten es einfacher haben, wenn Sie sich auf Ihre Präsenz im Internet konzentrieren würden. Warum setzen Sie auf den stationären Handel?

Stephan Just: Wir lieben stationär! Den Versandhandel sehen wir als Unterstützung unseres stationären Handels – das unterscheidet uns im Grunddenken von anderen. Bei Medikamenten handelt es sich um Produkte mit hohem Vertrauensbedarf. Die Kunden legen Wert auf eine empathisch zugewandte Beratung. Die bekommen sie nicht am Telefon oder per E-Mail. Allerdings müssen Sie den Kunden heute ein Einkaufserlebnis bieten, welches die Kunden zum Kommen und Verweilen einlädt.

Eine herkömmliche Apotheke ist wie eine Post mit Theke und Kasse aufgebaut. Bei uns kommt der Kunde dagegen, um einfach mal shoppen zu gehen und zu schauen, ob er etwas Gutes für sich tun kann. Deshalb haben wir einen speziellen Beratungsbereich und haben unsere pharmazeutischen Experten von allen anderen administrativen Aufgaben freigeschaufelt. Ein Kommissionierautomat bringt anschließend das Medikament zum Kunden. Unsere Verkaufsräume sind 275 bis 300 m² groß und wir haben 4.000 Artikel im Angebot – bei anderen Apotheken sind es nur 400. Unser Ansatz, für jedermann easy erreichbar zu sein, führt uns dahin, wo die Kunden einkaufen: in die Shoppingcenter. Unser Konzept, Retail und Apotheke zu vereinen, ist in Deutschland einmalig.

Wirtschaftsforum: Was haben Sie selbst im Unternehmen verändert?

Stephan Just: Gemeinsam mit meinem Partner Lars Horstmann bin ich 2012 eingestiegen, als die Firma in einer Schieflage war. Wir haben das Unternehmen reanimiert, indem wir einen deutlichen Strategiewechsel eingeleitet haben. Bis dato waren wir neben DocMorris der einzige Apotheken-Discounter. Wir haben jedoch entschieden, dass Discount und Gesundheit nicht zusammenpassen. Wir wollten hin zu einem höherwertigen Ansatz. Es entstand der Slogan ‘Einfach viel drin’. Der Preis ist bei uns gesetzt, darauf kann sich der Kunde verlassen. Und die Kunden geben uns Recht. Der Umsatz auf bestehender Fläche ist im Schnitt in den letzten fünf Jahren um über 14% pro Jahr gewachsen, den Gesamt-Außenumsatz konnten wir verdreifachen.

Wirtschaftsforum: Was hat Sie damals motiviert, bei der easyApotheke einzusteigen?

Stephan Just: Zum einen wollten wir den Apothekenmarkt nachhaltig verändern. Kunden sollen einen Besuch der Apotheke nicht mehr als notwendiges Übel empfinden, sondern sich gerne und intensiv mit dem Thema Gesundheit und Wellbeing in der Apotheke auseinandersetzen wollen. Dazu muss Apotheke einfach ganz anders gedacht werden. Zum anderen hat es uns damals wie heute wahnsinnig gereizt, aus einem kleinen Unternehmen einmal die größte und begehrteste Marke im Apothekenmarkt zu machen. Lars Horstmann und ich haben zuvor in der Geschäftsleitung eines Unternehmens mit nahezu fünf Milliarden Umsatz gearbeitet. Große Zahlen, aber ein Tanker, in dem Veränderungen fast unmöglich waren, sich nicht wirklich etwas bewegen ließ. Da haben wir einen großen Sessel platt gesessen, aber inspirierend war das nicht.

Bei easyApotheke haben wir 2012 mit 12 Mitarbeitern in Hildesheim angefangen, von denen fünf noch immer bei uns sind. Heute arbeiten über 70 tolle Mitarbeiter mit sehr herausfordernden Aufgaben in der Systemzentrale in Düsseldorf. Das macht uns wirklich stolz. Mein Respekt vor der herausragenden Arbeit der Mittelständler in Deutschland ist – seit ich selbst weiß, wieviel Einsatz, Engagement und Unternehmertum dies braucht – massiv gestiegen. Bei meinem Partner und mir hat der Einstieg viel Energie freigesetzt. Ich bin 53 und habe in meinem Leben noch nie so viel gearbeitet wie jetzt. Ich hatte aber auch noch nie so viel Energie. Ein Geheimnis unseres Erfolgs ist sicher auch, dass wir so gut harmonieren. Wir sind komplett unterschiedlich und ergänzen uns hervorragend. Das macht uns stark und gibt dem Unternehmen Ruhe und Stabilität.

Wirtschaftsforum: Wie würden Sie Ihre Unternehmenskultur heute beschreiben?

Stephan Just: In unserem Herzen sind wir Mittelständler. Wir haben einfache, flache Hierarchien. Mein Partner und ich stecken sehr tief im Geschäft, lassen aber trotzdem unsere Führungskräfte agieren. In unserer Systemzentrale in Düsseldorf herrschen das Flair und die Umgangsformen eines Start-ups, kombiniert mit der Professionalität eines Konzerns. Was uns aus zeichnet, ist pure Leidenschaft – wir brennen für die Marke. Jeder kann mit jedem und wir vereinen viele Nationalitäten. Bei der Weihnachtsfeier waren bis auf fünf Mitarbeiter alle da.

Wirtschaftsforum: Erzählen Sie uns zum Abschluss von Ihren Visionen?

Stephan Just: Meine persönliche Vision ist, dass bei jedem, der in Deutschland an eine Apotheke denkt, die easyApotheke die erste Wahl ist. Zu uns zu kommen soll eine fröhliche, keine traurige Geschichte sein. Mein Wunsch ist, dass alle easyApotheker wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmer sind und wir glückliche, zufriedene Mitarbeiter haben. Das Thema Gesundheitsmarkt ist weiterhin hoch spannend. Wir wollen junge Pharmazeuten wieder ermutigen, sich als Unternehmer selbstständig zu machen. Unser neues Konzept easyStartup macht die Gründung easy. Wir stellen dem Unternehmer eine easyApotheke ‘schlüsselfertig’ zur Verfügung, gegen eine monatliche Rate. Keine hohe Verschuldung bei einer Bank! Kein Ausschöpfen des Kreditlimits! Keine Sicherheiten nötig! Das ist easy! Unsere Botschaft lautet: ‘Trau dich, selbstständig zu sein macht viel mehr Spaß als angestellt zu sein!’ Es würde mich sehr stolz machen, wenn easyApotheke für viele junge Pharmazeuten die Basis für eine erfolgreiche Selbstständigkeit als Apotheker, vielleicht einmal mit mehreren Filialen, ist.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Gesundheit, Medizin & Pharma

WEPA – Verlässlichkeit und  Innovation für die Apothekenwelt

Interview mit Raphael de Sá Almeida, Leitung Marketing der WEPA APOTHEKENBEDARF GmbH & Co. KG

WEPA – Verlässlichkeit und Innovation für die Apothekenwelt

Die Apothekenwelt wandelt sich rasant: Digitalisierung, Versandhandel und neue gesetzliche Rahmenbedingungen fordern innovative Lösungen. Die WEPA APOTHEKENBEDARF GmbH & Co. KG ist seit über 140 Jahren ein verlässlicher Partner der…

Lebensqualität und gute Sicht

Interview mit Domenic von Planta, CEO der SCHWIND eye-tech-solutions GmbH

Lebensqualität und gute Sicht

„Better Quality of life for patients“ lautet die Vision der SCHWIND eye-tech-solutions GmbH in Kleinostheim. Mit seinen Lasersystemen für die refraktive Augenchirurgie setzt das Unternehmen seit über 30 Jahren immer…

Entlastung für blinde und sehbehinderte Menschen durch KI

Interview mit Klaus Knüpfer, Geschäftsführer der EV Optron GmbH

Entlastung für blinde und sehbehinderte Menschen durch KI

EV Optron ist als Hersteller von Produkten für blinde Anwender sowie von Lese- und Vorlesegeräten für Menschen mit Sehbehinderungen bekannt: eine Technologie, die nicht zuletzt aufgrund der rasend schnellen Entwicklungsmöglichkeiten…

Spannendes aus der Region Düsseldorf

Innovative Lösungen für  Bestandsgebäude

Interview mit Wolfgang Sigg, Geschäftsführer der Schwitzke Project GmbH

Innovative Lösungen für Bestandsgebäude

Die Schwitzke Project GmbH hat sich als Spezialist im Innenausbau etabliert und bietet maßgeschneiderte Lösungen für bestehende Gebäude. Im Interview mit Geschäftsführer Wolfgang Sigg erfahren wir mehr über die Philosophie…

Komplettservice rund um die Glasfaser

Interview mit Raimund Winkler, CEO, Fiber Experts Deutschland GmbH

Komplettservice rund um die Glasfaser

Die Kommunikation mittels Glasfaser bietet den Nutzern viele Vorteile. Vor allem gegenüber der herkömmlichen elektrischen Übertragung von Daten zeichnen sich Glasfasernetze durch deutlich höhere Übertragungsraten aus. Um Netzbetreibern einen umfassenden…

Aus Überzeugung für Qualität

Interview mit Markus Wagner, Geschäftsführer der ALEXANDER EYCKELER GmbH

Aus Überzeugung für Qualität

Nicht einfach Fleisch zu verkaufen, sondern sich auf Fleisch höchster Qualität zu spezialisieren, war der Antrieb von Alexander Eyckeler, Andreas Gitschel und Markus Wagner, mit der ALEXANDER EYCKELER GmbH ihr…

Das könnte Sie auch interessieren

Technologie, die Lebensqualität verbessert

Interview mit Larry Jasinski, Geschäftsführer der Lifeward GmbH

Technologie, die Lebensqualität verbessert

Mobilität steht für Selbstständigkeit – für viele selbstverständlich, für andere ein verlorenes Privileg. Nach einem Unfall oder einer neurologischen Erkrankung wird der Alltag oft zur Herausforderung, physisch wie psychisch. Die…

Alles für die Praxis

Interview mit Sharath Bhat, CEO und Matthias Neumeyer, Marketingleiter und Dr. Birger Kohlert, CFO von Wörner Medical

Alles für die Praxis

Das Leben der Kunden einfacher zu machen ist das Ziel von Wörner Medical in Reutlingen. Die global agierende Wörner Medical Gruppe bietet das Rundumpaket aus Verbrauchsprodukten für Praxen und Labore…

Für reibungslose Abläufe im OP-Saal

Interview mit Hariet Dörling, Geschäftsführerin der M.E.D. Medical Products GmbH

Für reibungslose Abläufe im OP-Saal

Chirurgische Routineeingriffe wie Katarakt- oder Gelenkersatzoperationen ähneln zunehmend industriellen Abläufen, bei denen Effizienz und Konsistenz entscheidend sind. Die M.E.D. Medical Products GmbH hat sich darauf spezialisiert, Kliniken dabei zu unterstützen,…

TOP