Dr. Gregor Luthe: Nachhaltigkeit ist nicht der entscheidende Faktor bei Lösungen

Interview mit Prof. Dr. Gregor Luthe, Toxikologe, Chemiker und Erfinder

Wirtschaftsforum: Wie schwierig ist es generell, bei Neuerungen Akzeptanz der Leute zu finden? Sind die Menschen heute offener?

Dr. Gregor Luthe: Ich glaube, dass man nach guten Lösungen sucht, bei denen man darauf achtet, von wem, wie praktisch und wie einfach in der Umsetzung sie sind. Sie müssen vom Zeitaufwand und von möglichst wenigen Menschen händelbar sein. Das ist entscheidend. Und wenn die Lösung dann die anderen Faktoren erfüllt – umweltschonend und nachhaltig sein et cetera – dann möchten sie die Leute haben. Ich glaube nicht, dass die Nachhaltigkeit im Vordergrund steht, auch wenn die Leute das sagen. Sonst würden die Leute auch keine Elektro-Autos fahren. Elektro-Autos verkaufen sich deshalb so gut, weil sie eine höhere Beschleunigung haben, als Verbrennungsmotoren. Ich denke, das ist der Hauptgrund. Sie sind nur nachhaltig, wenn man die Batterie herausrechnet. Aber dann kann ich auch das Benzin herausrechnen. (lacht) Es ist nicht alles ganz logisch. Aber ich glaube etwas anderes. Ich finde die Situation verrückt, dass man die Automobilindustrie kaputt macht. Wir arbeiten viel für diese Industrie und Tausende von Arbeitsplätzen gehen gerade verloren, die nie wiederkommen werden. Trotzdem hoffe ich, dass wir es hinbekommen, Lösungen zu finden.

Wirtschaftsforum: Dank Aktionen wie ‘Fridays for Future‘ ist Umweltschutz in aller Munde. Wie bewerten Sie das aktuelle Interesse? Findet derzeit eine Trendwende statt oder ist es eher ein Strohfeuer?

Dr. Gregor Luthe: Natürlich können wir in Deutschland nicht die Welt retten, aber wir können hier mit Lösungen kommen. Deutschland kann stolz darauf sein, immer Beiträge zur Innovation gegeben zu haben, die weltweit akzeptiert werden. Man muss schauen, dass man seinen Kopf einsetzt, um bessere Lösungen zu finden. Mittlerweile werden die Leute immer älter, es werden immer mehr Medikamente genommen und diese gelangen ins Abwasser. Es befinden sich dort immer mehr Werte von einzelnen Medikamenten, die so hoch sind, dass sie schon biologisch wirksam sind. Beispielsweise Reste der Antibabypille, die bei Männern zur Unfruchtbarkeit führt. Das nimmst du mit jedem Schluck Wasser wieder auf.

Dr. Gregor Luthe
„Es werden immer mehr Medikamente genommen und diese gelangen ins Abwasser. Es befinden sich dort immer mehr Werte von einzelnen Medikamenten, die so hoch sind, dass sie schon biologisch wirksam sind.“ Dr. Gregor Luthe

Diese Reste müssen raus und die einzige Möglichkeit dafür ist Aktivkohle. Jetzt gibt es aber das Problem, dass 1 t Aktivkohle für die Wasserreinigung mindestens 5.000 EUR kostet und sie meist nicht mehr in Deutschland produziert wird. Aber wir müssten jedes Jahr eine Fläche, die so groß wie Rumänien ist, abholzen, um die Aktivkohle für die vierte Reinigungsstufe zu produzieren. Und dabei produziert man Unmengen an CO2. Was wir dem Menschen auf der einen Seite guttun würden, würden wir auf der anderen Seite dem Klima schlechttun. Letztendlich stellt sich die Frage, was wir tun sollen. Die t Aktivkohle ist voll mit Medikamenten und muss für weitere 5.000 EUR als Sondermüll entsorgt werden. Möglich ist es, die Kohle zu recyceln. Das kostet so viel Energie, dass es teurer ist, als eine neue t zu kaufen. Das ist also auch nicht die Lösung, es sei denn die Preise für die Endlagerung steigen.

Per Zufall haben wir dann eine andere Technologie gefunden, bei der wir bei Raumtemperatur Moleküle in Aktivkohle umsetzen. Wenn du beispielsweise eine Kokosnuss in unsere patentierte Maschine wirfst, wird sie nach drei Stunden komplett zu Aktivkohle – bei Raumtemperatur, ohne Zugabe von Chemikalien und ohne dass Stoffe austreten. Wir werfen auch Nitrat hinein, das dann verschwindet. Viele sagten zu mir: Jetzt bist du komplett durchgeknallt. (lacht) Das Schöne, das bei der Technik passiert, ist, dass ganz verschiedene Personen auf uns zukommen und die Maschine vorführen möchten. Diese Lösung habe ich im Büro entwickelt. Aber was würde ich tun ohne den Handwerker, der das CNC-Fräs-Unternehmen hat, vor Ort sitzt und vorleistend an das Projekt glaubt? Wir sind gemeinsam diesen Weg gegangen und haben das Projekt umgesetzt. Da kann ich keine Uni gebrauchen, sondern den Handwerker. Vor Ort habe und hatte ich zudem Förderer, dank denen ich es geschafft habe, etwas umzusetzen. Ohne die kann man das beste Projekt nicht umsetzen.

„Weil man den Sondermüll im Haus nicht erkennt stellen wir ein Doktormöbelstück in das Gebäude, das die anderen Stücke im Haus wieder gesund macht.“ Dr. Gregor Luthe
Dr. Gregor Luthe

Wirtschaftsforum: Welche Ihrer Erfindungen ist im Bereich Umweltschutz weit vorn?

Dr. Gregor Luthe: Es gibt viele Schulen, die aufgrund von gemessenen Stoffen abgerissen werden müssen oder kurz vorm Abriss stehen. Probleme dabei sind: Es kostet Millionen, eine Schule abzureißen, die Kinder müssen zeitweise in anderen Gebäuden untergebracht werden und während des Abreißens werden die Kinder einer hohen Menge Asbest ausgesetzt. Manchmal ist das neue Gebäude auch nicht besser, sondern nur anders. Ich habe immer gesehen, dass man dadurch die Probleme nicht verkleinert. Deshalb habe ich das Luftkurholz entwickelt. Wir stellen einen Träger selbst her, beispielsweise eine Gipsfaserplatte oder Holz. Darauf kommt eine Schicht von Aktivkohle mit Kartoffelstärke oder anderen organischen Bindemitteln, die diffusionsoffen sind. Da haben wir auch spezielle biologisch abbaubare Polymere heraus entwickelt. Darein kommt verschiedenes, wie Holzstückchen, Kork oder Farbkompositionen, und wir erstellen daraus Wandpaneele, Decken und Möbelstücke.

In Gronau statten wir in diesen Sommerferien einen Klassenraum damit aus und messen anschließend, ob die Werte auf 0 sinken. Schön ist, dass die Stoffe nicht mehr hinausdünsten oder anders austreten. Sie werden demineralisiert und verschwinden. Das war die chemische Leistung. Die handwerkliche kommt dann dazu, indem daraus schicke Möbel gefertigt werden. Weil man den Sondermüll im Haus nicht erkennt stellen wir ein Doktormöbelstück in das Gebäude, das die anderen Stücke im Haus wieder gesund macht. Das Möbelstück sorgt dank der Platte dafür, dass die Stoffe verschwinden, Häuser wie Schulen nicht abgerissen werden müssen und unterstützt gleichzeitig die Handwerker vor Ort.

Wirtschaftsforum: Eine persönliche Frage zum Schluss: Sie sind Gründer mehrerer Unternehmen, Professor und Erfinder. Denken Sie permanent oder hat Ihr Kopf auch mal Feierabend?

Dr. Gregor Luthe: Wie kann ein Kopf nicht denken? Spaß beiseite, ich sehe es als eine Pflicht an, dass ich Lösungen für Probleme entwickle, damit es in der Gesellschaft vorangeht. Die Gesellschaft und meine Eltern haben mein Studium bezahlt, die Gesellschaft hat mir Professuren gesponsert, die Gesellschaft hat mich mit Stipendien – Humboldt Fellow, Feodor Lynen Stipendiat, Marie Curie Stipendiat – gefördert, die Gesellschaft hat mich über die EUREGIO gefördert – dann ist es doch mehr als eine Selbstverständlichkeit, dass ich für diese Gesellschaft einstehe und mein Wissen einsetze. Vorher hauptberuflich als Professor, was mir sehr viel Spaß gemacht hat – und jetzt als Unternehmer hauptberuflich. Ich will auch etwas für meine Kinder in Form von Firmen aufbauen. Da kommt wieder der Gedanke des Handwerkersohns, wo der Familienbetrieb zentral steht, nach vorne.

Interview: Aurelia Leppen | Fotos: Dr. Gregor Luthe

Lesen Sie den ersten Teil des Interviews hier

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