"Die Abschaltung von kino.to hat uns geholfen"
Interview mit Andreas Ditter, Territory Managing Director Sony Pictures Home Entertainment GSA

Wirtschaftsforum: „Herr Ditter, welche Sony-Filme waren denn 2012 und 2013 die erfolgreichsten?“
Andreas Ditter: „2012 waren das „Men in Black III“, „The Amazing Spider-Man“ und „Total Recall“. 2013 war „Django Unchained“ das Maß aller Dinge, sowohl im physischen als auch im digitalen Bereich.
Wirtschaftsforum: „Welcher Film war denn der bislang erfolgreichste in der Unternehmensgeschichte?“
Andreas Ditter: „Für den Bereich DVD bzw. Blu-ray gibt es erst seit dem Jahr 2000 verlässliche Zahlen: Demnach war „Casino Royale“ aus der James Bond-Reihe unser bislang erfolgreichster Film.“
Wirtschaftsforum: „Welche Rolle spielt Sony auf dem deutschsprachigen Markt?“
Andreas Ditter: „Nun, es gibt auf dem deutschsprachigen Markt sechs so genannte Major-Studios: Warner, Paramount, Universal, Fox, Disney und Sony. Und es gibt noch eine ganze Reihe mehr oder weniger bedeutende Independents, da nicht jeder Filmverleih mit Major-Studios produziert oder dort vertrieben wird. In Deutschland gibt es beispielsweise Constantin, StudioCanal, Concorde Entertainment, Universum etc. Wir bewegen uns bei den Major-Studios nicht an erster Stelle, aber in einer guten Position.“
Wirtschaftsforum: „Wie vermarkten Sie denn Ihre Produkte?“
Andreas Ditter: „Bei der Vermarktung der Produkte muss man zwischen Verleih und traditionellem Handel unterscheiden. Der Verleih findet in der Regel über so genannte Videotheken oder Videoverleiher, die auch unsere Filme verleihen und verkaufen, statt. Der traditionelle Handel setzt sich zum einen aus Elektronikfachmärkten, dem Online-Handel und dem klassischen Einzelhandel zusammen. Vor allen Dingen im Buch-, Drogerie- und Lebensmitteleinzelhandel haben wir starke Vertriebspartner und insgesamt ein sehr breites Spektrum im Hinblick auf die Vertriebskanäle.“
Wirtschaftsforum: „Inwiefern unterscheiden sich denn die Produkte von Sony von anderen Anbietern?“
Andreas Ditter: „Ich glaube, dass wir immer ein technologischer Vorreiter waren, zum Beispiel bei neuen Formaten. Wir waren einer der ersten Anbieter, die die DVD und Blu-ray vermarktet haben. Wir sind zwar nicht das Major-Studio mit den meisten Filmen, aber wir können mit technologischen Fortschritten glänzen. Ein weiteres Beispiel ist der Bereich 3D: Wir hatten im Jahr 2010 mit „Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen“ den ersten 3D-Animationsfilm, der im Home-Entertainment-Format gelauncht wurde.“
Wirtschaftsforum: „Welches technologische Neuland betreten Sie denn aktuell?“
Andreas Ditter: „Seit Ende 2013 setzen wir erstmals auf 4K. Die Fernseher mit dieser Technologie haben eine Auflösung in Höhe von 4.000 Megapixeln statt bislang nur 2.000. Das ist also die doppelte Auflösung eines hochauflösenden High-Definition-Fernsehers. Sony hat als einer der ersten Fernseher mit der 4K-Technologie gelauncht, und unser Studio hat parallel auch die entsprechende Software auf den Markt gebracht, also Filme, die in dieser hohen Auflösung gemastert wurden. Zeitgleich sind wir bei unseren digitalen Produkten und Leistungen technologisch an vorderster Front.“
Wirtschaftsforum: „Können Sie ein Beispiel nennen?“
Andreas Ditter: „Aktuell haben wir einen neuen digitalen Service, der Produkt-, Studio- und Provider-übergreifend funktionieren soll. Er heißt UltraViolet und ist der iCloud sehr ähnlich, aber für jedermann zugänglich. Über die Cloud-basierte Plattform können Kunden einmal erworbene Filme (physisch) in Ihrem kostenlosen, digitalen Schließfach ablegen, dieses Schließfach mit bis zu fünf weiteren Personen teilen und auf den verschiedensten Endgeräten die Filme anschauen.“
Wirtschaftsforum: „Gibt es noch weitere Produkte oder Leistungen, die in Kürze marktreif sind?“
Andreas Ditter: „Die Schlümpfe 2 – 3D“ kam im Dezember in die Läden und ist auch unser erster Film, den wir mit UltraViolet anbieten. „Elysium“ folgte dann kurz vor Weihnachten. 2014 wird „The Amazing Spider-Man 2“, also der zweite Teil der Spider-Man-Reihe, unser ganz großes Highlight sein. Außerdem ist die US-Serie „Breaking Bad“ jetzt abgeschlossen, ein überaus erfolgreiches TV-Franchise.
Wirtschaftsforum: „Waren Sie von dem Erfolg überrascht?“
Andreas Ditter: „Ja, absolut. Niemand hat doch damit rechnen können, dass „Breaking Bad“ so erfolgreich wird, weil es schon ein bisschen verrückt ist.“
Wirtschaftsforum: „War denn das Jahr 2013 insgesamt für Ihr Unternehmen ein erfolgreiches Jahr?“
Andreas Ditter: „2013 ist eines unserer besten Jahre. Die Unternehmensentwicklung bzw. der Umsatz hängt jedoch sehr stark von der Anzahl der Filme ab, die unser Studio produziert. Das ist grundsätzlich immer ein Thema in der Branche.
Wirtschaftsforum: „Wie hat sich denn der Markt in den letzten Jahren entwickelt?“
Andreas Ditter: „Der Markt befindet sich momentan in einer leichten Wachstumsphase – noch. Das DVD-Geschäft ist zwar rückläufig, wird aber von der Nachfrage nach Blu-rays und digitalen Services mehr als kompensiert. Wir erwarten aber, dass der Markt hierzulande früher oder später schrumpfen wird, da wir diese Entwicklung bereits in anderen Ländern beobachten.“
Wirtschaftsforum: „Inwiefern wirkt sich denn die Popularität illegaler Video-Portale auf Ihr Geschäft aus?“
Andreas Ditter: „Online-Piraterie oder illegale Downloads sind mit Sicherheit ein Problem. Auf dem deutschsprachigen Markt allerdings ist es nicht so groß wie beispielsweise in Spanien, wo fast kein Home-Entertainment-Markt mehr existiert, weil sich jeder die Filme illegal herunterlädt. Ein zweites Beispiel ist die Schweiz, in der die Gesetze allgemeiner gehalten sind als zum Beispiel in Deutschland.“
Wirtschaftsforum: „Hatte denn die Abschaltung von kino.to im Sommer 2011 irgendwelche spürbaren Auswirkungen?“
Andreas Ditter: „Es hat mit Sicherheit geholfen, dass kino.to abgeschaltet wurde. Damit meine ich weniger den Umsatz, sondern vielmehr die Einstellung der Menschen. Viele hatten wohl bis zu dem Zeitpunkt gedacht, dass die Benutzung dieser Plattformen eine Art Kavaliersdelikt ist.
Gleichzeitig muss man natürlich auch sagen, dass sich der Markt verändert hat. Es gab lange Zeit das Argument, dass es keine legalen Alternativen gibt, aber das ist mittlerweile überholt. Heute haben wir Plattformen wie iTunes oder maxdome beispielsweise und natürlich unser neues UltraViolet-Angebot.“
Wirtschaftsforum: „Wo sehen Sie denn Ihr Unternehmen in den nächsten Jahren?“
Andreas Ditter: „Also, in einem Jahr sehe ich unser Unternehmen genau dort, wo wir heute stehen, mit kleineren Verschiebungen in Richtung Blu-ray- und Digitalgeschäft. Hoffentlich hat sich bis dahin UltraViolet als die zweite standardmäßige Plattform für digitalen Download und Besitz von Filmen etabliert. Ich glaube, in drei bis vier Jahren gibt es eine weitere Verschiebung hin zum Digitalgeschäft, aber es wird nicht so schnell gehen, wie viele meinen. Das hängt aber auch ein wenig mit der digitalen Infrastruktur in Deutschland zusammen.“
Wirtschaftsforum: „Inwiefern?“
Andreas Ditter: „Abseits der Metropolen gibt es in Deutschland sehr viele ländliche Regionen, die noch keinen Breitbandanschluss haben, der es ermöglichen würde, hochauflösende Filme bzw. 4K-Filme zu schauen. Das Digitalgeschäft wird irgendwann dominieren, kein Zweifel, aber es wird wahrscheinlich noch eine Weile dauern. In der Zwischenzeit machen wir und die ganze Branche ein sehr gutes physisches Geschäft.“
Wirtschaftsforum: „Was sind die momentan größten Herausforderungen für die Branche und Ihr Unternehmen?“
Andreas Ditter: „Eine Herausforderung ist mit Sicherheit die Konsolidierung der Handelspartner. Vor ein paar Jahren hat sich die Firma Karstadt mehr oder weniger aus dem Home-Entertainment-Geschäft verabschiedet – früher eine treibende Kraft auf dem Markt. Die Firma Schlecker, die im Home-Entertainment-Geschäft auch sehr aktiv war, ist ein weiteres Beispiel. Die Marktanteile haben sich nach der Pleite natürlich auf die Mitbewerber verteilt, aber ob alles aufgefangen wurde, ist nicht ganz klar.“
Wirtschaftsforum: „Von welchen Faktoren hängt es denn ab, ob die Handelspartner ein gutes Geschäft machen oder nicht?“
Andreas Ditter: „Es ist eine Frage des Platzes. Wenn Sie in der Lage sind, Ihr Portfolio auf einer entsprechenden Fläche anzubieten, dann werden es die Endkunden auch kaufen, da es sich meistens um so genannte Spontankäufe handelt. Wenn die Fläche allerdings verschwindet, weil der Umsatz fehlt oder der Markt sich in eine andere Richtung verändert, dann ist das eine große Herausforderung für die Branche.“
Wirtschaftsforum: „Vielen Dank für das Interview, Herr Ditter.“