Gallischer Zaubertrank für Entertainment-Manager

Interview mit Prof. Dr. Thorsten Hennig-Thurau

Wirtschaftsforum: Herr Prof. Hennig-Thurau, "Entertainment Science" bringt gemäß Untertitel Datenanalyse und praktische Theorie für die Unterhaltungsindustrie zusammen. Inwiefern "entzaubern" Sie im selben Zug den Faktor Kreativität?

Thorsten Hennig-Thurau: Das ist ein Vorwurf, der mir von Entertainment-Managern und -Journalisten seit Jahren gemacht wird. Und in der Tat ist zu sehen, dass Kreativunternehmen Bauchentscheidungen zunehmend durch datengetriebenes Handeln ersetzen.

In "Entertainment Science" machen wir aber deutlich, dass beides – Ignoranz gegenüber Daten und blindes Vertrauen in diese – falsche Wege sind. Eine der Kernaussagen unseres Buches ist vielmehr: Daten können Managerentscheidungen bei der Erstellung und Vermarktung in ganz vielen Bereichen unterstützen, aber stellen niemals einen vollwertigen Ersatz für Kreativität dar – weder, wenn es um die zu erzählenden Geschichten selbst geht noch um damit verbundenen Managemententscheidungen.

Die zweite Kernaussage von Entertainment Science schließt unmittelbar daran an: um mit Daten kreative Entscheidungen unterstützen zu können, ist ein dritter Faktor unabdingbar: ein tiefgreifendes Verständnis der Zusammenhänge im Sinne von "smarter Theorie". Kreativität, Datenanalytik und Theorien: Zusammen ergibt das dann ein Mix, das Entertainment-Manager so unschlagbar macht wie Obelix der gallische Zaubertrank.

 Prof. Dr. Thorsten Hennig-Thurau
„Daten können Managerentscheidungen bei der Erstellung und Vermarktung in ganz vielen Bereichen unterstützen, aber stellen niemals einen vollwertigen Ersatz für Kreativität dar.“ Prof. Dr. Thorsten Hennig-Thurau

Wirtschaftsforum: Sie schreiben, dass Produkte aus der Unterhaltungsindustrie über ganz besondere Eigenschaften verfügen. Könnten Sie diese Aussage kurz erläutern?

Thorsten Hennig-Thurau: Unterhaltungsprodukte sind auf der einen Seite etwas ganz besonders: wir konsumieren sie aus spezifischen, "hedonischen" Motiven, es gibt Sättigungseffekte und dann sind da natürlich die großen Schwierigkeiten, gute Filme oder Bücher von schlechten zu unterscheiden à la "ist das Kunst oder kann das weg". Der kreative Charakter erfordert das Arbeiten mit Kreativen, und schließlich ist mediale Unterhaltung so gut digitalisierbar wie kaum etwas anderes.

Aber auf der anderen Seite bieten viele dieser Eigenschaften, und vor allem die dafür entwickelten Lösungsansätze auch wichtige Einsichten für Manager in anderen Branchen. Wer versucht nicht, sein Auto oder seine Getränkeflasche um hedonischen Nutzen zu bereichern? Wie schafft man "Buzz"? Und wie geht man mit digitaler Konkurrenz um? Viele, die Interesse haben an "Entertainment Science", kommen daher gar nicht nur aus der Film- oder Musikbranche, sondern wollen von denen lernen.

Wirtschaftsforum: Wenden wir uns der Popmusik zu, der ein großer Teil der öffentlichen Aufmerksamkeit zu Teil wird. Welche konkreten Möglichkeiten eröffnet Datenanalyse, um einen Song wirtschaftlich erfolgreich zu machen?

Thorsten Hennig-Thurau: Die Möglichkeiten ziehen sich quer durch den Marketing-Mix. Das beginnt bei der tiefen, reichen Analyse des Songs selbst – was macht ihn aus? Für jedes Unterhaltungsmedium gibt es spezifische Elemente, die erklären, was wir an ihnen lieben und warum.

Bei Musik sind das zum Beispiel die Rhythmen, das Sub-Genre, die dadurch geweckten Emotionen. Aber natürlich spielt auch der Sänger eine Rolle – welche Starpower hat er oder sie, welches Markenimage. Datenanalyse hilft dann bei der Identifikation ähnlicher Songs, bei der individuellen Kommunikation zum Beispiel via Social Media, aber auch bei der Frage, wann und wo ein Song angeboten werden sollte.

In "Entertainment Science" geht es dabei weniger um die konkreten Algorithmen als vielmehr um die Vermittlung der grundlegenden "Entertainment-Theorie": was macht Musik mit uns, wenn wir sie hören, was für einen Vorteil bieten Stars?

„Für jedes Unterhaltungsmedium gibt es spezifische Elemente, die erklären, was wir an ihnen lieben und warum. Bei Musik sind das zum Beispiel die Rhythmen, das Sub-Genre, die dadurch geweckten Emotionen.“ Prof. Dr. Thorsten Hennig-Thurau
 Prof. Dr. Thorsten Hennig-Thurau

Wirtschaftsforum: Sie gehen auch auf Crowdfunding von Projekten ein. Bewerten Sie diese Methode als validen Weg zur Finanzierung oder sehen Sie Einschränkungen?

Thorsten Hennig-Thurau: Crowdfunding ist definitiv ein ernstzunehmender Finanzierungsansatz, wir listen im Buch eine ganze Reihe an auf diesem Wege erfolgreich produzierten Medienprodukten auf. Eines der erfolgreichsten Beispiele für Crowdfunding überhaupt ist sicherlich der Stromberg-Film.

Aber natürlich gibt es auch hier ein "Aber": wir zeigen, dass Crowdfunding neben kreativen Wegen vor allem auch starke Marken erfordert und zudem "pfadabhängig" ist: das erste Mal tut‘s oft weh. Crowdfunding erfordert große Marketingkompetenz und -sorgfalt, da es letztlich im Unterhaltungsbereich nicht zuletzt eine Form des Managements von Fanbeziehungen ist. Das macht es für große Studios weniger attraktiv, ebenso wie die nach oben doch in der Regel begrenzte Höhe des Finanzierungsvolumens.

 Prof. Dr. Thorsten Hennig-Thurau
„Wir zeigen im Buch eindeutig, welchen wirtschaftlichen Beitrag ein Oscar und eine Nominierung liefern kann – der ist übrigens stark kontextabhängig.“ Prof. Dr. Thorsten Hennig-Thurau

Wirtschaftsforum: Eine abschließende Frage: Kann "Entertainment Science" neben wirtschaftlichen auch qualitativen Faktoren wie den Gewinn eines Oscars in der Unterhaltungsindustrie steuern?

Thorsten Hennig-Thurau: Aber absolut! Ökonometrisch gesprochen handelt es sich hier ja nur um einen Wechsel der "abhängigen Variablen" im Analysemodell – statt dem Kinoerfolg gilt es dann den Oscar-Erfolg zu erklären. Und der folgt, wie das Geschehen an der Kinokasse, klaren Regeln – wie immer, wenn Menschen und deren Entscheidungen im Spiel sind.

Wir zeigen im Buch eindeutig, welchen wirtschaftlichen Beitrag ein Oscar und eine Nominierung liefern kann – der ist übrigens stark kontextabhängig. Aber wir verweisen eben auch auf Studien, die erklären, was denn den Oscargewinn wahrscheinlicher werden lässt. Übrigens investieren die Studios viel Geld, um am Ende mit der goldenen Statue über den roten Teppich geben – und damit auf den Plakaten und Webseiten werben zu können.

Interview: Markus Büssecker / Bilder: Kai Pohlkamp (Header) & Andreas Löchte

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