Ein zweites Leben für Gucci & Co.

Interview mit Marcus Schönhart, Geschäftsführer und Gesellschafter der Reverse Retail GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Schönhart, wie entstand das Konzept vom Ankauf getragener Designermode?

Marcus Schönhart: Der visionäre Gründer Alexander P. Sator hat sehr frühzeitig den sich entwickelnden Secondhandmarkt erkannt und investiert, obwohl er nicht aus dem Fashion-Umfeld kommt. Durch meinen beruflichen Hintergrund kam ich in Kontakt zu Reverse Retail mit Buddy & Selly und Vite-EnVogue.de. Der Unternehmer war an meinem Branchen-Know-how interessiert – so bin ich als Mitinvestor vor fünf Jahren eingestiegen und seit 2019 als Geschäftsführer aktiv, denn ich glaube an die Idee! Ich war vorher viele Jahre in der Fashionbranche, unter anderem im Management bei Peek & Cloppenburg und im Vorstand der KATAG AG.

Wirtschaftsforum: Wie funktioniert der Markt?

Marcus Schönhart: Secondhand gab es früher in muffigen Boutiquen und auf Flohmärkten. Durch ebay wurde der Markt demokratisiert: Jedermann konnte an jeden verkaufen. Das war sicher die erste große Marktveränderung. Damals stand vor allem der Aspekt der günstigen Kleidung im Vordergrund.

Wirtschaftsforum: Wann begann sich das Image zu wandeln?

Marcus Schönhart: Vor etwa sechs bis sieben Jahren wurde dieses Segment positiv besetzt. ‘Vintage’ wurde schick, aus Secondhand wurde ‘Resale’ oder ‘Pre-Loved’, und es entstand eine neue Dynamik, die sich seit zwei Jahren durch den Nachhaltigkeitsbegriff verstärkt hat. Circular Fashion wurde zum Trend! Neben ebay gibt es heute Händler wie uns, die Secondhandware kaufen. Wir sind der Problemlöser für alle, die ihre Kleidung abgeben möchten. Diese vertreiben wir über unsere Website Vite-EnVogue.de oder große Onlineanbieter wie ABOUT YOU.

Wirtschaftsforum: Der Kunde geht kein Risiko ein?

Marcus Schönhart: Es gibt im Prinzip zwei Kanäle, über die wir ankaufen. Kunden können Ware an unser Ankaufsteam schicken, das die Sachen auf Faktoren wie Marken aus dem Premium- und Luxussegment, Zustand und Authentizität überprüft und ankauft. Wir kooperieren für den An- und Verkauf mit hochwertigen Modeläden und großen Department Stores wie Breuninger, Engelhorn, KaDeWe und vielen anderen. Inzwischen beschäftigen wir 100 Mitarbeiter und setzen 25 Millionen EUR um. Im Angebot haben wir durchschnittlich 100.000 Teile. Das sind Zahlen, die sich sehen lassen können, wie ich finde.

Wirtschaftsforum: Wie sieht die Kooperation aus?

Marcus Schönhart: Die Stores veranstalten Ankaufsevents, laden ihre Kunden ein, und alle Kunden, die ihre hochwertige Kleidung, Schuhe, Taschen und Accessoires verkaufen, bekommen einen Einkaufsgutschein. Die Händler können ihre Frequenz und ihren Umsatz forcieren und das Thema Nachhaltigkeit stärken. Auf jeden Fall bekommt der Kunde seine Gegenleistung sofort. Auf der Vertriebsseite kann er sicher sein, dass er nur geprüfte und gute Ware erhält, die er bei Nichtgefallen zurückschicken kann.

Wirtschaftsforum: Und wie sieht der typische Kunde aus?

Marcus Schönhart: Noch sind es mehr Frauen. Aber der Markt für Männer wächst. Wir machen Luxus- und Premiummode für viele erschwinglich, die sich Chanel oder Gucci sonst nicht leisten könnten. Heute möchten Kunden aber auch nachhaltiger konsumieren - dazu gehört Secondhandmode, und 70% der Verbraucher sind bereit, Secondhandmode zu kaufen.

Wirtschaftsforum: Wie hat sich der Markt in der Krise entwickelt?

Marcus Schönhart: Natürlich ist der Onlinemarkt stark gewachsen, aber dieser Trend zeichnete sich auch vorher schon deutlich ab. Die Krise wirkt quasi nur als Brandbeschleuniger. Doch ich glaube fest an on- und offline, und sobald die Städte wieder öffnen, werden die Menschen wieder vor Ort einkaufen und in Restaurants gehen. Engagierte lokale Händler mit guten Konzepten, die auch online und offline verbinden, werden überleben und vom Trend profitieren.

Wirtschaftsforum: Wie sieht die Zukunft aus?

Marcus Schönhart: Department Stores wie Breuninger werden zukünftig auch den Verkauf von Secondhandmode in ihr Angebot integrieren. Wir haben gesehen, dass das klappt. International sehen wir ein hohes Potenzial, denn die Chanel-Tasche ist weltweit gefragt. Wir werden insgesamt wachsen. Es ist spannend, diesen Markt aktiv mitzugestalten. Der Nachhaltigkeitsansatz wird wichtiger und unser Angebot ist eine tolle Alternative zum Neukauf.

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