So viel wie nötig, so wenig wie möglich
Interview mit Ulrich Blessing, Vorstand der Blue Cap AG
Wirtschaftsforum: Herr Blessing, welche Meilensteine haben Ihr Unternehmen besonders geprägt?
Ulrich Blessing: Gegründet wurden wir 2006. Es wurden in den ersten Jahren sechs Unternehmen gekauft, 2013 war dann der erste Verkauf. 2018 hat der Gründer seine Anteile verkauft und schied 2019 aus. Seit Anfang 2020 gibt es einen dreiköpfigen Vorstand. Wir sind somit breiter aufgestellt und können uns besser entwickeln.
Wirtschaftsforum: Ist auch die Strategie angepasst worden?
Ulrich Blessing: Vorher wurden vor allem Unternehmen in Schieflage gekauft und saniert. Heute sind wir breiter am Markt unterwegs. Wir kaufen keine Sanierungsfälle, sondern Unternehmen mit einem intakten Kerngeschäft, die auf Weiterentwicklung und Wachstum setzen.
Wirtschaftsforum: Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?
Ulrich Blessing: Wir wollten unsere Unternehmensbeteiligungen systematisieren und diversifizieren, um langfristig ein Wachstum des Portfolios zu erreichen und einen Mehrwert für die Beteiligungen zu generieren.
Wirtschaftsforum: Wie stellt sich das Unternehmen in Zahlen dar?
Ulrich Blessing: Wir haben mit knapp 20 Mitarbeitern in der Holding ein schlankes und effizientes Team und konzentrieren uns auf den deutschsprachigen Raum. Der Umsatz unserer Beteiligungen liegt bei über 250 Millionen EUR und der Net Asset Value bei circa 140 Millionen EUR. Mit dem letzten Zukauf sind circa 1.300 Mitarbeiter bei den Beteiligungen beschäftigt. Die Unternehmen sind aber unabhängig voneinander und wir führen jedes Unternehmen mit einer eigenen Strategie.
Wirtschaftsforum: Sie sind im Vorstand für den strategischen Bereich zuständig?
Ulrich Blessing: Unsere Beteiligungen haben eigene Geschäftsführungen und wir diskutieren mit ihnen Themen wie Weiterentwicklung und Wachstum, unterstützen sie mit neuen Ideen und sitzen bei wesentlichen Investitions-Entscheidungen mit am Tisch. Das Ziel ist immer, das Unternehmen im Wachstum zu unterstützen und nach vorn zu bringen. So viel Unterstützung wie nötig, so wenig wie möglich. Das ist unser partnerschaftlicher Ansatz.
Wirtschaftsforum: Welche Schwerpunkte setzen Sie?
Ulrich Blessing: Digitalisierung mag ein Schlagwort sein, aber sie hilft uns zu wachsen und ist wichtig an der Schnittstelle zum Kunden. Wir identifizieren uns mit dem Thema Nachhaltigkeit. Unabhängig von der Branche möchten wir Geschäftsmodelle nachhaltiger betreiben, zum Beispiel, wenn es um den Einsatz recycelter Materialien geht, Umstellung der Energiegewinnung, Gestaltung nachhaltiger Produkte oder Forschungskooperationen. So ist Kunststoff nicht per se schlecht, sondern es kommt auf den Kontext an. Wir haben ein Unternehmen im Portfolio, das auf fast 100% recycelten Kunststoff setzt. Das muss kommuniziert werden. Hier bieten wir die entsprechende Unterstützung.
Wirtschaftsforum: Wie sieht das Portfolio aktuell aus?
Ulrich Blessing: Wir haben fünf größere Beteiligungen mit einem Umsatzvolumen von 30 bis 70 Millionen EUR, klassische Industrieunternehmen mit folgenden Produktgruppen: Kunststoffverpackungen für Molkereiprodukte und andere Lebensmittel, industrielle Klebstoffe, Leichtbauplatten aus recyceltem Kunststoff und je ein Unternehmen aus der Beschichtungstechnik und der Medizintechnik. Hinzu kommen drei kleinere Firmen: eine Gold- und Silber-Scheideanstalt, ein Maschinenbauer in der Druckindustrie und eine innovative Firma im Bereich optische Sensorik für die Oberflächen- und Dickenmessungen bei Glas und Stahl. Zudem haben wir vor kurzem die Akquisition der Hero Gruppe bekannt gegeben, die ebenfalls in der Kunststofftechnik tätig ist.
Wirtschaftsforum: Was sind die Gründe für Ihren Erfolg?
Ulrich Blessing: Wir suchen die richtigen Unternehmen, die ein intaktes Kerngeschäft vorweisen können. Wir wollen Wert über Wachstum generieren und das Management gut unterstützen. Langfristigkeit und eine gute Vertrauensbasis in beide Richtungen sind uns sehr wichtig. Wir wollen unser Portfolio vergrößern. Statt neun Unternehmen sollen es in fünf Jahren 15 Beteiligungen sein. Schwerpunkte können in verschiedenen Bereichen sein, doch den industriellen Fokus werden wir beibehalten. Wir werden auch nicht zu Private Equity, da unterscheiden wir uns durch unsere langfristige Strategie.