„IT ist kein Selbstzweck!“

Interview mit Thomas Fraenzke, Vorstand der birkle IT AG

Wirtschaftsforum: Herr Fraenzke, die Mission der birkle IT AG lautet: „Wir digitalisieren Unternehmen“. Wo setzen Sie dabei genau an?

Thomas Fraenzke: Es gibt viele Unternehmen, die Digitalisierungslösungen anbieten. Der entscheidende Unterschied liegt jedoch darin, wie wir als birkle IT AG diese Leistungen letztlich erbringen. Denn mit unserem Bestshoring-Modell setzen wir konsequent auf die etablierten Digitalisierungskenntnisse aus dem Baltikum, der Innovationsdrehscheibe in Europa. In Tallinn, Estland und in Vilnius, Litauen sind unsere Niederlassungen mit hochspezialisierten Fachkräften, deren umfassende Expertise wir mit dem gewachsenen Prozess-Know-how unseres deutschen Unternehmens in entsprechend agilen Organisationsstrukturen bündeln, sodass wir in kurzen Entwicklungszyklen schnell greifbare Ergebnisse vorstellen und einen wirklichen Mehrwert schaffen können.

Dabei unterstützen wir unsere Kunden sowohl im Rahmen einer klassischen Staff Augmentation, als auch durch ein umfassendes Solution Engineering – also die Auslagerung des gesamten oder eines Teils des Software-Entwicklungsprojekts –, stellen bedarfsweise aber auch gerne ganze Dedicated Teams zur Verfügung, die die Verantwortung für die gegenständliche Lösung in ihrer gesamten Breite übernehmen.

Wirtschaftsforum: Wie geht birkle IT AG bei einem Digitalisierungsprojekt genau vor?

Thomas Fraenzke: Man muss sich klarmachen, dass IT kein Selbstzweck ist, sondern stets einen konkreten Business Need befriedigen muss. Betrachten wir etwa ein Beispiel aus dem Versicherungssegment: In einem konkreten Schadensfall möchte der Endkunde idealerweise einfach seine Rechnung hochladen und anschließend den Betrag erstattet bekommen – schon die Eingabe seiner Versicherungs- oder Kontonummer oder jegliche Beantwortung etwaiger Rückfragen macht den Vorgang eigentlich unnötig komplex. Ob das Versicherungsunternehmen sein Claims-Management nun mithilfe von KI abwickelt oder ob es dabei nur teilweise automatisiert ist, ist dem Endkunden jedoch herzlich egal: Er möchte einen möglichst einfachen Prozess durchlaufen – und das Versicherungsunternehmen eine schlanke, leistungsstarke, verlässliche, wartungsarme und bezahlbare IT-Infrastruktur. Doch das muss man vom Ende her denken und deshalb schon ganz am Anfang des Projekts die richtigen Fragen stellen, um nicht am Ziel vorbei zu manövrieren.

Wirtschaftsforum: In vielen Unternehmen ist inzwischen ein Wildwuchs aus unterschiedlichen IT-Systemen entstanden – macht das Ihre Aufgabe im Tagesgeschäft nicht deutlich schwieriger als früher?

Thomas Fraenzke: Auch hier sind die richtigen Fragen Gold wert – denn dann bekommt man die richtigen Antworten und kann viele Fallstricke schon früh antizipieren und bestenfalls vermeiden. In einem ersten Ideation Workshop betrachten wir deshalb ausführlich, welche Komplexität bereits beim Kunden vorhanden ist und wo wir einen sinnvollen Beitrag leisten können, um sie effektiv zu reduzieren. Gleichzeitig liegt in den vielen singulären Lösungen, die in der Praxis in unterschiedlichsten Use Cases implementiert wurden, ein wahrer Schatz an Möglichkeiten, die auch in anderen Anwendungszusammenhängen einen nachhaltigen Nutzen stiften können. So spezialisieren sich beispielsweise einige Unternehmen ausschließlich auf Vertragsabschlussverfahren, während andere sich auf Rechnungsverfahren konzentrieren. Die birkle IT AG orchestriert diese verschiedenen Prozesse und unterschiedlichen Bereiche von Anfang bis Ende, um eine einheitliche digitale Lösung für den Endkunden zu schaffen.

Wirtschaftsforum: Kann diese Vielzahl an möglichen Lösungen einen Anbieter in der Größenordnung von birkle IT AG nicht auch überfordern?

Thomas Fraenzke: Ein Digitalisierungsexperte muss nicht für jeden Business Need eine perfekte Lösung präsentieren können, sondern im Zweifel nur wissen, wer sie zur Verfügung stellen kann, um dem Auftraggeber - wie dem Endkunden - ein optimales Ende-zu-Ende-Erlebnis anzubieten. Für die perspektivische Ausrichtung unseres Angebots ergibt sich damit ein klares Bild: Wir wollen uns nicht verfranzen, sondern fokussieren – insbesondere auf unsere Branchen Logistik und Versicherungswesen, wo wir auf eine gewachsene Expertise aufbauen und überzeugende Showcases vorweisen können. In einem inkrementellen Prozess werden wir unser Netzwerk und IT-Partnerschaften in den nächsten Jahren sicherlich noch entsprechend erweitern und gleichsam in ein noch profunderes internes Know-how investieren, um so in bestimmten Themenfeldern und weiteren Branchen auch zu den Top-Playern der Digitalisierungsunternehmen zu gehören.

Wirtschaftsforum: Was hat Sie nach 30 Jahren in der Branche Anfang Januar 2024 bewogen, in den Vorstand von birkle IT AG einzutreten?

Thomas Fraenzke: Mich reizen der interdisziplinäre, kundennahe Ansatz und die Möglichkeit, allen Mitarbeitenden in unserem Unternehmen persönliche und fachliche Wachstumsmöglichkeiten zu eröffnen. Darin liegt der unersetzliche Kern von birkle IT AG und eine wichtige Basis für unsere weitere Entwicklung.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema

Wurzeln, die tragen – Wachstum mit Bestand

Interview mit Kilian Sohm, Geschäftsführer der Sohm HolzBautechnik GmbH

Wurzeln, die tragen – Wachstum mit Bestand

Holz wächst leise – Schicht für Schicht, Jahr für Jahr. Es braucht Geduld, Beständigkeit und das richtige Maß. Wer mit Holz arbeitet, lernt diesen Rhythmus zu verstehen. Auch Unternehmen können…

Formvollendet

Interview mit Rainer Schenk, Geschäftsführer der FBR Facondrehteile GmbH

Formvollendet

Seit über 40 Jahren bringt die FBR Facondrehteile GmbH aus Kirchhaslach in Schwaben Metall in die richtige Form. Was bescheiden in einem Keller begann, ist heute ein international agierendes Unternehmen,…

KI trifft Ingenieurskunst – Transparenz für komplexe Softwarewelten

Interview mit Dipl.-Ing. Stephan Mauk, Vorstand der Concentrio AG

KI trifft Ingenieurskunst – Transparenz für komplexe Softwarewelten

Ob im Auto, im Flugzeug oder im Kraftwerk – Software entscheidet heute über Sicherheit, Effizienz und Leistung. Doch kaum jemand weiß, was im Hintergrund wirklich passiert. Genau hier setzt die…

Spannendes aus der Region München

Mehr als ein Koffer: ein Statement

Interview mit Bernd Georgi, Geschäftsführer der Floyd GmbH

Mehr als ein Koffer: ein Statement

Als Bernd Georgi 2019 gemeinsam mit Geschäftspartner Horst Kern die ersten Koffer unter der Marke Floyd auf den Markt brachte, stand die Welt kurz vor einer Pandemie – ein denkbar…

Mit starken Marken in die Zukunft gehen

Interview mit Frank Heller, Geschäftsführer und Eigentümer der BurnusCare GmbH

Mit starken Marken in die Zukunft gehen

Es ist schon ein großer Schritt, aus der Hotellerie in die Branche der Körperpflegemittel und Kosmetik als selbstständiger Unternehmer zu wechseln. Frank Heller ist diesen Schritt gegangen und hat die…

„Ohne Mikrodosierung könnte kein Smartphone gebaut werden“

Interview mit Kaoru Okuyama Geschäftsführer der Musashi Engineering Europe GmbH

„Ohne Mikrodosierung könnte kein Smartphone gebaut werden“

Ob Smartphones, Leiterplatten für Elektroautos oder hochkomplexe Sensortechnik: Wo kleinste Bauteile miteinander verbunden werden müssen, sind verlässliche Mikrodosierungsverfahren zur Auftragung des Klebstoffs unverzichtbar. Das mittelständische japanische Unternehmen Musashi Engineering verfügt…

Das könnte Sie auch interessieren

IT-Komplettanbieter mit familiären Werten

Interview mit Dr. Benjamin Strehl, Geschäftsführer der USU GmbH

IT-Komplettanbieter mit familiären Werten

Wer als Unternehmen langfristig wettbewerbsfähig bleiben will, muss die digitale Transformation aktiv gestalten. Dabei geht es um mehr als ein technologisches Update; es geht um einen tiefgreifenden Wandel, der alle…

Mehr als IT – Beratung mit Weitblick

Interview mit Erik Reuß, Geschäftsführer der PLS Management GmbH

Mehr als IT – Beratung mit Weitblick

In einer zunehmend digitalisierten Welt reicht es nicht aus, IT lediglich als unterstützende Funktion innerhalb eines Unternehmens zu betrachten. Moderne Geschäftsprozesse, neue Marktanforderungen und technologische Innovationen erfordern ein umfassenderes Verständnis.…

Digital denken, global handeln

Interview mit Lumir Boureanu, Geschäftsführer der compacer GmbH

Digital denken, global handeln

Krisensichere IT-Lösungen, internationale Großkunden, starke Wurzeln in Europa: Die compacer GmbH aus Gärtringen hat sich über zwei Jahrzehnte hinweg einen festen Platz im Bereich der Prozess- und Datenintegration erarbeitet. Doch…

TOP