„Organisationen müssen sich auf eine neue Spendengeneration einstellen“
Interview mit Björn Lampe, Vorstandsmitglied von betterplace.org

Wirtschaftsforum: betterplace.org ermöglicht einen digitalen Spendenprozess. Wie genau unterscheidet sich das System von der Spendenbox in der Kirche?
Björn Lampe: Wenn ich Geld in die Kollekte werfe, passiert das direkt vor Ort und ganz analog. Zudem wurde vorher von jemand anderem entschieden, wem diese Spende zugutekommt. Und wenn ich dann wissen will, wofür diese vor Ort ausgegeben wurde, kann es schon etwas komplizierter werden. betterplace.org funktioniert anders. Wir haben eine Spendenplattform mit zehntausenden Hilfsprojekten, auf der jeder das Projekt unterstützen kann, das ihm ganz persönlich am Herzen liegt. Durch das Internet kann dabei eine große Transparenz hergestellt werden: Wer möchte, kann über die Fortschritte im Projekt auf dem Laufenden gehalten werden oder die Projektverantwortlichen direkt kontaktieren. Momentan ermöglichen wir damit ein Spendenvolumen von rund 15 Millionen EUR im Jahr und sind damit heute die größte deutsche Spendenplattform. Aber natürlich behält auch die Spendenbox in der Kirche ihre Berechtigung: Jeder soll so spenden, wie er oder sie mag. Uns geht es darum, das Engagement in Deutschland insgesamt zu steigern, denn aktuell spenden nur rund 25% der Bevölkerung.

„Momentan ermöglichen wir ein Spendenvolumen von rund 15 Millionen EUR im Jahr und sind damit heute die größte deutsche Spendenplattform.“ Björn Lampe
Wirtschaftsforum: Wie wählen Sie die Vereine, Organisationen und Notstände aus, die Sie unterstützen möchten?
Björn Lampe: Unsere Plattform steht allen Organisationen und Vereinen offen, die in Deutschland als gemeinnützig anerkannt sind. Diese können sich ganz einfach bei uns registrieren und loslegen. Bei der Zusammenarbeit mit Unternehmen schauen wir genau hin: Können wir durch die Kooperationen einen Impact erzielen? Können wir die Welt damit ein Stück besser machen? Ist die Kooperation glaubhaft und nachhaltig? Und wir schauen auch immer, was die Ziele des Unternehmens im Bereich Corporate Social Responsibility sind, wie sie sich positionieren und wie transparent sie das umsetzen.
Wirtschaftsforum: Ihre Plattform ermöglicht Spenden in einer Gemeinschaft. Ist sie daher mit Crowdfunding auf sozialer Ebene vergleichbar?
Björn Lampe: Im Prinzip ja: viele Menschen tun sich zusammen, um gemeinsam etwas zu finanzieren. Bei uns passiert dies in Form von Spenden ohne Gegenleistung. Beim klassischen Crowdfunding hingegen gibt es immer klar benannte Gegenleistungen: eine Eintrittskarte zum Konzert des unterstützten Künstlers oder das Buch des geförderten Autos. Zudem gibt es beim Crowdfunding ein klares Finanzierungsziel. Wird das nicht innerhalb einer bestimmten Laufzeit erfüllt, bekommt der Unterstützer sein Geld zurück. Bei den Spendensammlungen auf unserer Plattform gibt es hingegen keine festen Laufzeiten oder feste Zielbeträge. Viele Projekte laufen bereits seit Jahren stetig weiter und können zum Beispiel auch durch Dauerspenden unterstützt werden.
Wirtschaftsforum: Was macht betterplace.org für Unternehmen interessant? Inwiefern können sie es nutzen?
Björn Lampe: Grundsätzlich geht es bei unseren Kooperationen mit Unternehmen darum, deren Engagement für viele Menschen sichtbar zu machen und dabei möglichst viele Stakeholder – wie Kunden oder Mitarbeiter – einzubinden. Wir haben dafür unterschiedliche Angebote: Sie reichen von der Abbildung einzelner Spendenaktionen, über Gutscheinformate bis zu eigenen Spendenplattformen, mit denen sie Projekte unterstützen können.
„Grundsätzlich geht es bei unseren Kooperationen mit Unternehmen darum, deren Engagement für viele Menschen sichtbar zu machen und dabei möglichst viele Stakeholder – wie Kunden oder Mitarbeiter – einzubinden.“ Björn Lampe

Wirtschaftsforum: Gibt es einen Trend, welche Bereiche Unternehmen besonders gerne unterstützen?
Björn Lampe: Viele Unternehmen suchen sich Projekte aus, die einen regionalen oder thematischen Bezug zu ihnen haben. Beispielsweise betreiben wir mit der Hamburger Sparkasse die Plattform gut-für-hamburg.de, auf der sich Projekte aus der Metropolregion Hamburg präsentieren können. Der Tierfuttermarkt `Fressnapf´ bildet bei sich hingegen Tierschutzvereine ab. Ansonsten gibt es oft persönliche Bezüge einzelner Mitarbeiter zu einzelnen Projekten, die sie dann für die Aktion ihres Arbeitgebers vorschlagen. Und natürlich spiegelt sich auch die Aktualität bestimmter Themenfelder wider. Derzeit bekommen wir viele Anfragen von Unternehmen, die sich für den Klimaschutz einsetzen möchten.
Wirtschaftsforum: Spendenmöglichkeiten gibt es viele. Obwohl der Bedarf hoch ist, geht die Anzahl der Spender laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung immer weiter zurück. Erkennen Sie das auch? Wie ist Ihre Einschätzung dazu?
Björn Lampe: Für betterplace.org können wir diesen Rückgang nicht bestätigen. Die Anzahl der Spender steigt bei uns seit Jahren. Dennoch ist durch die Digitalisierung natürlich auch der Spendenmarkt in Bewegung. Organisationen müssen sich auf eine neue Spendergeneration einstellen, die eine andere Ansprache und vor allem ein ganz anderes Spendenerlebnis erwartet, als die 60+-Spenderinnen und -Spender. Ältere Generationen unterstützen meist zudem über Jahre hinweg immer wieder dieselben Organisationen. Die Jüngeren sind da dynamischer und unterstützen immer mal wieder unterschiedliche Projekte, deren Arbeit sie gerade für wichtig erachten. Hier liegt ja auch der Vorteil der Digitalisierung: Auch kleine Vereine haben die Chance, ein großes Publikum zu erreichen.
Interview: Aurelia Leppen | Fotos: betterplace.org