Vom Ländle in die Welt: Labortechnik vom Marktführer

Interview mit Dr. Peter Kunze Director Sales & Marketing der Andreas Hettich GmbH & Co. KG

Wirtschaftsforum: Medizintechnik aus Baden-Württemberg. Das hört sich nach Tradition an, nach einer guten Mischung aus Präzision und Zuverlässigkeit, vor allem aber auch nach Innovations- und Schaffensfreude. Kann man Hettich unter diesen Vorzeichen einordnen?

Dr. Peter Kunze: Das trifft es schon ganz gut. Uns gibt es jetzt seit 120 Jahren als klassisches schwäbisches Unternehmen hier in Tuttlingen – einem Städtchen, das so etwas wie das Weltzentrum der Medizintechnik und ein entsprechender Innovationshub ist – bei all der notwendigen Folklore, die am Standort dazugehört. Wir sind im 21. Jahrhundert immer noch ein Familienunternehmen, heute in Händen der Familie Eberle. Und ja natürlich zu Innovations- und Schaffensfreude, das bringt uns aktuell auch eine recht dynamische Entwicklung, denn wir vertiefen gerade unser Portfolio.

Wirtschaftsforum: Es klingt, als sei das eher ungewöhnlich. Können Sie das für unsere Leser kurz ein bisschen ausführen?

Dr. Peter Kunze: Natürlich. Wir sind absoluter Spezialist im Bereich Laborzentrifugen, haben von der Handzentrifuge für den Feldeinsatz bis zu robotischen Zentrifugen eine Expertise, die ihresgleichen sucht, und uns bei den automatisierten Zentrifugen auch zum Weltmarktführer macht. Als Geschäftspartner beschert uns das entsprechend Konzerne wie Roche, Siemens oder Abbott. Gleichzeitig bewegen wir uns aber mit all der angestammten Expertise auch in einem internationalen Umfeld, in dem Unternehmenskonsolidierungen an der Tagesordnung sind und wir als Familienunternehmen noch einmal genauer hinsehen müssen, was passiert. Deswegen haben wir vor Kurzem einen für uns wichtigen Schritt getan und auf der anderen Seite des Schwarzwalds die Firma Kirsch gekauft, die hochwertige Kühl- und Gefrierschränke für Labore entwickelt und herstellt. Das ist für uns ein wirklich guter Fit.

Wirtschaftsforum: Das internationale Umfeld ist aber schon seit Jahren Spielwiese von Hettich, oder?

Dr. Peter Kunze: Sicher ist es das. Wir haben sechs weitere Standorte im inner- und außereuropäischen Ausland und einige Gründungen im Programm. Unser Ruf eilt uns da wirklich im allerbesten Sinne voraus. Auch wenn unser Stammhaus im deutschsprachigen Raum liegt, das ‘Made in Germany’-Label, das wir verkörpern, steht weltweit für Qualität und Langlebigkeit. Die Chinesen zum Beispiel sind besonders an den Robotikzentrifugen interessiert. Dank der Fusion mit Kirsch nimmt die internationale Vernetzung jetzt weiter Fahrt auf, der Vertrieb wird verstärkt und entsprechende Möglichkeiten ergeben sich im Export, in dem Kirsch bisher nicht so aktiv war.

Wirtschaftsforum: Ist China nicht auch ein kritischer Markt mit den aktuellen Rahmenbedingungen?

Dr. Peter Kunze: Ich habe selbst in Südostasien gelebt und hege so eine gute Portion interkulturelle Neugier gerade für asiatische Länder. Die Chinesen werden nach wie vor von deutschen Firmen umworben, sind gleichzeitig aber viel selbstbewusster als früher unterwegs. Das erlebe ich auch auf Messen, zuletzt jetzt gerade im März auf der analytica, auf der chinesische Firmen große, prominente Stände hatten. Die Rahmenbedingungen, die kritisch sind, sehe ich eher in den Lieferketten, die durch die volatile Weltlage leiden. Stellen Sie sich vor, dass eine Zentrifuge aus cirka 1.000 Teilen besteht. Wenn dann ein Handelsembargo greift oder ein Suezkanal de facto stillliegt, dann können Probleme entstehen. Bis dato sind wir hier aber glücklicherweise gut durchgekommen.

Wirtschaftsforum: Welchen Herausforderungen müssen Sie sich aktuell noch stellen?

Dr. Peter Kunze: Ein Dauerbrenner ist bei uns natürlich das Regulatorische in der Medizintechnik. Man muss einfach sehen, dass außerhalb der EU jedes Land wieder andere Gesetze hierfür hat, entsprechende Produktnachweise und Dokumentationen fällig werden. Das ist einerseits spannend, andererseits aber auch arbeitsintensiv, gerade international. Unsere Niederlassung in Singapur zum Beispiel kümmert sich hierfür im südostasiatischen Raum. In Europa hatten wir vor Jahren den Skandal mit den Silikonimplantaten in Frankreich. Das hat auch regulatorisch Auswirkungen gehabt, für die wir sehr viel Ressourcen einsetzen mussten. Übrigens old school in Papierform. Viele Einreichungen sind zwar bereits digital, aber die Dokumentation erfolgt auf Papier und je exotischer die Länder, desto mehr Stempel, Beglaubigungen und Apostillen werden benötigt.

Wirtschaftsforum: Jenseits vom unsäglichen Bürokratieaufwand bei behördlichen Genehmigungen – old school bei Hettich ist aber auch Teil des Erfolgsrezepts, oder?

Dr. Peter Kunze: Da greife ich gern zurück auf unseren Gesprächsbeginn. Unsere schwäbische Schaffensfreude geht nämlich auch mit etwas einher, das uns im Markt ganz nach vorne katapultiert: Der Langlebigkeit unserer Produkte. Ich treffe auf Messen Kunden, die sagen: „Ach, Sie sind das! Von Ihnen habe ich eine Laborzentrifuge. Die ist 25 Jahre alt und funktioniert immer noch so gut wie früher.“ Da stelle ich mir dann unser blau-türkises Produkt vor, denke an die Menschen, die es entwickelt haben und auch an die, denen es zugutekommt. Besser geht es nicht.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Gesundheit, Medizin & Pharma

Silber gegen Biofilm: die Zukunft der Implantattechnik?

Interview mit Agnieszka Mierzejewska, COO der aap Implantate AG

Silber gegen Biofilm: die Zukunft der Implantattechnik?

Trotz der Multikrise aus hohen Energiepreisen und Rohstoffknappheit konnte der Berliner Medizinproduktehersteller aap Implantate bei seinem zentralen Entwicklungsprojekt wichtige Fortschritte erzielen: Seine innovativen, antibakteriell oberflächenbehandelten Implantate sollen das Infektionsrisiko deutlich…

Mit Microneedling zu neuer Lebensqualität

Interview mit Michael Tomerius, CEO der Dermaroller GmbH

Mit Microneedling zu neuer Lebensqualität

Schönheitspflege ist längst mehr als ein flüchtiger Trend. Immer mehr Menschen setzen auf effektive und zugleich schonende Verfahren, um Hautbild und Ausstrahlung zu verbessern. Neben klassischen Kosmetikbehandlungen hat sich insbesondere…

Eine weitere Waffe gegen den Krebs

Interview mit Luisa Amoedo Otero, Geschäftsführerin der Vibalogics GmbH

Eine weitere Waffe gegen den Krebs

Im Laufe seines Lebens wird jeder fünfte Mensch von Krebs betroffen sein. Angesichts dieser alarmierenden Statistik ist die Entwicklung von Impfstoffen, die als wirksame Waffe zur Prävention bestimmter Krebsarten dienen,…

Spannendes aus der Region Landkreis Tuttlingen

Wasser: eine Kostbarkeit

Interview mit Michael Dold, Geschäftsführer der aquavilla GmbH

Wasser: eine Kostbarkeit

In einer Zeit, in der Wasser als kostbare Ressource immer knapper wird, zeigt die aquavilla GmbH aus St. Georgen im Schwarzwald, wie verantwortungsvolle Wasserversorgung gestaltet werden kann. Mit einem klaren…

Patientenorientierte Versorgung im ländlichen Raum

Interview mit Michael Hanke, Geschäftsführer der Krankenhaus Stockach GmbH

Patientenorientierte Versorgung im ländlichen Raum

Im ländlichen Raum Deutschlands hat die Krankenhaus Stockach GmbH eine besondere Stellung. Als eines der kleinsten Krankenhäuser des Landes hat es sich nicht nur durch seine patientenorientierte Versorgung einen Namen…

Perfektion durch Simulation

Interview mit Michael Binder-Pfaff, Vice President Sales & International Organization der BINDER GmbH

Perfektion durch Simulation

Damit ein Produkt im Einsatz einwandfrei funktioniert, müssen potenzielle Fehlerquellen und Schwachstellen im Vorfeld erkannt und ausgeschlossen werden. Die Simulation realer Bedingungen ist eine zeit- und kosteneffiziente Alternative zu Feldtests…

Das könnte Sie auch interessieren

Eine weitere Waffe gegen den Krebs

Interview mit Luisa Amoedo Otero, Geschäftsführerin der Vibalogics GmbH

Eine weitere Waffe gegen den Krebs

Im Laufe seines Lebens wird jeder fünfte Mensch von Krebs betroffen sein. Angesichts dieser alarmierenden Statistik ist die Entwicklung von Impfstoffen, die als wirksame Waffe zur Prävention bestimmter Krebsarten dienen,…

Weil Gesundheit smart sein kann

Interview mit Lukas Eicher, CEO der Nelly Solutions GmbH

Weil Gesundheit smart sein kann

Der Einzug der Digitalisierung in nahezu alle Bereiche der Gesellschaft ist Fakt. Auch Arztpraxen werden immer smarter. Im Vordergrund steht dabei eine moderne, technologiegestützte medizinische Versorgung, die sowohl Patienten als…

Technologie, die Lebensqualität verbessert

Interview mit Larry Jasinski, Geschäftsführer der Lifeward GmbH

Technologie, die Lebensqualität verbessert

Mobilität steht für Selbstständigkeit – für viele selbstverständlich, für andere ein verlorenes Privileg. Nach einem Unfall oder einer neurologischen Erkrankung wird der Alltag oft zur Herausforderung, physisch wie psychisch. Die…

TOP