Aus der Vogelperspektive sieht man mehr
Interview mit Hans J. Stahl, President & CEO der Aerodata AG

Wirtschaftsforum: Herr Stahl, Aerodata ist ein Paradebeispiel eines mittelständischen Hidden Champions, der seine Marktnische komplett erobert hat. Wie haben Sie es geschafft, Ihren Wettbewerbern davonzufliegen?
Hans J. Stahl: Der Schlüssel zum Erfolg liegt für uns in der Tatsache, dass wir auch sehr komplexe Lösungen mühelos umsetzen können. Dafür sind wir bekannt. Einfach kann ja jeder; komplexe Herausforderungen hingegen bedürfen eines viel höheren Niveaus an Fachwissen. Dieses Fachwissen haben wir durch unsere 25-jährige Erfahrung erworben. In unserem Kerngebiet der Flugvermessung sind wir seit 25 Jahren Marktführer mit einem Marktanteil zwischen 65% und 75%.
Wirtschaftsforum: Man kann von einem gebundenen Markt sprechen, wenn es um die Flugvermessung geht. Schließlich sind diese Inspektionen durch die Behörden vorgegeben. Haben Sie auch andere Tätigkeitsfelder?
Hans J. Stahl: Neben der Flugvermessung bieten wir auch Überwachungsflugzeuge. Für beide Bereiche werden Serienflugzeuge mit unseren zum Teil selbst entwickelten Sensoren und Systemen umgerüstet. Bei der Flugüberwachung gibt es durch das weltweit steigende Verkehrsaufkommen und die zunehmenden Flüchtlingsströme einen ständig wachsenden Bedarf. Unsere speziell angepassten und ausgerüsteten Flugzeuge sind unter anderem für Aufgaben wie Search & Rescue, Meeres- und Landüberwachung, Grenzüberwachung, Fischereikontrolle, Katastrophenschutz und Krankentransporte bestens geeignet. Vor fünf Jahren haben wir mit der Einführung von Seefernaufklärungsflugzeugen ein weiteres Geschäftsfeld erobert. Mit AeroMission, unserem integrierten Missionsmanagement-System, bieten wir eine Lösung für jegliches luftgestütztes Überwachungsszenario. Hier bieten wir hochsensible Sensoren zur Sicherheitsüberwachung über Land und Wasser. Je nach Kundenanforderung können wir das Flugzeug mit Infrarot-, Tageslicht- und Nachtsichtkameras, Suchradarsystemen, Peilsystemen für die Suche und Bergung von Menschen in Not, taktischen Breitbandpeiler und COMINT-, SIGINT- und ELINT-Sensoren ausstatten.
Wirtschaftsforum: Flugzeuge, die mit Ihren Sensoren ausgestattet sind, können auch einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten. In welchen Bereichen werden sie eingesetzt?
Hans J. Stahl: Aus der Luft bekommt man natürlich eine ganz andere Perspektive. Umweltgefährdungen wie Ölverschmutzungen auf der Wasseroberfläche oder Ansammlungen von Kunststoffmüll können so aufgespürt werden. Für den Umweltbereich haben wir zwei einzigartige Sensorentechnologien entwickelt. Erstens haben wir einen Sensor, der die Analyse per Mikrowellenradiometrie ermöglicht. Damit können Tag und Nacht hochpräzise Messungen von Ölschichtdicken gemacht werden. Mit unserem Laserfluorosensor können wir verschiedene Arten von Öl unterscheiden. Durch die Feinanalyse können wir Rohöle von raffinierten Ölen unterscheiden. Dadurch kann das optimale Dispersionsmittel gewählt werden, um die Verschmutzung zu beseitigen.
Wirtschaftsforum: Sie sind stark in der Forschung und Entwicklung engagiert. In welche Richtung wird sich der Markt Ihrer Meinung nach in Zukunft entwickeln?
Hans J. Stahl: Die Entwicklungen gehen derzeit in sehr spannende Richtungen. Im Bereich der Flugvermessung beginnen wir mit Drohnen zu arbeiten. Dies ist deswegen möglich geworden, weil die Produkte kleiner und leichter geworden sind, aber auch leistungsfähiger. Dies bedeutet, dass wir für die Überwachung deutlich kleinere Flugzeuge einsetzen können, was Kostenersparnisse bringen wird. In der Seefernaufklärung erwarten wir eine hohe Nachfrage. Wir arbeiten aktuell an einem Forschungsprojekt, das ein neues Produkt für die Aufspürung von Kunststoffverschmutzungen im Meer erstellen soll.
Wirtschaftsforum: Was sind Ihre Ziele für die nächsten Jahre?
Hans J. Stahl: Wir wollen als Unternehmen weiter wachsen und von Skaleneffekten profitieren. Das heißt, wir wollen weg vom individuellen Maßanzug und hin zur Flottenlösung. Das können wir nur erreichen, wenn wir weiterhin motivierte und talentierte Ingenieure anziehen. Daher sind wir gleichzeitig Ausbildungsunternehmen und pflegen eine sehr transparente, freundliche Atmosphäre. Wir wollen sowohl unseren Kunden als auch unseren Mitarbeitern eine klare Perspektive bieten.