„Eine regional-autarke Energieversorgung wäre das richtige Ziel!“
Interview mit Rudolf Haas, Vorstand der ENFO AG

Wirtschaftsforum: Herr Haas, ursprünglich haben Sie einmal den Beruf des Forstmanns ergriffen – schon seit vielen Jahren bauen Sie nun jedoch mit der ENFO AG Photovoltaikanlagen in Ostdeutschland. Woher stammt Ihre Motivation für diesen Einsatz?
Rudolf Haas: Ich bin eigentlich über mein Engagement für den Umweltschutz zu den erneuerbaren Energien gestoßen, weil ich zur Überzeugung gelangt war, dass für diesen Wandel viel zu wenig getan wird, insbesondere in den neuen Bundesländern. Dabei sind hier einst die wirklich großen Photovoltaikprojekte umgesetzt worden – etwa 2012, als ich auf dem Flugplatz Neuhardenberg in Brandenburg den größten Solarpark Europas mit 145 MW entwickelt und mit zahlreichen Partnern realisiert habe. Doch als 2012 beschlossen wurde, dass für Ostdeutschland keine Sonderregelungen für Konversionsflächen gelten sollten, gingen die Bauzahlen leider dramatisch zurück – und die deutsche Energiepolitik geriet zunehmend zum Fiasko.
Wirtschaftsforum: Die Energiewende war ein Fehler?
Rudolf Haas: Ich habe den Ausstieg aus der Kernenergie und der Braunkohle immer unterstützt, weil ich überzeugt bin, dass der Wandel hin zu den erneuerbaren Energien nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll ist. Doch politisch wurde dieses Thema in den letzten Jahren immer wieder abgewürgt oder die wesentlichen Treiber wurden vollends verkannt: Es geht ja nicht nur um Geld und Fördermittel, sondern um Geschäftsmodelle, die nachhaltig funktionieren müssen. In Ostdeutschland betrifft das beispielsweise die aktuell strikte Ausgrenzung von Landschaftsschutzgebieten bei den EEG-Ausschreibungen, worunter viele Bergbaufolgeflächen fallen, die nach dem Ende der Kohleförderung zu solchen erklärt wurden. Sie wären in in vielen Fällen geradezu prädestiniert für eine Nutzung als Solarparks, schließlich lässt sich dort ja kein Ackerbau betreiben
Wirtschaftsforum: Das müssten dann jedoch auch die Menschen in der jeweiligen Region befürworten.
Rudolf Haas: Das tun sie verständlicherweise auch nur dann, wenn sie konkret etwas von den Solarparks in ihrer Umgebung haben. Richtig umgesetzt, lässt sich dieses Ziel auch problemlos erreichen. Denn wenn wir Autarkie nicht mehr nur bilanziell, sondern vielmehr physisch verstehen, wird der in den Solar- oder Windkraftanlagen erzeugte Strom auch vollständig vor Ort genutzt – so kann ein regionaler Kreislauf aus Erzeugern und Verbrauchern entstehen, in dem ein überregionaler Netzanschluss im Idealfall gar nicht mehr erforderlich wäre. Davon profitieren dann auch die Menschen vor Ort durch niedrige Strompreise, wodurch sich die Akzeptanz der entsprechenden Anlagen in der Allgemeinbevölkerung rapide erhöhen dürfte. Die technischen Voraussetzungen dafür sind längst gegeben – auch die ENFO AG arbeitet bereits an solchen Modellen, die auf eine regionale, autarke Stromversorgung abzielen.
Wirtschaftsforum: Wo hakt es dann, wenn die technischen Möglichkeiten doch bereits bestehen?
Rudolf Haas: Zunächst einmal daran, dass es an einer gesamtheitlichen und überparteilichen Strategie fehlt, wie die Elektrizitätsversorgung Deutschlands perspektivisch gewährleistet werden soll. Wir versuchen immer noch, unsere Probleme durch das Verlegen riesiger Stromtrassen durch ganz Deutschland zu lösen – ich setze mich dagegen seit jeher für den gegenteiligen Ansatz ein, nämlich eine bedarfsorientierte regionale Versorgungssicherheit aus erneuerbaren Energien, die ein funktionierendes nachhaltiges und kostengünstiges Erzeuger-Verbraucher-Ökosystem ermöglicht. Um das gewährleisten zu können, ist dabei allerdings ein intelligentes Stromspeichersystem unverzichtbar. Bleibt man hingegen bei dem Rahmen, der derzeit von den politischen Entscheidungsträgern gesetzt wird, wird man auch perspektivisch Gaskraftwerke oder andere fossile Energieträger einsetzen müssen, um die Grundversorgung zu gewährleisten – diese können dann jedoch auch nicht einfach als stille Reserve für den Fall der Fälle betrieben werden, weil dies schon allein wegen fehlender Skaleneffekte nie und nimmer wirtschaftlich darstellbar wäre. Das eigentlich gut erreichbare Ziel, das ganze Land mit erneuerbaren Energien stabil und preisgünstig mit Strom zu versorgen, rückt so leider in weite Werne – und gefährdet nachhaltig den Industrie-standort Deutschland.
Wirtschaftsforum: 2019 haben Sie zudem das ehemalige Porzel-lanwerk in Annaburg übernommen – und verfolgen dort seither ein sehr umfassendes Revitalisierungsprojekt.
Rudolf Haas: Ich war schon immer der Überzeugung, dass man die eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten stets im Kontext der gesamten Region sehen sollte – und wenn man ein Objekt schon als Insel auffassen möchte, dann doch als Insel für viele. Das ehemalige Porzellanwerk hatte zur Jahrhundertwende noch 800 Mitarbeiter, geriet aber im Verlauf der Jahrzehnte immer wieder in wirtschaftliche Turbulenzen und 2017 in die Insolvenz – als größter Arbeitgeber in der Region war das ein schwerer Schlag. Fast jeder in Annaburg hatte irgendeine persönliche Verbindung zu dem Betrieb. Als ich dieses Projekt begonnen habe, war ich mir meiner Verantwortung bewusst, an dieser Stelle eine adäquate Lösung zu entwickeln – mit einem umfassenden Konzept, das nicht nur Arbeitsplätze schaffen soll, sondern auch attraktive Wohnmöglichkeiten sowie interessante Sport-, Freizeit- und Kulturangebote. Eine solche Revitalisierung ist noch einmal eine andere Hausnummer als ein Photovoltaik-Großprojekt – und in jedem Fall eine schöne Aufgabe für die nächsten Jahre.