„Innovation treibt uns an!“

Interview mit Dr. Fridtjof Traulsen, Vorsitzender der Geschäftsführung der Boehringer Ingelheim Deutschland GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Traulsen, Boehringer Ingelheim blickt auf fast 140 Jahre Firmengeschichte zurück. Welche Dinge sind Ihrer Meinung nach bestimmend dafür gewesen, dass sich Boehringer Ingelheim zu einem Unternehmen von internationaler Bekanntheit und globalem Einfluss entwickeln konnte? 

Dr. Fridtjof Traulsen: Es sind vor allem zwei Themen, die sich durch diese Geschichte hindurchziehen wie ein roter Faden. Das eine ist unsere Innovationsorientiertheit: Schon der Gründer Albert Boehringer hatte mit Heinrich und Hermann Wieland zwei außerordentlich fähige Chemiker eingestellt; Heinrich Wieland erhielt 1927 den Nobelpreis für Chemie. Es war in der Zwischenkriegszeit für den Unternehmer auch immer wieder der Antrieb, Innovatives herauszubringen und dieses Streben nach Innovation zeichnet uns auch nach wie vor aus. In jedem Jahr verleihen wir aufs Neue die Heinrich-Wieland-Medaille als Auszeichnung für hochrangige Forschung.

Das zweite Thema, das uns prägt und genauso für unsere Innovationsfreude und Agilität spricht, ist, dass wir uns dieser Forschung und Entwicklung auf globalem Level verschrieben haben. In den 1990er-Jahren haben wir die ersten Produkte für den globalen Markt entwickelt, sprich Produkte mit einheitlichem Standard für alle Märkte. Das hat uns sehr vorangebracht und auch das Wachstum der letzten Jahre bestimmt. Werte schaffen durch Innovation: Uns treibt an, zum Wohle von Patientinnen und Patienten immer wieder einen Durchbruch zu schaffen, das heißt Medikamente für Krankheiten zu entwickeln, die heute noch nicht oder noch nicht ausreichend gut behandelbar sind.

Wirtschaftsforum: Wie gestalten Sie diesen Entwicklungsprozess vor dem Hintergrund, dass die Entwicklungszyklen für neue Medikamente sehr lang sind?

Dr. Fridtjof Traulsen: Die Richtung, in die wir entwickeln, bestimmen wir über den therapeutischen Bedarf: Wir versuchen eine Prognose zu stellen, was für Medikamente die Menschen in 20 Jahren brauchen werden. Dafür schauen wir uns den aktuellen Stand von Krankheitsbildern an und versuchen mittels einer Übersicht, einer sogenannten Disease Map, vorauszusehen, welche Krankheiten wo dominieren werden und welcher der so entstehenden Behandlungsbedarfe der größte sein wird. Tatsächlich brauchen wir 12 bis 15 Jahre von der Idee bis zum Medikament. Wenn wir nicht ungefähr 20 Jahre vorher anfangen zu forschen, werden wir es nicht schaffen, dem Bedarf zu begegnen. Innerhalb dieses Zeitraums definieren wir die Forschungsgebiete und innerhalb dieser Gebiete haben die Forschenden dann die Freiheit, ihre Ansätze zu finden. 

Wirtschaftsforum: Gerade in Bereichen wie Forschung und Entwicklung, die ein umfassendes Fachwissen erfordern, braucht es hoch qualifizierte Fachkräfte. Welche Erfahrungen machen Sie mit dem Fachkräftemangel? 

Dr. Fridtjof Traulsen: Für die meisten Berufe im Unternehmen haben wir in den Regionen von Deutschland, in denen wir aktiv sind, genug Bewerber. Trotzdem engagieren wir uns stark und haben fast 600 Auszubildende, vor allem in den naturwissenschaftlichen Berufen, aber auch im technischen und handwerklichen Bereich. Aber gerade auch den Digitalberufen kämpfen wir um die Besten – jede Branche braucht heute Digitalisierung, nicht nur wir. Hier machen wir aktiv Werbung, um zu zeigen, was wir tun und dass sich der Einstieg in die pharmazeutische Industrie für Bewerber lohnt. Trotz allem wird es eine stärkere Zuwanderung von ausländischen Fachkräften geben müssen, um den Bedarf langfristig zu decken.

Wirtschaftsforum: Haben Sie vor diesem Hintergrund eine Botschaft oder einen Wunsch an die Politik, was sich ändern sollte?

Dr. Fridtjof Traulsen: Es sind vor allem zwei Botschaften: Zum einen muss die Zuwanderung von Fachkräften erleichtert werden. Wir haben selbst Programme und Kollaborationen innerhalb und außerhalb Europas zur Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland. Immer wieder aber stellen wir fest, wie schwierig es ist, für diejenigen, die wir angeworben haben, eine Arbeitsgenehmigung zu erhalten. Ein anderes Beispiel ist Migration. Wir haben schon Menschen, die als Geflüchtete nach Deutschland gekommen waren, in die Ausbildung aufgenommen, weil wir es für wichtig halten, dass sie schon zu einem frühen Zeitpunkt in den Arbeitsmarkt eintreten. Der zweite Punkt: Deutschland als Wirtschaft braucht innovative Produkte. Das heißt, wir brauchen auch Menschen die sich gerade mit diesen technischen und naturwissenschaftlichen Fragen beschäftigen wollen. Bei den mathematisch-naturwissenschaftlichen Berufen gibt es im Gegensatz zu anderen kaum einen Anstieg der Studierendenzahlen. Hier sollte die Politik darauf drängen, dass auch in diesen Bereichen wieder stärker ausgebildet wird.
 
Wirtschaftsforum:
Wie sieht Ihre Zukunftsvision für Boehringer Ingelheim Deutschland aus?

Dr. Fridtjof Traulsen: Wir haben die größte Pipeline im Bereich Humanarzneimittel, die wir je hatten. Auch im Bereich Tierarzneimittel haben wir bis 2026 allein 20 neue Möglichkeiten Produkte einzuführen. Hier sind wir auch bei der Tierseuchenvorbeugung aktiv. Ein großes Problem in Europa ist aktuell die Blauzungenkrankheit. Wir sind gerade dabei, dafür einen neuen Impfstoff auf den Markt zu bringen – unter großem Zeitdruck, damit die Seuche nicht ausufert.

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