Was Sie über Scheinselbstständigkeit wissen sollten
Sie sind selbstständig, arbeiten in der Regel aber nur für einen Auftraggeber. Das ist ein heikles Thema, denn in diesem Fall kann es sich auch um eine Scheinselbstständigkeit handeln. Und die ist ein rechtlich definierter Tatbestand und bezeichnet ein Arbeitsverhältnis, bei dem ein Auftragnehmer zwar laut Vertrag selbstständig ist, nach objektiven Kriterien jedoch wie ein Arbeitnehmer eingestuft wird und als solcher versicherungspflichtig anzumelden ist. Eine Scheinselbstständigkeit ist also kein Kavaliersdelikt, sondern kann weitreichende rechtliche und finanzielle Folgen haben – und auch die Existenz von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gefährden.
Beispiele für Scheinselbstständigkeit
Frau H. fängt nach der Elternzeit als freie Mitarbeiterin wieder in ihrer alten Redaktion an. Anfangs sind es nur ein paar Stunden, doch allmählich steigert sich ihr Arbeitspensum und schon bald arbeitet sie fast genauso viel wie ihre fest angestellten Kollegen, wird von der Zeitung aber nur nach geleisteten Stunden bezahlt.
Herr M. war als Kraftfahrer lange arbeitslos und erhält nun das Angebot, für eine Spedition zu fahren. Diese stellt ihm ein Fahrzeug zur Verfügung und bestimmt auch, welche Aufträge er bekommt und welche Routen er fährt – obwohl er nicht fest angestellt ist, sondern als Selbstständiger auftritt.
Unterschied Selbstständiger – abhängig Beschäftigter
Fälle wie diese zeigen, wie schmal der Grat zwischen Angestelltenverhältnis und Scheinselbstständigkeit häufig ist. In vielen Fällen sind sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht einmal einer Schuld bewusst, Scheinselbstständige zu beschäftigen beziehungsweise als Scheinselbstständige zu arbeiten.
Eine Abhängigkeit zwischen beiden Parteien besteht, wenn ein freier Mitarbeiter feste Arbeitszeiten hat, in innere Abläufe des Unternehmens eingebunden ist, Reporting-Pflichten nachkommen muss und auch seinen Arbeitsplatz nicht frei wählen kann. Wenn der Selbstständige fast ausschließlich für einen Arbeitgeber tätig ist und kaum andere Kunden hat, dann liegt der Verdacht auf eine Scheinselbstständigkeit nahe.
Scheinselbständigkeit in welchen Berufen
Es gibt zahlreiche Berufsfelder, in denen Selbstständige oder freie Mitarbeiter immer wieder auch als Scheinselbstständige arbeiten:
- Berater
- Grafiker, Texter und Lektoren
- Handwerker
- Freie in Film und Fernsehen
- Dozenten und Coaches
- Speditionskräfte wie Fahrer
- Reinigungspersonal
Überprüfung der Scheinselbstständigkeit
Die Deutsche Rentenversicherung prüft, ob eine Scheinselbstständigkeit vorliegt oder nicht. Sie als Arbeitsgeber oder als Arbeitnehmer können das Statusfeststellungsverfahren ebenfalls von sich aus anfragen, um sicherzugehen, dass Sie keinen Scheinselbstständigen beschäftigen oder selbst als solcher arbeiten. So schaffen Sie klare Verhältnisse für alle Beteiligten.
Von sich aus führt die Deutsche Rentenversicherung die Prüfungen regelmäßig durch und trifft dabei oft auf schwarze Schafe. Gerade wenn fast fünf Sechstel des Einkommens durch ein Beschäftigungsverhältnis erzielt werden oder der Selbstständige denselben Job früher als Festangestellter gemacht hat, ist die Behörde mehr als skeptisch.
Konsequenzen der Scheinselbstständigkeit
Vor allem für den Arbeitgeber kann die Beschäftigung eines Scheinselbstständigen weitreichende Folgen haben, muss er doch für die Dauer der Beschäftigung die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen – und zwar auch rückwirkend für bis zu vier Jahre. Wenn ihm dann noch Vorsatz nachzuweisen ist, macht er sich sogar strafbar. Und das Finanzamt kann rückwirkend Lohnsteuerzahlungen einfordern.
Für den Arbeitnehmer hat das Aufdecken einer Scheinselbstständigkeit ebenfalls Folgen. Seine Selbstständigkeit ist beendet und er erhält nachträglich den Status eines Angestellten. Er muss aber gleichzeitig seine Gewerbe abmelden und sich für die Arbeiternehmeranteile an den Nachzahlungen der Sozialbeiträge beteiligen. Auch seine gestellten Rechnungen werden vom Finanzamt überprüft und die abgesetzte Umsatzsteuer kann für ungültig erklärt werden.
Fazit
Beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – müssen damit rechnen, dass die Scheinselbstständigkeit – beabsichtigt oder nicht – von Behördenseite aufgedeckt wird und hohe finanzielle und rechtliche Risiken birgt. Deshalb sollten Sie direkt bei Aufnahme der Selbstständigkeit klären, ob die Gefahr einer Scheinselbstständigkeit besteht.