Weltweit im Einsatz: Sensorik für Extreme
Interview mit Dr. Holger von Both, CEO und Yves Böhme, CFO der Sensor Technik Sirnach AG

Wo Sensoren eingesetzt werden, gibt es keinen Raum für Unsicherheit. Trägerraketen, Satellitenantriebe oder Tiefseeventile müssen dauerhaft zuverlässig funktionieren, weil ein Austausch kaum möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist. Auch im Motorsport oder in Prüfständen von Motoren und Getrieben gilt: Wenn Sekundenbruchteile und hohe Temperaturen entscheiden, darf das Signal nicht rauschen oder schwanken. „Genau hier sehen wir unsere Mission“, sagt CEO Holger von Both. „Unsere Sensoren müssen überall dort bestehen, wo Präzision über Erfolg oder Misserfolg entscheidet.“
Nische statt Massenmarkt
Während viele Anbieter auf Stückzahlen setzen, hat STS die Fähigkeit kultiviert, auch Kleinstserien zu fertigen. Stückzahl eins bis fünf ist keine Ausnahme, sondern gelebte Praxis. Kundenspezifische Kalibrierungen, maßgeschneiderte Kabellängen und Sonderlösungen
gehören zum Alltag. Auch die Lieferzeiten sind ein starkes Argument: „Was Wettbewerber erst im kommenden Jahr zusagen, liefern wir oft in wenigen Wochen – im Notfall auch kurzfristig“, betont CFO Yves Böhme. Diese Flexibilität ist der Kern des Wettbewerbsvorteils.
Analog und digital
In vielen hochkritischen Anwendungen setzen die Ingenieure bewusst auf analoge Signalverarbeitung. Ohne Mikroprozessor entstehen keine Taktfrequenzen und kein zusätzliches Rauschen, gleichzeitig sind die Sensoren unempfindlicher gegenüber Strahlung oder extremen Temperaturschwankungen. „Das können heute nicht mehr viele – wir haben diese Technologie bewusst bewahrt“, erklärt Holger von Both. Für Raumfahrt oder radioaktive Umgebungen ist dies ein entscheidender Vorteil. Dennoch wird das Portfolio schrittweise digital ergänzt, insbesondere in weniger extremen Umfeldern.
Globale Aufstellung
STS wurde 1987 von vier Gründern ins Leben gerufen und ist bis heute vollständig in Familienhand. Die Kinder der Gründer wirken im Verwaltungsrat mit. Finanziell solide und schuldenfrei, agiert das Unternehmen auf eigenem Grund und Boden. Früh begann die Internationalisierung: 1992 in Italien, später in Frankreich, Großbritannien, Deutschland und China. 2022 folgte die Übernahme eines US-Partners, seit 2025 wird Indien als Wachstumsmarkt erschlossen. Die Einsatzfelder reichen von Luft- und Raumfahrt über Tiefseeüberwachung bis zu Prüfständen, erneuerbaren Energien und Wasserversorgungssystemen. „Wir sind weltweit die Einzigen, deren Sensoren in Fusionsreaktorprojekten in Europa und den USA den hohen Strahlungswerten standhalten“, sagt Holger von Both. Auch Tauch- und Brunnensonden mit Kabellängen von über 400 m gehören zum Portfolio.
Sinnvolle Digitalisierung
Während die Produkte in bestimmten Nischen bewusst analog bleiben, treibt das Unternehmen die Digitalisierung seiner Prozesse konsequent voran. Ein neues ERP-System, zentrale Serviceeinheiten, automatisierte Buchhaltung und App-basierte HR-Prozesse modernisieren den internen Betrieb. Cash-Pooling und weltweite Bankintegration machen STS fit für die nächsten Wachstumsschritte. Auch der Auftritt nach außen wurde erneuert: eine moderne Website mit eigenen Mitarbeiterporträts und ein aktiver LinkedIn-Kanal stärken Sichtbarkeit und Identifikation.
Werte und Kultur
Als Schweizer Familienunternehmen lebt STS eine Kultur mit drei Leitwerten: Vertrauen, Courage und Passion. „Vertrauen beschleunigt, Misstrauen bremst – das ist unser Grundprinzip“, sagt Holger von Both. Courage steht für Mut zur Veränderung und eine offene Fehlerkultur, Passion für Begeisterung im Projekt. Mitarbeitende schätzen die Vielfalt der Anwendungen sowie flexible Arbeitszeiten über ein Jahresarbeitszeitmodell. Feste und gemeinsame Treffen wie das internationale Neujahrsmeeting stärken zusätzlich den Zusammenhalt – ein wichtiger Faktor in Zeiten von Fachkräftemangel. Auch Nachhaltigkeit ist fester Bestandteil der Kultur: Teilnahme am Swiss-Triple-Impact-Programm, ein Minergie-Industriegebäude und ab 2026 ein komplett mit Solarmodulen ausgerüstetes Dach gehören dazu. „Noch entscheidender ist die Langlebigkeit unserer Produkte – 20 bis 30 Jahre zuverlässiger Betrieb sind keine Ausnahme“, betont Yves Böhme.
Strategie und Wachstum
Die Zukunft des Unternehmens liegt nicht allein in einzelnen Drucksensoren. Holger von Both beschreibt das Ziel als „Fünf-Finger-Strategie“: Druck, Temperatur, Füllstand, Durchfluss und Analyse sollen künftig nebeneinanderstehen. Aus einzelnen Komponenten werden so komplette Applikationslösungen, die den Kunden ein Gesamtpaket bieten. Damit entwickelt sich STS vom spezialisierten Zulieferer hin zum Systempartner. Heute erwirtschaftet die Gruppe mit rund 135 Mitarbeitenden etwa 30 Millionen CHF Umsatz. „Wir wollen zügig auf 50 Millionen wachsen und mittelfristig die 100-Millionen-Marke erreichen“, erklärt Holger von Both. Prozesse und Systeme sind bereits darauf vorbereitet, diese Größenordnungen zuverlässig zu bewältigen. Getragen wird dieses Wachstum durch Internationalisierung, die Erweiterung des Portfolios und den konsequenten Schritt vom Komponenten- zum Applikationsanbieter.














