Mit dem inneren Auge betrachtet

Interview mit Jürgen Steinbeck, Geschäftsführer der Richard Wolf GmbH

Das Unternehmen gehört im Bereich der endoskopischen Medizintechnik zur Weltspitze. „Unsere Marktposition variiert zwar in den einzelnen Anwendungsgebieten“, präzisiert Jürgen Steinbeck, Geschäftsführer und verantwortlich für Vertrieb, Marketing, Service, Logistik und Regulatorien, „doch in einer ganzen Reihe von Anwendungsbereichen setzen wir Standards.“

Und dies nicht nur in Entwicklung, Herstellung und Vertrieb endoskopischer Produkte, sondern vor allem auch als Anbieter kompletter Endoskopie-Systeme inklusive OP-Integration und -Management.

 

Vom Produkt bis zum System 

„Wir sehen einen klaren Trend zu integrierten Systemen“, sagt Jürgen Steinbeck, der seit sechs Jahren beim Unternehmen ist. „Solche Systeme ermöglichen beispielsweise die vollständige Steuerung sämtlicher, integrierbarer OP-Geräte wie des OP-Tisches, der Leuchten und vieler Fremdgeräte mittels Touchscreen“, erläutert er.

In Konsequenz dessen wurde 2013 ‘core nova’ auf der Fachmesse MEDICA präsentiert, womit Richard Wolf der weltweit erste Anbieter auf Netzwerktechnologie basierender Systeme wurde. „Mittlerweile haben wir den Paradigmenwechsel vom Produkt- zum Systemanbieter weitgehend vollzogen“, sagt der Geschäftsführer und weist auch auf die zunehmende Bedeutung integrierter Videotechnik bei OP-Systemen hin: „Das wird immer wichtiger, um Bilder aus dem OP heraus übertragen zu können und um Bilder und Videos zu archivieren und zu dokumentieren. In der Bildgebung tut sich generell sehr viel. Aus dem Bereich Consumer Electronics ist das ja bekannt; wenn es dort etwas Neues gibt, dauert es nicht lange, bis es auch in der Medizintechnik Einzug hält.“

Seit einigen Jahren umfasst das Programm von Richard Wolf auch Modelle, die statt des herkömmlichen Endoskopes mit Linsentechnik einen sehr kleinen Sensor am vorderen Ende aufweisen, der das Bild direkt über einen Controller an den Monitor überträgt. Dies macht das System für den Operateur noch handlicher.

Jürgen Steinbeck
„Mittlerweile haben wir den Paradigmenwechsel vom Produkt- zum Systemanbieter weitgehend vollzogen.“ Jürgen SteinbeckGeschäftsführer

Außer den bildgebenden Funktionen bieten die Endoskope je nach Anwendungsgebiet Arbeitskanäle für unterschiedliche Instrumente für den minimalinvasiven Einsatz, wie beispielsweise Scheren, Zangen oder Laseranwendungen.

Die Entwicklung und Herstellung dieser Instrumente gehört ebenfalls zum Portfolio des Unternehmens, das im minimalinvasiven Bereich außer mit endoskopischen Produkten auch mit ESWL- und ESWT-Systemen mit Piezo-Technik für die Stoßwellentherapie vertreten ist, wie sie hauptsächlich in der Urologie und Orthopädie zum Einsatz kommt.

Auch außerhalb der Medizintechnik ist Richard Wolf mit endoskopischen Produkten am Markt, wie Jürgen Steinbeck ausführt: „Aerospace Applications sind Endoskope zur Bearbeitung von Turbinenschaufeln. Wir haben uns damit ein sehr technisch geprägtes Absatzfeld erschlossen. Allerdings möchten wir unser Engagement außerhalb der Medizintechnik nicht noch weiter intensivieren, denn diese ist unser Kerngebiet, in dem wir noch erhebliches Potenzial sehen, sodass wir uns weiterhin vor allem darauf konzentrieren werden.“

Den Wettbewerb bezeichnet der Geschäftsführer als sehr intensiv: „Die größten Wettbewerber befinden sich in Deutschland, Japan und den USA. Auch in China nehmen Konkurrenzunternehmen Fahrt auf, allerdings bei Weitem noch nicht auf unserem hohen technischen Niveau. Insgesamt gibt es zwar einige Hersteller endoskopischer Produkte, aber nur sehr wenige Premium-Systemintegratoren wie Richard Wolf.“

Innovativ aus Tradition

Langfristiges Vorausdenken und der Anspruch, Maßstäbe zu setzen, haben bei der Richard Wolf GmbH Tradition – seit nunmehr fast 70 Jahren, denn gegründet wurde das Unternehmen bereits im Jahr 1947 durch Annemarie und Richard Wolf in Knittlingen.

Schon Richard Wolfs Vater Georg Wolf hatte 1906 ein Vorgängerunternehmen gegründet, dessen Schwerpunkt ebenfalls auf endoskopischen Produkten lag, das aber nach Kriegsende 1945 im Ostteil der Stadt Berlin sequestriert wurde. Richard Wolf begann daher zwei Jahre später mit der Gründung seines eigenen Unternehmens zwar wirtschaftlich bei null, konnte aber ein großes Know-how einbringen und machte sein Unternehmen in den folgenden Jahren mit immer neuen, wegweisenden Innovationen zu einem Pionier in der Entwicklung und Herstellung endoskopischer Medizintechnik.

Diese Innovationskraft ist bis heute ungebrochen, denn die Richard Wolf GmbH, die nach dem Tod der Gründer zu 100% in den Besitz einer Stiftung überging, kann in jedem Jahr mit etlichen Neuheiten aufwarten. Diese werden regelmäßig auf der für das Unternehmen so wichtigen Fachmesse MEDICA sowie auf weiteren Messen präsentiert.

„Die MEDICA ist für uns eine wichtige Plattform, um unsere Innovationsfähigkeit zu zeigen. Unsere wichtigsten Produktneuheiten stellen wir dort zuallererst vor“, erläutert Jürgen Steinbeck.

Sie ist in den letzten Jahren zu einer B2B-Messe geworden: Sehr häufig werden dort die Kontakte zu den Kunden geknüpft; Kliniken und Krankenhäuser bilden die Zielgruppe, aber auch potentielle Distributoren und Geschäftspartner in der Medizintechnik.

Die Messen sind daher ein wichtiges Marketinginstrument, aber auch in Fachzeitschriften wirbt das Unternehmen für seine Produkte, „allerdings immer stärker digital“. „Das Digitale ist wegen des Social-Media-Themas ohnehin nicht zu unterschätzen“, fügt er hinzu „denn die neue ‘Tablet- Generation’ von Ärzten und Professoren ist komplett vernetzt.“

In Deutschland werden die Produkte direkt an Kliniken vertrieben, ebenso  im Ausland, wo der Vertrieb über die Tochterfirmen erfolgt. Dort, wo Richard Wolf nicht selbst präsent ist, übernehmen Distributoren den Vertrieb.

Die Exportrate macht 80% aus: Die USA, China, Frankreich, Großbritannien und Indien bilden die Schwerpunktmärkte, dazu kommen starke Märkte in Asien, Russland, Südamerika und der Mittlere Osten – Richard Wolf weltweit.

Nachhaltige Qualität 

Die gesamte Technologie wird am Hauptstandort Knittlingen entwickelt, die Softwareentwicklung erfolgt in großen Teilen außerdem in München, wo das Unternehmen zwei weitere Standorte hat. Ein dritter Standort befindet sich in Tuttlingen.

Insgesamt sind für die Richard Wolf GmbH, die 14 Tochterfirmen und weltweit 130 Vertretungen besitzt und einen Jahresumsatz von circa 200 Millionen EUR erwirtschaftet, 1.550 Mitarbeiter tätig, davon circa 1.150 in Knittlingen.

Produziert wird ausschließlich in Deutschland und den USA, wodurch höchste Qualität gewährleistet ist. „Wir sind bewusst nicht mit Billigpreisen unterwegs, sondern haben stets auf den Premiumsektor mit nachhaltiger Qualität und Innovationen gesetzt“, fasst Jürgen Steinbeck die Erfolgsstrategie zusammen. „Wir haben uns frühzeitig international ausgerichtet und  sind weitgehend organisch gewachsen. All das gilt auch für die Zukunft.“

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Gesundheit, Medizin & Pharma

Vitalität, die von innen kommt

Interview mit Jana Keym, Geschäftsführerin der Astrid Twardy GmbH

Vitalität, die von innen kommt

War das Gesundheitsbewusstsein während der Coronapandemie besonders stark ausgeprägt, verzichten aktuell viele Menschen aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation wieder auf den Kauf gesundheitsfördernder Produkte. Die Astrid Twardy GmbH aus Bad Aibling…

Sicherheit und Qualität: FD Pharma setzt auf Europa

Interview mit Christian Sarnoch Geschäftsführer FD Pharma GmbH

Sicherheit und Qualität: FD Pharma setzt auf Europa

Weltweite Krisenherde, eine mehrjährige Pandemie und mittendrin der deutsche Arzneimittelmarkt, dessen Achillesferse inzwischen die Abhängigkeit von weit entfernten Produzenten ist. Kein Wunder, dass dies nun verstärkt innovative und flexible Player…

Werte wahren, Neues wagen

Interview mit Stefan Wirth, Geschäftsführer FUJIFILM medwork GmbH

Werte wahren, Neues wagen

Das Beste aus zwei Welten zu vereinen, bedeutet, neue Möglichkeiten, Chancen und Perspektiven zu haben. Genau das trifft für die FUJIFILM medwork GmbH aus Höchstadt zu. Der Anbieter von medizintechnischen…

Spannendes aus der Region Enzkreis

Luftfahrttechnologie für die Zukunft

Interview mit Michael Gröninger und Dieter Buchdrucker, Geschäftsführer der HENSOLDT Avionics GmbH

Luftfahrttechnologie für die Zukunft

Die HENSOLDT Avionics GmbH aus Pforzheim ist Weltmarktführer und Technologieführer im Bereich Mission Management, Navigation und Situational Awareness. Mit einem klaren Fokus auf innovative Technologien und einer konsequenten Kundenorientierung setzt…

Der perfekte Tropfen Wasser

Interview mit Timo Krause, CEO der truu GmbH

Der perfekte Tropfen Wasser

Wasser ist eine knappe Ressource, gleichzeitig für unsere Gesundheit aber extrem wichtig. Essenziell ist allerdings die Qualität des Wassers, das wir trinken. Die truu GmbH aus Pforzheim hat mit ihren…

Elektromobilität leicht gemacht

Interview mit Michael Erbar, Geschäftsführer der Stöhr GmbH

Elektromobilität leicht gemacht

Heute sind Fahrradgaragen und Ladestationen für Elektroautos und Elektrofahrräder aus den Innenstädten nicht mehr wegzudenken. Als die Stöhr GmbH aus Königsbach-Stein in Deutschland in den Jahren 2008 bis 2010 ihre…

Das könnte Sie auch interessieren

„Wir wollen die Menschen immer wieder überraschen!“

Interview mit Anneke Snijders, Geschäftsführerin der Silk-ka BV

„Wir wollen die Menschen immer wieder überraschen!“

Was für wunderbare Blumen und Pflanzen! Und so natürlich! Was auf den ersten Blick wie eine perfekte Kreation der Natur aussieht, ist doch nur eine Illusion, denn die täuschend echt…

„Menschen abholen und mitnehmen“

Interview mit Alexander Schulze Forsthövel, Business Unit Manager der ME Engineering GmbH

„Menschen abholen und mitnehmen“

Voraussetzung für eine erfolgreiche Fertigung ist, dass Prozesse optimal laufen. Dafür sorgt die ME Engineering GmbH. In ganz Nordrhein-Westfalen bringt sie ihr Know-how in den Bereichen Prozess- und Fertigungsautomation sowie…

Selbstbestimmte Energieversorgung

Interview mit Michael Schnakenberg, CEO der Commeo GmbH

Selbstbestimmte Energieversorgung

Eine wirtschaftliche Energieversorgung ist zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor für Industrie- und Gewerbeunternehmen geworden und Voraussetzung, um die steigenden gesetzlichen Anforderungen an Nachhaltigkeit zu erfüllen. Mit flexiblen Energiespeichersystemen ermöglicht die Commeo…

TOP