Klarer Kreislauf statt Zickzack-Kurs

Interview mit Thomas Prauße, Geschäftsführer der Stadtwerke Greifswald GmbH

Strom und Gas gibt es in Greifswald natürlich nicht erst seit 1992, dem Gründungsjahr der Stadtwerke Greifswald GmbH. „Das Unternehmen hat sich damals infolge politischer Veränderungen neu formiert“, erklärt Geschäftsführer Thomas Prauße die Neugründung.

Anders als andere Stadtwerke, die in derselben Zeit gegründet wurden, ist ihr Geschäft nicht nur Strom und Gas. Versorgung ist in Greifswald vielmehr im weiteren Sinn zu verstehen. Als 100%ige Tochter der Stadt Greifswald vereint sie unter ihrem Dach Energieversorgung, Öffentlichen Nahverkehr und Freizeitbad, ist größte Gesellschafterin des Bildungszentrums und zuständig für die kaufmännische Geschäftsführung des Abwasserbereichs.

„Es ist enorm spannend, in der heutigen Zeit solch ein Querverbundunternehmen zu leiten“, findet Thomas Prauße, der seit 2014 im Unternehmen ist.

Gut aufgestellt

Veränderungen hat es in den vergangenen Jahren reichlich gegeben. So wurde 1992 das Kernkraftwerk Lubmin rückgebaut, sodass sich in der Stadt die Frage nach alternativen Möglichkeiten investiert der Wärmeversorgung stellte. „Man wollte eine Wärmeversorgung mit eigenen Kapazitäten aufbauen. Das war eine richtungsweisende Entscheidung, denn das Ergebnis war die flexible Erzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).“

Die Technologie gilt als zentraler Baustein bei der Energiewende. 2004 wurden die mit KWK betriebenen Energiewandlungsanlagen in Betrieb genommen. „Inzwischen sind sie in die Jahre gekommen und müssen erneuert werden, damit wir in der Erzeugung weiter profitabel wirtschaften können“, erläutert der Geschäftsführer.

Ein wichtiger Schritt sei ebenso die Restrukturierung in den Jahren 2015 bis 2017 gewesen. Sie hatte das Ziel, alle die Stadt Greifswald betreffenden Energiesparten zu verschmelzen und unter einem Dach zu vereinen. Den Betrieb des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und des Freizeitbads haben die Stadtwerke im Auftrag der Stadt übernommen.

„Um die Defizite von beiden mit 1,6 Millionen EUR auszugleichen, müssen wir jedes Jahr 3,2 Millionen EUR erwirtschaften. So funktioniert steuerlicher Querverbund“, rechnet Thomas Prauße vor. Das Stammhaus wurde 2017 im Rahmen der Restrukturierung neu aufgestellt.

Thomas Prauße
„Ausgediente Photovoltaik-Spiegel werden heute geschreddert. Das ist doch unglaublich!“ Thomas PraußeGeschäftsführer

Anders als andere Stadtwerke nicht nach Sparten, sondern nach Kernkompetenzen: „Die bestehen bei uns darin, Energie zu erzeugen, zu verteilen und zu verkaufen.“ Dementsprechend wurden die Profitcenter Netzwirtschaft, Energiehandel und Erzeugung geschaffen, sowie die zwei Cost-Center Finanzwirtschaft und IT.

Vielfach ausgezeichnet

Nicht erst im Zuge der Diesel-Diskussionen haben die Stadtwerke in Sachen umweltfreundlicher Nahverkehr Nägel mit Köpfen gemacht: Die gesamte Busflotte wurde erneuert und von Diesel auf 100% Bio-Erdgas umgestellt. „Damit sparen wir jedes Jahr 800 t CO² ein“, betont Thomas Prauße. Daneben war das gute Streckennetz für den Verband ProBahn ein Grund, die Greifswalder Stadtwerke 2015 mit dem Fahrgastpreis für hochqualitativen Nahverkehr auszuzeichnen.

Stolz ist der Geschäftsführer vor allem auf die hohe Kundenzufriedenheit. Und auch das Freizeitbad Greifswald ist preisgekrönt: 2014 erhielt es den Public Value Award der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen. „Wir haben in den letzten Jahren 750.000 EUR in das Bad gesteckt, um den Saunabereich, die Sanitäranlagen und das Bistro zu erneuern.“

Auch in der IT-Sicherheit sind die Stadtwerke Greifswald nachgewiesenermaßen spitze: Als eines von wenigen Unternehmen sind sie nach dem Informations-Sicherheits-Management-System (ISMS) zertifiziert. Engagagiert ist das Unternehmen in jeder Hinsicht – auch sozial. Davon profitiert vor allem der Nachwuchs. So werden Erstklässler mit Verkehrswarnwesten ausgestattet und Hüpfburgen für Kinder- und Familienfeste kostenlos zum Ausborgen bereitgestellt. Jedes Jahr werden mehrere Tausend Besucher vom Fahrradfest auf dem Markt, dem Stadtwerkefest auf dem Firmengelände und dem Adventskonzert in der Kirche angezogen.

Herausforderung Energiewende

„Wir hängen am Tropf der Politik, sind permanent fremdbestimmt durch Bundesregierung und Europäische Union. Deshalb brauchen wir Skaleneffekte. Wir steuern nach Ergebnis, nicht nach Umsatz und haben daher die Kosten optimiert“, erklärt Thomas Prauße. Um die Mitarbeiter bei den verschiedenen Veränderungsprozessen mitzunehmen, wurde ein Mitarbeiterprojekt gestartet.

„Als Führungskraft will ich meine Mitarbeiter zum Erfolg bringen. Betriebsbedingte Kündigungen habe ich von vornherein ausgeschlossen“, sagt der Geschäftsführer, der mit Stolz über seine Belegschaft spricht: „Unsere Mitarbeiter geben jeden Tag alles für die Menschen, die hier leben, für die Region und unsere Umwelt. Sie sind wirklich toll.“

Leicht haben es die Energieversorger heutzutage nicht, macht er klar: „Wir bekommen die Auswirkungen des Zickzack-Kurses der Energiewende sehr deutlich zu spüren. Staatliche Abgaben steigen und machen inzwischen 54% des Strompreises aus. Doch die Energieversorger sind die Überbringer der schlechten Nachrichten und müssen immer wieder Preiserhöhungen erklären.“

In diesem Zuge beklagt er auch zu viele politische Ungereimtheiten. So gebe es beispielsweise keine Entscheidung darüber, wie ausgediente Photovoltaik-Spiegel zu recyceln sind. „Sie werden heute geschreddert. Das ist doch unglaublich! Daher mein Appell an die Bundesregierung: Bitte bringt den Kreislauf zu Ende – macht das, was ihr in der Atomwende nicht geschafft habt und klärt auch das Recycling.“

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