Eine Firma mit Effekt

Interview mit Stefano Borsini, Geschäftsführer der Manifattura Igea Spa

„Ich bin Maschinenbauingenieur“, sagt Geschäftsführer Stefano Borsini. „Nach dem Studium entwickelte ich Maschinen für die Textilindustrie, aber mit der Welt der Mode hatte ich eigentlich nichts zu tun. In dieser Zeit wuchs das Garnherstellungsunternehmen, das mein Vater Mario Borsini 1964 gegründet hatte. 1982 trat ich dort ein und kümmerte mich neben der ständigen Modernisierung der Maschinen vor allem um neue Märkte im Ausland.“

Aufbruch zu neuen Ufern

Igea hatte sich von Anfang an auf Effektgarne für Strickwaren spezialisiert, also auf Garne, die den jeweiligen Modetrends entsprechen und sie unterstützen. „Diese Garne vermarkteten wir sehr erfolgreich, aber hauptsächlich in Italien“, erklärt Stefano Borsini. „Als ich in die Firma kam, habe ich eine Strategie der Internationalisierung entwickelt, zuerst in Europa und dann in Amerika.“

In Deutschland gab es viele Firmen, die große Mengen Strickwaren herstellten, ein wichtiger Markt. Mit Handelsvertretern in München, Düsseldorf und Stuttgart gewann Igea viele deutsche Kunden. „Heute verkaufen wir 70% der Garne ins Ausland und Deutschland spielt immer noch eine wichtige Rolle, auch wenn die Märkte sich geändert haben“, betont Stefano Borsini. „Nach wie vor präsentieren wir den Kunden unsere Produkte, aber die Kunden produzieren nicht mehr selbst, sie lassen im Ausland produzieren, in Italien, Rumänien oder in China, und wir liefern die Garne in die produzierenden Länder.“

Nur das Beste

Die italienischen Garnspezialisten haben immer flexibel auf den ständigen Wandel der Märkte reagiert und mit klugen strategischen Entscheidungen die großen Krisen überlebt, in denen viele Unternehmen in Prato aufgeben mussten.

„Prato war nicht nur das italienische Textilzentrum, Prato war ein europäisches Zentrum und bei einigen Stoffen Weltmonopolist, bis China kam und den Textilmarkt komplett veränderte“, erinnert sich Stefano Borsini. „Wir haben früh auf hochwertige Garne gesetzt, beispielsweise auf 100% reine Merinowolle, die beste Wolle, die es gibt. Dafür haben wir im Jahr 2000 eine Produktionsstätte in Polen eröffnet, die Maschinen und Einrichtungen sind von uns.“

Mit der Tochter Filigea, die 2005 in Carpi bei Modena gegründet wurde, erfüllt das Unternehmen die Nachfrage der Hersteller von Prêtà-porter-Mode und Fast Fashion nach sofort verfügbaren Garnen in vielen Farben und Stärken.

Die Luft macht‘s

Vor allem setzt Igea auf die ständige Erneuerung der Maschinen und der Produkte, darunter eine neue Art Garn, die das Unternehmen zum Teil mitentwickelt hat, genau wie das System, um diese Art Garn herzustellen: das Airflow-System. Dabei werden die Fasern nicht wie bisher üblich zu Garn eingedreht, sondern das Garn entsteht durch einen starken Luftstrom. So wird viel Luft in die Garnstruktur gebracht, was diese viel leichter macht. Und weil die Fasern unregelmäßig zusammengebracht werden, ist das Garn nicht fest, sondern extrem weich und flauschig.

„Damit kann man dicke Pullover stricken, die sehr leicht sind und trotzdem warm, angenehm zu tragen und schön flauschig“, unterstreicht Stefano Borsini. Nach Tests über zwei Jahre hinweg ist Igea mit diesem System seit acht Jahren auf dem Markt und hat heute damit großen Erfolg.

„In diesem Jahr haben wir die letzten Maschinen für dieses System installiert“, sagt der Geschäftsführer. „Heute fertigen wir 30% der Produkte mit dem Airflow-System, auch Alpaka und Mohair. Wir sind Spezialisten für diese besonders haarigen Garne, die gerade sehr in Mode sind.“

Mit 150 Mitarbeitern, 50 davon in Polen, erzielt Igea einen Umsatz von 25 Millionen EUR, rund 70% davon im Export vor allem nach Europa, Japan und Nordamerika. „Aktuell ist China für uns interessant“, sagt Stefano Borsini. „Wir veranstalten dort Workshops für lokale Strickwarenhersteller und erklären unsere Produkte. Wir stellen Garne vor allem für die Haute Couture her und kontaktieren unsere Kunden direkt über Handelsvertreter und auf Fachmessen. Die hohe technische Qualität der Airflow-Garne und ihre innovative Vielfalt sind unser Markenzeichen. Wir haben zwei Kollektionen im Jahr mit 70 Garnen, von denen viele neu sind, innovativ, etwas Besonderes. Wir wollen den Export weiter ausbauen. Ich habe viele Jahre damit verbracht und bin immer noch dabei, es ist ein Prozess ohne Ende. Jetzt bin ich 70 Jahre alt und arbeite immer noch. Es ist nicht leicht aufzuhören, auch wenn mein Sohn Filippo seit zehn Jahren im Unternehmen arbeitet. Als Exportdirektor ist er sozusagen in meine Fußstapfen getreten. Ich möchte das ganze Know-how weitergeben, damit der Generationswechsel gelingt. Das sorgt für Kontinuität.“

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