Ein heißes Eisen: Schmelzen mit Induktion
Interview mit Thomas Kähler, Geschäftsführer der Inductotherm Deutschland GmbH

Das Grundprinzip der Induktion besteht darin, dass mittels Strom in und um eine Spule aus leitendem Material ein Magnetfeld erzeugt wird. Inductotherm nutzt dieses Verfahren seit fast 70 Jahren für das induktive Schmelzen. Die Inductotherm Corp. wurde 1953 in den USA von Henry Rowan gegründet, um induktive Schmelzanlagen zu entwickeln und zu konstruieren.
Seit 1987 ist die weltweit auf 23 Standorte angewachsene Gruppe in Deutschland mit der Inductotherm Deutschland GmbH vertreten. „Wir sind für Vertrieb, Service und das Ersatzteilgeschäft in Deutschland, Holland, Österreich und der Schweiz zuständig“, erklärt Geschäftsführer Thomas Kähler.
Offen für Neues in konservativem Umfeld
In den vergangenen Jahren hat sich die deutsche GmbH auf den Bereich After Sales fokussiert, der heute Zweidrittel des Umsatzes ausmacht. „Mit dem Bezug unseres Standortes Langerwehe haben wir uns breiter aufgestellt und eine eigene Werkstatt für Reparaturen eingerichtet“, erklärt der Geschäftsführer. Der 42-Jährige ist direkt nach Abschluss seines Studiums zu Inductotherm gegangen. „Vorher hatte ich das Thema induktives Schmelzen noch gar nicht auf dem Schirm“, sagt er heute. Seit 2015 ist er Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft. Seine Branche beschreibt er als „eher konservativ.“ In diesem Umfeld, betont er, sei Inductotherm stets offen für neue Konzepte und stelle sich selbst ständig in Frage.
Globales Unternehmen mit lokalen Standorten
„Mit unserer Umrichtertechnologie und unserem Ofendesign haben wir am Markt Alleinstellungsmerkmale“, betont Thomas Kähler. Derzeit habe die Branche mit unberechenbaren Schwankungen im Markt zu kämpfen, erklärt er und ergänzt: „Investitionen können nicht mehr fest geplant werden.“
Als besondere Stärke seines zehnköpfigen Unternehmens sieht er die Möglichkeit, auf extrem viel Know-how innerhalb der Gruppe zurückgreifen zu können. Die Inductotherm Gruppe beschäftigt weltweit rund 3.500 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von 1 bis 1,2 Milliarden USD.
Trotz der Zugehörigkeit zur Gruppe habe man als lokales Unternehmen die Freiheit, eigene Entscheidungen treffen zu können. Denn in der Gruppe gilt das Motto ‘global yet local’. Thomas Kähler beschreibt diesen Ansatz so: „Inductotherm ist ein globales Unternehmen mit lokalen Standorten, die die jeweiligen Kulturen kennen. Wir haben also überall eigene Leute vor Ort. Die Hierarchien sind sehr flach. Innerhalb des Unternehmens haben sich viele Freundschaften entwickelt.“ Inductotherm ist nach wie vor in Familienhand. „Die Tochter des Gründers ist noch mit im Boot“, erzählt er.
Bei energetischer Optimierung die Nase vorn
Die Kernkompetenz von Inductotherm ist das induktive Schmelzen. In diesem Bereich ist das Unternehmen führend auf dem Gebiet der energetischen Optimierung. „Unsere Anlagen zeichnet ein Serienschwingkreisumrichter aus, der sich sehr günstig in Bezug auf das Stromnetz verhält. Die Anlagen benötigen dadurch weniger hohe Anschlussleistungen und sind durch ihre hohe Leistungsdichte deutlich effizienter. Die Gefahr von Oberwellen ist bei unserer Umrichtertechnologie verschwindend gering“, führt Thomas Kähler aus.
Die elektrischen Verluste der Anlagen konnte durch verfeinerte Spulentechnologie und eine optimierte Umrichtertechnologie immer weiter reduziert werden. Die verbleibende Abwärme wird für Wärmerückgewinnungssysteme genutzt. Bei Störungen ist das Serviceteam im Einsatz vor Ort, die eigene Werkstatt ermöglicht zudem schnelle Reparaturen.
Zu den After-Sales-Leistungen gehören auch Schulungen beim Kunden vor Ort. „Den Bereich After Market wollen wir weiter ausbauen, mit Spulenreparaturen sowie Vor-Ort-Reparaturen mit einer mobilen Werkstatt“, kündigt Thomas Kähler an.
Von klein und fein bis riesengroß
Auch in der konservativen Branche setzt sich zunehmend die Digitalisierung durch, berichtet der Geschäftsführer: „Anlagensteuerungen werden optimiert und ersetzt, und die Visualisierung wird immer besser.“ Beim Thema Arbeitssicherheit spielen heute Robotersysteme eine wichtige Rolle, erklärt er weiter: „Sie sollen den Arbeiter im direkten Umfeld des Ofens ersetzen. Der Mensch wird aber nicht komplett ersetzt, er ist weiterhin notwendig, um den Roboter zu administrieren.“
Der Einsatzbereich von induktiven Schmelzanlagen ist groß und vielfältig – gute Aussichten also auch für Zukunft. „Unsere Anlagen werden im Feingussbereich eingesetzt, zum Beispiel bei der Herstellung künstlicher Gelenke, in Zahntechniklaboren oder auch im Automobilbereich etwa in der Herstellung von Bremsscheiben oder Achsträgern“, so Thomas Kähler.
Induktive Schmelztechnologie kann aber auch ‚groß‘: Auch in der Produktion von Schiffspropellern für Containerschiffe werden die Anlagen eingesetzt. „Unsere größte Anlage hat ein Fassungsvermögen von 80t“, erzählt er. Für die Zukunft liegt ihm neben der technologischen Weiterentwicklung und Digitalisierung insbesondere ein Thema am Herzen, das mit einem allgemeinen Problem im Handwerksbereich zu tun hat: „Wir müssen uns intensiv um den Nachwuchs kümmern; das wird eine unserer zentralen Aufgaben sein.“