Seit 1835 dem Markt voraus

Interview mit Klaus Lorenz, General Manager der Heberlein AG

Die Ursprünge der Heberlein AG liegen heute bereits über 180 Jahre zurück, wie der heutige General Manager Klaus Lorenz erklärt: „Der Namensgeber Georg Philipp Heberlein gründete 1835 in Wattwil eine Garnfärberei mit 28 Beschäftigten und machte sich bald einen Namen als Farbstoffentwickler.“

Noch im Laufe des 19. Jahrhunderts wandelte sich der Betrieb in eine echte Fabrik um: neben künstlichen Farbstoffen führte das Unternehmen die Garnmercerisation, Stückfärberei und Druckerei ein. Auch danach blieb Heberlein der Konkurrenz stets einen Schritt voraus: 1929 kaufte Heberlein die Gummiwerke Richterswil (Gurit) und erfand gemeinsam mit ihnen den ersten elastischen Viskose-Faden, der 1936 unter dem Markennamen Helanca® auf den Markt kam.

„Damit und mit der Produktion von Maschinen zur Texturierung, also der industriellen Kräuselung sonst glatter Fäden, wuchs das Unternehmen bis auf 2.700 Mitarbeiter an“, schildert Klaus Lorenz.

Hartkeramik eröffnet neue Geschäftsfelder

Nach weiteren Zukäufen und innovativen, technischen Weiterentwicklungen brachten die 1970er-Jahre einen ernsthaften Rückschlag: „Eine schwere Chemiefaserkrise, die Ölkrise und der Verlusts des technologischen Anschlusses an die Konkurrenz, brachte Heberlein zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Fast wäre Heberlein pleitegegangen, doch Gurit hat Heberlein gerettet“, kommentiert Klaus Lorenz.

Eine konsequente Neuausrichtung brachte die entscheidende Wende, wie der General Manager ausführt: „Heberlein stellte die Textilmaschinenproduktion ein und konzentrierte sich ganz auf die Kunstfaserveredelung mittels verschiedener Aggregate wie Texturierdüsen, was bis heute unser Kerngeschäft ist. Seit den 1990er-Jahren haben wir dabei zunehmend auf gehärtete Keramik gesetzt, denn sie bringt viele Vorteile mit sich wie weniger Verschleiss und höhere mechanische und thermische Belastbarkeit wie Metall oder Kunststoff. Zudem ermöglicht sie andere Faseroberflächen.“

Klaus Lorenz
„Ich hege starke Emotionen für Keramik, weil sie viel mehr kann, als man weiß. So bin ich Übersetzer von der Metall- und Kunststoffseite in die Keramik geworden.“ Klaus LorenzGeneral Manager

Mit der Keramik wurde zugleich die Tür aufgestoßen in eine neue Welt, wie Klaus Lorenz beschreibt: „Wir hatten schon Erfahrung in den Bereichen Gewinde, Oberflächen und Keramik. Seit 2005 haben wir deshalb ein externes Start-up unterstützt und intern die Abteilung Heberlein Ceramics aufgebaut, und ab 2009 keramische Zahnimplantate verkauft. Damit waren wir die ersten am Markt!“

Ein äusserst vielversprechendes Material

Nach wie vor stellt die Textilsparte den wichtigsten Umsatzbereich für Heberlein dar. Die Qualität der technisch ausgefeilten und außergewöhnlich langlebigen Texturierdüsen und anderen Komponenten ist so gefragt, dass Heberlein damit Weltmarktführer bei einem stattlichen Exportanteil von 90% ist: „Wir haben alle entsprechenden Maschinen im Haus. Seit 20 Jahren weisen unsere Produkte hier exakt die gleiche Qualität auf“, bestätigt Klaus Lorenz.

Dennoch soll die Sparte Medical & Industrial künftig stark erweitert werden: „Zu den Zahnimplantaten, unserem zweiten Standbein, sind bereits keramische Schneidwerkzeuge und Miniaturachsen sowie Feinstgewinde als drittes und viertes hinzugekommen. Mehrere fruchtbare Kooperationen haben gezeigt, dass hier noch sehr viel umsetzbar ist“, so Klaus Lorenz.

Seine Begeisterung wirkt ansteckend: „Ich komme von der Metallseite, aber ich hege starke Emotionen für die Keramik, weil sie viel mehr kann, als man weiß. Deshalb stecke ich mein Herzblut rein, um auch dem Anwender das Material näherzubringen. So bin ich Übersetzer von der Metall- und Kunststoffseite in die Keramiken geworden – meine erste Frage an den Kunden ist deshalb: Was willst du mit dem Teil machen?“

Mittelfristig an die Börse

Die weitere Entwicklung zeichnet sich bereits ab: „Keramikschneiden werden immer bruchsicherer, was für viele Branchen interessant ist. Und wir werden verstärkt Implantate herstellen, auch mit neuen Fertigungsmethoden, die in ihrer Anwendung neu in der Branche sind. Entsprechend dem Heberlein-Pioniergeist, der immer noch zuhause ist bei der Heberlein AG in Wattwil. Durch solche Neuerungen soll der Umsatz signifikant gesteigert werden, Ziel ist ein Börsengang in absehbarer Zeit.“

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