„Wir müssen auch im Gebäudesektor mehr in Lebenszyklen denken“

Interview mit Martin Murphy, Geschäftsführer der Störmer, Murphy and Partners GbR

Wirtschaftsforum: Herr Murphy, als prägende Werte Ihres Unternehmens nennen Sie gerne die Schlagworte Innovation und Zukunftsgeist. Wie schlägt sich diese Haltung in Ihrem Unternehmensalltag nieder?

Martin Murphy: Auf keinen Fall als eigenständiger Termin auf unserer Business-Agenda. Innovation befindet sich um uns herum und entsteht spontan, wenn man sich kreativ mit neuen Ideen beschäftigt. Wenn wir im Team unsere Projekte diskutieren, sprechen wir viel über Filme, Theaterstücke und Bilder, die uns inspirieren. Von solchen Gesprächen kommen wir dann ganz automatisch zur Diskussion konkreter Fragestellungen bei Projekten, die sich gerade in der Planungsphase befinden. Dabei erstreckt sich unser Innovationsgeist nicht nur auf kreative Design-Vorschläge, sondern genauso auf die komplexen technischen Aspekte des jeweiligen Bauwerks.

Wirtschaftsforum: Im Rahmen dieses Zukunftsgeistes dürfte auch die Nachhaltigkeitsbilanz des jeweiligen Objekts eine tragende Rolle spielen.

Martin Murphy: Gerade unsere jungen Architektinnen und Planer fühlen sich diesem Thema mit besonderer Verve verpflichtet, was meine völlige Unterstützung genießt. Die Bauindustrie ist bekanntermaßen einer der großen Treiber des globalen CO2-Ausstoßes, weswegen wir stark auf innovative Methoden und Konzepte setzen, um dieser Problematik konsequent entgegenzutreten – etwa indem wir stark auf Holz als Baustoff zurückgreifen, und zwar nicht nur bei den sichtbaren Elementen, sondern auch als Teil der tragenden Konstruktion.

Wirtschaftsforum: Wie bei Ihrem aktuellen Projekt namens Roots in der HafenCity in Hamburg.

Martin Murphy: Roots ist wirklich Pionierarbeit – gerade in einem Markt wie Deutschland, in dem der Holzbau noch nicht so stark etabliert ist wie bisweilen in Skandinavien oder Österreich. Es handelt sich dabei um ein 19-geschössiges Hochhaus, das – bis auf den Betonsockel sowie das Treppenhaus und den Aufzugschacht – zur Gänze aus Holz errichtet wird: Das betrifft die Fassaden, Decken, Stützen, Wände, you name it. Ein ähnliches Projekt wurde in diesem Kontext noch nie entwickelt, was angesichts der Überschreitung der Hochhausgrenze und im Lichte der damit einhergehenden strengen Vorschriften auch einiges an Grundlagenforschung, insbesondere zu den Themen Schall- und Brandschutz, erfordert. Scherzend nennen wir es manchmal unser Fraunhofer-Projekt. Wir arbeiten aber nicht ausschließlich in diesen Dimensionen – auch Low-Tech kann ziemlich cool sein.

Wirtschaftsforum: Wie lässt sich mit Low-Tech auf eine größere Nachhaltigkeit hinwirken?

Martin Murphy: Wir müssen auch im Gebäudesektor mehr in Lebenszyklen denken: Wie leicht kann das Objekt seinen Funktionszweck ändern, wenn es in 20 Jahren vielleicht nicht mehr für Büros benötigt wird, sondern stattdessen für Wohnraum? Hinter einer solchen Nutzungsänderung stecken schließlich große architektonische Herausforderungen. Doch wenn fundamentale Veränderungen anstehen, lautet der erste Gedanke noch heute viel zu oft: Abriss.

Wirtschaftsforum: Dabei haben Sie mit Ihrem Projekt für die Helm AG in Hamburg bewiesen, dass es auch anders geht.

Martin Murphy: Das Hauptverwaltungsgebäude der Helm AG stammte aus dem Jahr 1972. Anstatt es abzureißen, haben wir ihm einen neuen Sockel, eine neue Fassade und eine Brücke verpasst, die es mit dem Schwestergebäude auf der anderen Seite der Hauptstraße verbindet, denn die grundsätzliche bauliche Lösung an diesem Standort hatte uns immer noch überzeugt. Wir hatten bei diesem Projekt jedoch auch das große Glück, mit einem Bauherrn zusammenarbeiten zu dürfen, der Unternehmer durch und durch ist. Ich erinnere mich an viele inspirierende Sitzungen mit ihm und seinen Mitarbeitern, in denen wir als ein großes Team zusammen etwas Wunderbares erschaffen haben, worauf wir heute noch alle stolz sind.

Wirtschaftsforum: Wir stark hängt der Erfolg eines Projekts letztlich vom Bauherrn ab?

Martin Murphy: Architektur ist in erster Linie Teamarbeit – und die Bauherrin ist ein unersetzlicher Teil des Teams. Wenn sie die gemeinsam erarbeitete Vision mitträumt und zusammen mit uns auf diese schöne Reise geht, an deren Ende ein funktionales und ästhetisch ansprechendes, modernes und nachhaltiges Objekt steht, dann spüre ich auch nach vielen Jahrzehnten im Business, dass mein Beruf der schönste auf der Welt ist.

Wirtschaftsforum: Mit welcher Innovation beschäftigen Sie sich gerade unternehmensintern?

Martin Murphy: Die digitale Transformation ist für uns von fundamentaler Bedeutung. Schon seit den frühen 1990er-Jahren arbeiten wir mit Computer-Aided Design, seit zehn Jahren dabei hauptsächlich in 3-D. Diese Veränderung bedeutete eine große Soft- und Hardware-Investition und einen umfangreichen Schulungsaufwand, ermöglicht uns jedoch heute schon in frühen Projektphasen eine viel größere Detailgenauigkeit, die mittlerweile unverzichtbar geworden ist. So sind wir bestens für die vernetzte Planung in Form des Building Information Modeling gerüstet, mit dem sich schon früh im Design-Prozess viele Erkenntnisse zum Lebenszyklus und zur Nachhaltigkeitsbilanz gewinnen lassen.

Störmer Murphy and Partners GbR
Michaelisbrücke 1
20459 Hamburg
Deutschland
+49 40 3697370
+49 40 36973737
info(at)stoermer-partner.de
www.stoermer-partner.de

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