Wachstumshoffnungen in Europa stark übertrieben
Freihandelsabkommen EU – USA
Wie stark profitieren die Volkswirtschaften in Europa von dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA wirklich? Dieser Frage sind Forscher des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung nachgegangen. Sie untersuchten, inwiefern sich EU-Staaten durch verstärkte Exporte in Drittstaaten wie den USA aus der Krise wirtschaften können.
Die Ergebnisse: Zwar hat die EU seit 1999 ihre Handelsbeziehungen mit Drittstaaten stark verbessert, doch über 60% aller Geschäfte machen die EU-Staaten immer noch untereinander im Binnenmarkt. Die Top-5-Handelspartner unter den Drittstaaten waren in dieser Reihenfolge die USA, China, die Schweiz, Russland sowie die Türkei. Zusammengenommen entfielen fast die Hälfte aller EU-Exporte im Extra-Handel* auf diese fünf Länder.
USA verlieren deutlich an Bedeutung
Jedoch haben die USA in den vergangenen Jahren deutlich an Bedeutung verloren. Der Anteil der Amerikaner am Extra-Handel sank auf der Exportseite zwischen 1999 und 2012 um rund zehn Prozentpunkte auf jetzt 17,3%. Chinas Anteil hingegen verdreifachte sich nahezu auf 8,5% und auch Russland wird als Absatzmarkt immer wichtiger.
Auch auf der Importseite haben die USA massiv an Bedeutung eingebüßt. Ihr Anteil am EU-Extra-Handel sank seit 1999 von 22,3% auf 11,5% und hat sich damit nahezu halbiert. Die Amerikaner rangieren daher nur noch auf Rang 3 hinter den Chinesen und Russen, gefolgt von den Schweizern und Norwegern.
Russland ist für die EU mittlerweile der Hauptenergielieferant. Zudem sind die Energiepreise stark gestiegen, was den Importwert drastisch erhöht. Bei den USA hingegen macht sich die Wertminderung des Dollars im Vergleich zum Euro in einem geringeren Importwert bemerkbar.
Bilateraler Handel bestimmt von Investitionsgütern
Die USA und Europa würden ohnehin schon sehr enge Handelsbeziehungen pflegen, so die Studien-Autoren Sabine Stephan und Jonas Löbbing. Nach ihrer Analyse sei der bilaterale Handel vor allem intra-industriell geprägt. Das heißt: Es werden Güter desselben Wirtschaftszweigs im- und exportiert, der Schwerpunkt liegt bei den Investitionsgütern.
Das Problem der Amerikaner: Weil viele asiatische Länder und ehemalige Ostblock-Staaten immer mehr Einfluss im Welthandel haben, nimmt das Gewicht traditioneller Handelspartner wie den USA ab. So sind beispielsweise amerikanische Anbieter von elektronischen Konsumgütern von Produzenten aus Asien verdrängt worden.
Zölle bereits sehr niedrig
Gegen die hohen Erwartungen an das Freihandelsabkommen spricht noch ein weiterer Faktor: Die Zölle auf Industriegüter sind bereits jetzt sehr niedrig. Schon im Jahr 2007 lag der Durchschnittszoll in beiden Wirtschaftsräumen bei lediglich 2,8 Prozent. Eine weitere Senkung dürfte den Studien-Autoren zufolge keine nennenswerten Effekte haben.
Aus diesen Gründen sind die Forscher der Ansicht, dass ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA nur bestehende Handelsverflechtungen stärken und kaum neue schaffen wird. „Vor allem aber werden sich positive Effekte erst längerfristig zeigen, kurzfristige gesamtwirtschaftliche Wachstumsimpulse sind hingegen von diesem Abkommen nicht zu erwarten", so Stephan und Löbbing.
Um die Konjunktur in Europa anzukurbeln, empfehlen die Forscher eine Belebung des EU-Intra-Handels, denn die zeitgleiche und flächendeckende Sparpolitik in vielen EU-Staaten sei die Ursache der gesamteuropäischen Rezession. "Jetzt müssen die Nicht-Krisenstaaten, die noch Handlungsspielräume haben, - allen voran Deutschland - einen aktiven Beitrag zur konjunkturellen Belebung leisten", fordern Stephan und Löbbing.
*) Extra-Handel bezeichnet den Warenverkehr der EU-Mitgliedsstaaten mit Drittstaaten und Intra-Handel den Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union.