Technologieführer mit Profil
Interview mit Ronald Wuttke, Kaufmännischer Leiter der Kirchhoff & Lehr GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Wuttke, zusammen mit vier weiteren Unternehmen zählt die Kirchhoff & Lehr GmbH zur Tillmann-Gruppe, die als Technologieführerin in der Profiliertechnik im Markt auftritt – welchen Beitrag leisten Sie dazu?
Ronald Wuttke: Im Kern bilden alle Unternehmen unserer Holding-Gesellschaft dasselbe Leistungsspektrum ab: nämlich das Rollformen, beziehungsweise Profilieren. Bei dieser Kaltwalztechnik wird – wie es der Name schon andeutet – der zu verarbeitende Werkstoff, zumeist Stahl, nicht erhitzt, sondern bei Raumtemperatur in die gewünschte Form gebracht – von 30 mm bis 15 m Länge. Kirchhoff & Lehr ist dabei das einzige Unternehmen der Tillmann-Gruppe mit Sitz in Ostdeutschland, sodass sich unser Kundenspektrum aufgrund der räumlichen Nähe vornehmlich in dieser Region beziehungsweise in Polen und Tschechien befindet – denn durch die kurzen Transportwege können nicht nur Kosten eingespart, sondern auch der damit verbundene CO2-Ausstoß minimiert werden, was angesichts der zunehmenden Bedeutung ökologischer Nachhaltigkeit zu einem gewichtigen Argument geworden ist.
Wirtschaftsforum: Die Wurzeln von Kirchhoff & Lehr reichen dabei bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück.
Ronald Wuttke: Unser Unternehmen hat seit der Gründung im Jahre 1901 durchgängig existiert, auch wenn es in den 1970er-Jahren in der DDR zwangsverstaatlicht wurde – mit gravierenden betrieblichen Folgen. Ich selbst habe 1988 meine Ausbildung im damaligen Kombinat aufgenommen und erinnere mich gut, wie verschlissen der Maschinenpark zu dieser Zeit war. Nach der Wende hat die Tillmann-Gruppe dann in Ostdeutschland ein Unternehmen gesucht, das sich in der Profiliertechnik engagiert, und ist dabei nur auf eines gestoßen – nämlich Kirchhoff & Lehr. Das war unser Glück. Denn direkt nach der Reprivatisierung folgten umfassende Investitionen, sodass wir auch technologisch schnell wieder Anschluss gefunden haben.
Wirtschaftsforum: Welche Innovationen waren in jüngerer Vergangenheit besonders wichtig für Ihr Unternehmen?
Ronald Wuttke: Das Profilieren an sich hat sich seit der ursprünglichen Entwicklung dieser Technologie nicht mehr grundlegend verändert. Trotzdem konnten wir viele wirkmächtige Innovationen umsetzen, durch die wir bisweilen auch unser Leistungsspektrum deutlich erweitern konnten – allen voran das Laserschweißen mit seinem sehr geringen Energieverbrauch, das wir seit zehn Jahren einsetzen. Auch das Laserschneiden ist eine wichtige Technologie für uns geworden, mit der wir zudem deutlich kleinere Stückzahlen als beim traditionellen Profilieren herstellen können, wo dies aufgrund der langen Rüstvorgänge unwirtschaftlich wäre. Damit können wir unsere Kunden heute auch im Muster- und Prototypenbau unterstützen und selbst bei sehr geringen Losgrößen immer noch sehr attraktive Preise anbieten.
Wirtschaftsforum: Welche weiteren Impulse werden für Kirchhoff & Lehr in der Zukunft wichtig werden?
Ronald Wuttke: Wir investieren beständig in die Modernisierung unserer Anlagen und werden uns auch fortschreitend mit entsprechenden Automatisierungslösungen beschäftigen, wenngleich diese nicht in jedem Kontext sinnvoll eingesetzt werden können – etwa bei der Herstellung von Prototypen. Oft waren die zu geringen Fertigungslosgrößen der Grund, sich gegen eine Automatisierungslösung zu entscheiden. Hier hat sich in den letzten 20 Jahren technologisch viel getan. Auch wenn wir uns zu Beginn mit dem Thema Automatisierung etwas schwergetan haben, hat sich jedes diesbezügliche Projekt durch klare Effizienzsteigerungen und eine noch höherwertige Pro-duktqualität als sehr lohnenswert erwiesen.
Wirtschaftsforum: Liegt darin auch ein Mittel gegen den Fachkräftemangel?
Ronald Wuttke: Bei allen Automatisierungs- und Digitalisierungstendenzen werden wir weiterhin auf qualifiziertes Personal angewiesen bleiben. In unserer Branche ist das eine doppele Herausforderung, weil es gar keinen eigenen Ausbildungsberuf für Profilierer gibt – und selbst sehr talentierte Werkzeugmechaniker brauchen ein bis drei Jahre Erfahrung, bis sie sich das nötige Know-how angeeignet haben, damit wir sie zielgerichtet einsetzen können. Glücklicherweise haben wir in unserem Unternehmen früh wichtige Weichen gestellt, um uns entsprechend qualifiziertes Personal und Auszubildende zu sichern, die unsere Fachkräfte der Zukunft sein werden, etwa durch unsere Präsenz bei Berufsmärkten an Schulen und Auftritte auf diversen Social Media-Kanälen.
Wirtschaftsforum: Wie blicken Sie derweil auf die politischen und gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland?
Ronald Wuttke: Ohne die konsequente Digitalisierung unserer administrativen Prozesse könnten wir die vielfältigen Dokumentationsanforderungen bei gleichbleibendem Personalbestand sicherlich nicht mehr erfüllen – und auch wenn innovative Neuerungen wie die E-Rechnung eigentlich zu weitreichenden Vereinfachungen führen sollen, wird vieles doch wieder unnötig kompliziert, wenn nach einer längeren Umstellungsphase nicht alles so funktioniert, wie zunächst gedacht. Das ist durchaus frustrierend. Ich glaube, dass viele Menschen und Unternehmen in Deutschland heute spüren, dass uns vieles nicht mehr so leicht von der Hand geht wie früher, und dass wir in manchen Bereichen unsere Spitzenposition eingebüßt haben. Wir sollten uns fragen, ob wir damit wirklich zufrieden sind – oder doch wieder das letzte bisschen mehr Gas geben wollen.