Grün gedacht, smart gemacht
Interview mit Dr. Gerhard Aust, Geschäftsführer und CSO der PRETTL Electronics GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Aust, PRETTL Electronics feiert in diesem Jahr 25-jähriges Bestehen. Welche Stationen haben die Entwicklung besonders geprägt?
Dr. Gerhard Aust: Wir gehören zur PRETTL Gruppe, die schon seit 70 Jahren besteht und inzwischen in dritter Generation familiengeführt wird. PRETTL Electronics in Radeberg entstand im Jahr 2000 durch die Übernahme eines Bosch-Standorts. In den letzten Jahren haben uns vor allem die Coronapandemie, in der wir als infrastrukturkritischer Lieferant Elektronik für Beatmungsgeräte geliefert haben, die Chipkrise sowie die Phase der Bauteilallokation stark beschäftigt.
Wirtschaftsforum: Wie ist das Unternehmen heute aufgestellt?
Dr. Gerhard Aust: Unser Haupt- und Technologiestandort ist Radeberg. Er wird ergänzt durch einen Kleinserienstandort in Lübeck und einen weiteren Standort in Ungarn. Wir beschäftigen knapp 500 Mitarbeiter und erzielen einen Jahresumsatz zwischen 120 und 130 Millionen EUR.
Wirtschaftsforum: Welche Märkte bearbeiten Sie?
Dr. Gerhard Aust: Unser Fokus liegt nicht auf dem Massenmarkt Automotive, sondern auf Nischen mit hohen Anforderungen, also klassisches High-Mix-Low-Volume-Geschäft: Medizintechnik, Industrieanwendungen, Luftfahrt und Explosionsschutz. Hier punkten wir mit umfassenden Zertifizierungen – etwa ISO 13485 für Medizintechnik, EN 9100 für Luftfahrt oder Atex für Explosionsschutz. Wir konzentrieren uns auf Kunden mit Zentrale im DACH-Raum. Viele unserer Produkte gehen über deren internationale Netzwerke aber in die ganze Welt.
Wirtschaftsforum: Können Sie Produktbeispiele nennen?
Dr. Gerhard Aust: In der Medizintechnik fertigen wir Module für Beatmungsgeräte, Anästhesiegeräte oder Augenvermessungssysteme. Für Lkws liefern wir Elektronik für digitale Spiegelersatzsysteme, die nicht nur den Luftwiderstand senken, sondern auch die Sicht verbessern und damit CO2-Emissionen reduzieren.
Wirtschaftsforum: Was sind für Sie die zentralen Erfolgsfaktoren von PRETTL Electronics?
Dr. Gerhard Aust: Das ist vor allem unsere Spezialisierung auf komplexe Projekte, verbunden mit technologischer Breite und hoher Zertifizierungstiefe. Zudem wird das Thema ‘Made in Germany’ im Zuge geopolitischer Entwicklungen wieder wichtiger, gerade für infrastrukturkritische Bereiche. Ich engagiere mich dafür auch im Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI, um das gesamte Elektronik-Ökosystem in Deutschland und Europa zu stärken.
Wirtschaftsforum: Der Fachkräftemangel ist branchenweit ein Thema. Wie gehen Sie damit um?
Dr. Gerhard Aust: Wir bilden selbst aus, bieten verschiedene Ausbildungsberufe, arbeiten mit Berufsakademien zusammen und binden früh Werkstudenten und Praktikanten ein. Parallel setzen wir Assistenzsysteme in der Fertigung ein, um Mitarbeitende zu entlasten und die Qualität zu sichern.
Wirtschaftsforum: Für die Mitarbeitergewinnung spielt oft auch die Unternehmenskultur eine Rolle. Wie würden Sie diese beschreiben?
Dr. Gerhard Aust: Wir haben flache Hierarchien, kurze Entscheidungswege und setzen auf die Entwicklung unserer eigenen Mitarbeiter. Gegenüber unseren Kunden ist es wichtig, auch mal pragmatische Lösungen zu finden und nach Wegen zu suchen, die für beide Seiten sinnvoll sind – technisch wie wirtschaftlich.
Wirtschaftsforum: Welchen Stellenwert haben bei Ihnen Digitalisierung und Nachhaltigkeit?
Dr. Gerhard Aust: Beides spielt eine wichtige Rolle. Wir investieren kontinuierlich in Automatisierung, Digitalisierung und unser Nachhaltigkeitsprogramm ‘Go Zero’. Neben klassischen Projekten entwickeln wir auch eigene Lösungen wie aktuell eine „grüne Wand“ mit Pflanzen zur Luftbefeuchtung in der Produktion. Das verbessert Luftqualität und ESD-Bedingungen, spart Kosten und zeigt unseren pragmatischen Ansatz.
Wirtschaftsforum: Und wo sehen Sie PRETTL Electronics in fünf Jahren?
Dr. Gerhard Aust: Wir wollen unsere Position unter den Top-10-EMS-Dienstleistern im DACH-Raum festigen, unseren Branchenfokus als Anbieter für anspruchsvolle Nischenmärkte weiter schärfen und weiterhin in Deutschland produzieren – ergänzt durch kosteneffiziente Standorte im Ausland.
Wirtschaftsforum: Zum Schluss noch die Frage: Was treibt Sie persönlich an?
Dr. Gerhard Aust: Die Faszination für Elektronik begleitet mich seit dem Studium. Es begeistert mich, wenn ich Kunden unsere Fertigung zeigen kann. Zudem sind wir als EMS-Dienstleister immer nah an Innovationen. Das macht meinen Beruf spannend und sinnstiftend.