Ich helfe anderen und helfe damit auch uns selbst

Interview mit Wolfgang Grupp, Gründer und Inhaber der TRIGEMA Inh. W. Grupp e.K.

Wirtschaftsforum: Herr Grupp, Sie haben Ihre Produktion frühzeitig auf Behelfs-Mund-und Nasenmasken beziehungsweise Schutzkittel umgestellt. Wie ist es zu dieser Idee gekommen?

Wolfgang Grupp: Ich wurde von Kliniken und Pflegeheimen angesprochen, ob wir nicht Mundschutz produzieren könnten. Wenn ein Wunsch an mich herangetragen wird und dieser irgendwie machbar ist, dahinter vielleicht sogar irgendwann einmal eine größere Anfrage stehen könnte, dann habe ich noch nie in meinem Leben nein gesagt. Also habe ich mir ein Muster schicken lassen und das geprüft. Genau so, aus dem Material, wie man es uns zugeschickt hat, konnten wir das natürlich nicht machen. Aber wir können Masken aus Textil, die wiederverwertbar und kochfest sind, herstellen. Deshalb habe ich zugesagt. Letztendlich sind wiederverwertbare Masken, wenn sie mehrfach gewaschen und benutzt werden, auch billiger und umweltschonender. Am 19.03.20 konnten wir schließlich mit der Produktion starten. Inzwischen haben wir über 100.000 Masken ausgeliefert. Wir haben jetzt eine Wochenkapazität von 120.000 Masken. Damit sind wir dann aber auch an unserer Kapazitätsgrenze. Wir haben circa 700 Näherinnen, davon sind jetzt 80% eingesetzt, um die Masken zu nähen. Wir arbeiten aktuell auch samstags, um der hohen Nachfrage nachzukommen.

Wirtschaftsforum: Das heißt, Sie haben sich bewusst entschieden zu helfen?

Wolfgang Grupp: Ich habe großzügig gesagt: Wir helfen gerne. Tatsächlich wurden 14 Tage später meine Geschäfte geschlossen – so helfe ich jetzt nicht nur anderen, sondern auch uns selbst. Den Onlineverkauf können wir problemlos bedienen, weil wir unsere Kollektion im voraus auf Lager produzieren. Wenn wir das nicht schon immer getan hätten, wäre das nicht so einfach. Ich darf in dieser schwierigen Zeit unsere treuen Kunden nicht im Stich lassen.

„Ich habe meinen Mitarbeitern gesagt, dass ich Ihnen, auch in dieser schweren Zeit, ihre Arbeitsplätze garantiere.“ Wolfgang Grupp
Wolfgang Grupp

Wirtschaftsforum: Haben Sie Erfahrung im Krisenmanagement?

Wolfgang Grupp: Ich bin seit über 50 Jahren Geschäftsführer und Inhaber von Trigema. Prinzipiell gibt es für mich oder für uns keine großen Probleme. Es gibt immer nur kleine Probleme, denn ich versuche immer, ein Problem sofort zu lösen, sobald es aufkommt, solange es noch klein ist. Deshalb hatten wir bisher keine großen Probleme, egal in welcher Krise. Corona ist die größte Krise, in der ich je war Aber auch dieses Problem werden wir lösen. Dies habe ich auch meinen Mitarbeitern gesagt – per Video. Darin sagte ich, dass ich auch in dieser schweren Zeit ihre Arbeitsplätze garantiere. Mit meiner Rechtsform e.K hafte ich ja für alles, was hier geschieht. Aber ich habe ihnen auch gesagt, dass ich erwarte, dass sie alle auch Verantwortung für sich selbst übernehmen und sich an das halten, was unsere Regierung vorgibt. Denn letztlich sind diese Regeln die Voraussetzung, dass wir die Produktion weiter aufrechterhalten können.

Wirtschaftsforum: Sie haben also Verantwortung übernommen, aber auch Verantwortung eingefordert. In einer Krisensituation ist das Thema Angst ein wichtiges. Was bewegt Sie, was bewegt Ihre Mitarbeiter?

Wolfgang Grupp: Ich muss meinen Mitarbeitern Sicherheit geben. Ich möchte Ihnen dazu mal einen Vergleich geben: Wenn Sie Vater einer kleinen Tochter sind, die Angst hat, müssen Sie sie als Vater beruhigen. So ähnlich ist es bei mir als Inhaber eines Unternehmens. Ich bin immer Optimist. Ich habe eine Vorbildfunktion für meine Mitarbeiter. Meine Mitarbeiter wissen aus Erfahrung, dass wir in 50 Jahren schon viele Probleme gelöst haben und vertrauen mir.

Wolfgang Grupp
„Ich setze voraus, dass die Politiker, die gewählt wurden und denen Verantwortung übertragen wurde, ihrer Verantwortung auch gerecht werden.“ Wolfgang Grupp

Wirtschaftsforum: Das ist Leadership. Welche Eigenschaften des Leaderships sind jetzt besonders gefragt?

Wolfgang Grupp: Ganz wichtig ist jetzt, was wir seit Jahrzehnten praktizieren: das Miteinander. Meine Mitarbeiter sind mein großes Kapital. Wenn sie das Gefühl haben, dass sie nur benutzt werden, wenn sie gebraucht werden, dann ist das in so einer Situation tödlich. Wir können nur gemeinsam Erfolg haben und nur gemeinsam Misserfolg verhindern. Wir haben letztes Jahr 100 Jahre Trigema gefeiert. Da habe ich ganz deutlich gemerkt, wie hoch der Wert einer Betriebsfamilie ist. Jetzt, in der Krise, merke ich das umso mehr. Die Mitarbeiter sind zu allem bereit, sind flexibel und arbeiten auch samstags um zu helfen. Dies gilt selbstverständlich auch für unsere Mitarbeiter in der Verwaltung. Wir sitzen alle in einem Boot und nur gemeinsam bringen wir das Boot voran. Dies ist natürlich auch vor allem wegen unserer Unternehmensgröße möglich. Ich habe 1.200 Mitarbeiter. Wenn Sie 5.000 oder 10.000 Mitarbeiter haben, dann ist das nur noch bedingt machbar. Ich frage mich immer: Warum sind die Gier und der Größenwahn bei manchen so maßlos? Ich möchte noch einmal das Beispiel des Vaters bemühen: Wenn ich 20 Kinder habe, kann ich für die Kinder nicht mehr in dem Maße Verantwortung übernehmen, wie ich das für drei oder vier Kinder kann.

„In dieser Situation ist das Miteinander besonders wichtig. Man kann nur gemeinsam Erfolg haben und gemeinsam Misserfolg verhindern.“ Wolfgang Grupp
Wolfgang Grupp

Wirtschaftsforum: Was erwarten Sie in dieser Situation von der Politik?

Wolfgang Grupp: Ich setze voraus, dass die Politiker, die gewählt und denen Verantwortung übertragen wurde, ihrer Verantwortung auch gerecht werden und besser als ich wissen, was sie zu tun haben. Ich weiß in meinem Betrieb Bescheid und so wissen auch die Politiker auf Ihrem Gebiet Bescheid. Wenn meine Geschäfte geschlossen werden, dann akzeptiere ich das. Und wenn sie Regeln vorgeben, dann akzeptiere ich dies auch. Ich gehe davon aus, dass sie in Spezialfragen von Experten beraten werden, die wesentlich gescheiter sind als ich. Deshalb kritisiere ich nicht, sondern akzeptiere.

Wirtschaftsforum: Was Sie jetzt unternehmerisch machen, ist für viele andere Unternehmen eine gute Orientierung, vielleicht sogar ein Vorbild. Gibt es Tipps, die Sie anderen Unternehmern oder Führungskräften mit auf den Weg geben würden?

Wolfgang Grupp: Das ist nicht einfach. Andere Unternehmen haben andere Probleme. Wenn ich ein Restaurant habe, das zu ist, dann ist das eine sehr schwierige Situation, nicht vergleichbar mit meiner. Wenn ein Betrieb zu 100% geschlossen ist und nicht mehr produzieren kann und seine Mitarbeiter bezahlen muss – muss die Politik in diesen gravierenden Fällen ganz anders beurteilen. Wir müssen deshalb ein gewisses Vertrauen in unsere Politik haben. Wir müssen, wie bereits erwähnt, Verantwortung übernehmen und das tun, was von der Politik vorgegeben wird. Dann, glaube ich, werden wir bald auch diese Krise überstanden haben und können wieder positiv in die Zukunft schauen.

Wolfgang Grupp
„Es darf nicht sein, dass die Unternehmen, die vor der Krise schon kurz vor der Insolvenz standen, jetzt als Erste die Krisenunterstützung bekommen und diejenigen, die gut gewirtschaftet haben, leer ausgehen. Es muss gerecht sein. Der Anständige darf nicht der Dumme sein.“ Wolfgang Grupp

Wirtschaftsforum: Was treibt Sie persönlich in dieser Krise an?

Wolfgang Grupp: Ich bin Optimist. Ewig klagen und lamentieren hilft nicht. Wenn ein Unternehmen vor der Krise positiv gewirtschaftet hat, darf die Politik es nicht fallen lassen. Wenn es aber vorher schon in Schwierigkeiten war und jetzt als Erster in die Insolvenz geht, dann ist es eine andere Sache.

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