‚Urban Air Mobility‘: Die Zukunft der Mobilität liegt in der Luft

Interview mit Alexander Zosel, Co-Founder und Chief Innovation Advisor der Volocopter GmbH

Wirtschaftsforum: Zuletzt titelte eine deutsche Tageszeitung ‚Fliegende Autos kommen‘ und berichtete in diesem Zusammenhang auch über den Volocopter. Inwiefern trifft die Beschreibung ‚fliegendes Auto‘ überhaupt zu?

Alexander Zosel: Wir identifizieren uns nicht mit der Beschreibung ‚fliegendes Auto‘. Ein Auto fährt und wir fliegen. Ein Auto hat Räder und der Volocopter hat Kufen. Es gibt zwar auch sogenannte fliegende Autos, aber auf den Volocopter trifft die Bezeichnung nicht zu.

Wirtschaftsforum: ‚Urban Air Mobility‘ wird als ein Trend in den Metropolen der Welt gesehen. Geht es dabei darum, lediglich den Taxiverkehr vom Boden in den Himmel verlegen oder steht mehr dahinter?

Alexander Zosel: ‚Urban Air Mobility‘ ist sozusagen eine Erfindung von uns. Wir sind Pioniere auf dem Gebiet. 2011 ist ein erster bemannter Testträger geflogen. Seitdem bemühen wir uns, die Mobilität in der Luft einfach herzustellen und zu verbessern. Früher wurden wir dafür belächelt, aber heute ist das Ganze Mainstream. Der Vorteil der ‚Urban Air Mobility‘ besteht in den geringen Kosten für den Aufbau der Infrastruktur. Andere Neuerungen sind da viel aufwendiger. Wir brauchen nur Start- und Landeplätze. Dort benötigen wir teilweise Infrastruktur – beispielsweise zum Batteriewechseln, Warten und Parken. Diese Kosten sind allerdings sehr gering. Das macht diese Art der Mobilität so effektiv und ökologisch sinnvoll.

Alexander Zosel
„Der Vorteil der ‚Urban Air Mobility‘ besteht in den geringen Kosten für den Aufbau der Infrastruktur.“ Alexander Zosel

Es wird zukünftig ganz viele unterschiedliche Formen von Mobilität geben: Beispielsweise könnten sich Autos durch Tunnel fortbewegen. Es wird Örtlichkeiten geben, an denen diese Tunnel, aber auch Seilbahnen oder Hochstraßen, sinnvoll sind. Wir haben analysiert, dass die Mobilität in der Luft in großen Visionen, in großen Stückzahlen, ökologisch günstiger zu realisieren ist. Wir nennen uns auch ‚Infrastructure on demand‘, das heißt, wir können erste Routen einrichten. Wenn sich dann zeigt, dass die Strecke doch nicht so sinnvoll ist, kann man die Fluggeräte von den Punkten in die andere Richtung fliegen lassen oder komplett abziehen und auf eine andere Strecke umlegen. Dafür braucht man so gut wie keine Infrastruktur. Das ist ein immenser Vorteil beim Testen der ersten Strecken.

Wirtschaftsforum: Zunächst ist der Volocopter noch nicht autonom unterwegs – selbst bei konventionellen Kraftfahrzeugen ist dies nicht ohne Einschränkung möglich. Verhindern hier juristische Regularien den technischen Fortschritt?

Alexander Zosel: Der technische Fortschritt wird überhaupt nicht verhindert. In der Luftfahrt ist autonomes Fliegen das alltägliche Brot. Die ganzen Airliner fliegen eigentlich komplett autonom. Das ist die Realität, weil wir den Luftraum sehr gut regulieren können. Das heißt, die Fluggeräte melden, wo sie sind und wo sie hinfliegen. All das wird in Systeme eingepflegt und koordiniert. Solche Systeme wird es dann beispielsweise auch in der Innenstadt geben. Die Technik für den Volocopter gibt es also mehr oder weniger schon. Sie muss lediglich angepasst werden.

Derzeit möchte man noch jemanden an Bord haben, der mitfliegt und die Verantwortung trägt. Aber auch die ersten pilotierten Systeme werden schon sehr automatisiert sein. Der Pilot wird eher ein Leitstandführer sein. Um einen Hubschrauber zu fliegen, muss man sehr talentiert sein. Das ist vergleichbar mit einem Musikinstrument: Es reicht nicht, nur ein durchschnittlicher Schlagzeuger zu sein, sondern man muss es von den Händen bis zu den Füßen spüren, um das Ganze auch in kritischen Situationen zu beherrschen. Das ist bei den sehr autonom angelegten Flugsystemen nicht mehr so. Am Anfang macht es schon Sinn, dass ein Pilot mitfliegt. Aber wenn man die Sicherheitslage komplett betrachtet, kann man sagen: Ein Pilot macht immer mehr Fehler als ein sehr sicher zugelassenes System.

Für Flugtaxen gibt es jetzt eine neue Zulassungsbasis von der europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA), für die wir als Hersteller zugearbeitet haben. In der steht klar geschrieben, dass die Fluggeräte auch autonom betrieben oder sogar von außen ferngesteuert werden können. Vor eineinhalb Jahren haben wir noch nicht damit gerechnet, dass es einmal auch für Fluggeräte, die Passagiere befördern und ferngesteuert betrieben sind, eine internationale, kommerzielle Zulassung geben wird. Die dahinter stehenden Vorgaben haben ein sehr hohes Sicherheitslevel. Wir müssen die gleichen Ausfallwahrscheinlichkeiten darstellen, wie die kommerziellen Airliner. Das heißt, ein Flugtaxi, das in der Innenstadt unterwegs ist, ist so sicher wie ein Flugzeug.

„Wir müssen die gleichen Ausfallwahrscheinlichkeiten darstellen, wie die kommerziellen Airliner.“ Alexander Zosel
Alexander Zosel

Wirtschaftsforum: Bei Volocopter hat sich mit Daimler ein Schwergewicht der Automobilbranche beteiligt. Wir präsent ist der Konzern bei Ihrer täglichen Arbeit?

Alexander Zosel: Unsere ganzen Firmenfahrzeuge sind von Mercedes. Die Autos befördern uns jeden Tag von unserem Werk ins Headquarter und zurück. (lacht.) Auch Intel ist unser Gesellschafter. Beide sind große Weltkonzerne mit unterschiedlichen Ausrichtungen. Mit Daimler sind wir sehr glücklich, weil wir großen Input bekommen und in verschiedenen Bereichen kooperieren. Wir haben immer wieder Zugriff aus Fachgremien und Workshops mit Top-Leuten von Daimler. Das hilft uns sehr. Wir erhoffen uns von der Zusammenarbeit mit einem solchen Automobilisten, dass dort Geräte in hoher Stückzahl sehr hochwertig gebaut werden können. Wir arbeiten daran, die Geräte in Zukunft in großen Mengen produzieren zu können. Die Expertise, die die Automotives haben – autonome Systeme, Batterietechnologie für die E-Mobilität und vor allem auch die großen Stückzahlen, die produziert werden – ist genau das, worauf wir uns ausgerichtet haben. Deshalb ist Daimler ein Traumpartner.

Alexander Zosel
„Wir möchten gerne auf allen Kontinenten dieser Welt gleichzeitig erste Teststrecken aufbauen.“ Alexander Zosel

Wirtschaftsforum: Eine abschließende Frage: In welcher Region oder Metropole werden wir Ihrer Meinung nach den ersten funktionierenden Flugtaxiservice erleben und warum genau dort?

Alexander Zosel: Das kann ich Ihnen leider nicht sagen, allerdings aus einem guten Grund: Wir möchten gerne auf allen Kontinenten dieser Welt gleichzeitig erste Teststrecken aufbauen. An welcher Stelle dann die erste Teststrecke zu einem Service wird, den jeder nutzen kann, hängt natürlich auch von den vorörtlichen Bedingungen ab. Wir fangen jetzt an, in Singapur aufzubauen und haben dort bereits ein Büro eröffnet. Rund 50 Städte weltweit haben wir bereits identifiziert, in denen wir mit den Behörden Kontakt haben. Wenn behördlich alles geklärt ist, beginnt die Planung, wo und mit welchen Partnern wir in der Stadt zusammenarbeiten. Da sind wir in einigen Städten schon relativ weit, aber etwas ganz Konkretes kann ich da noch nicht sagen.

Unser Fokus liegt derzeit auf Städten ab acht Millionen Einwohnern. In Deutschland gibt es ebenfalls geeignete Ballungszentren, wie zum Beispiel das Ruhrgebiet. Auch hier gibt es Probleme, die damit gelöst werden könnten. Wir richten uns allgemein zunächst auf die großen Megacitys aus. Der Volocopter ist nicht dafür ausgerichtet, den Stau auf der Autobahn zu umfliegen. Dafür gibt es andere Geräte – die sind aber auch lauter. In Großstädten gibt es viele Stellen, an denen man den Volocopter direkt integrieren kann, weil es auf kurzen Strecken massive Verkehrsprobleme gibt. Diese Probleme gibt es überall, aber mit dem Volocopter lösen wir sie in der Stadt. 

Interview: Aurelia Leppen | Fotos: Volocopter 

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