Lachen ohne Leiden

Interview mit Andreas Kopp, Country Manager Germany der Vertex Pharmaceuticals (Germany) GmbH

Social Share
Teilen Sie diesen Artikel

Wirtschaftsforum: Herr Kopp, können Sie kurz erklären, was die Diagnose Mukoviszidose für die Betroffenen bedeutet?

Andreas Kopp: Mukoviszidose (auch bekannt als zystische Fibrose) ist die häufigste lebenslimitierende autosomal-rezessiv vererbte Krankheit bei Menschen europäischer Herkunft, gilt aber als seltene Krankheit. Laut Zahlen des deutschen Mukoviszidose-Register leben aktuell in Deutschland rund 6.500 Menschen mit Mukoviszidose. Etwa einer von 25 Menschen europäischer Abstammung ist Träger einer CF-Mutation und jedes Jahr werden in Deutschland rund 200 Kinder mit dieser Krankheit geboren. Früher war die Diagnose gleichbedeutend mit einem Todesurteil: In den 1950er-Jahren starben die meisten an Mukoviszidose erkrankten Kinder im ersten Lebensjahr. Inzwischen sieht die Prognose um einiges besser aus: Für ein heutiges Neugeborenes mit Mukoviszidose liegt die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland bei 53 Jahren. Nichtsdestotrotz ist das Leben mit Mukoviszidose noch mit erheblichen Einschränkungen verbunden. Charakteristisch für die Krankheit ist die fortschreitende Verstopfung einer Reihe lebenswichtiger Organe mit zähem Schleim. Vor allem die Lunge ist betroffen. Unser langfristiges Ziel ist eine Heilung für diese Krankheit zu finden. Wir haben zwar große Fortschritte gemacht, sind aber noch nicht am Ziel.

Wirtschaftsforum: Die pharmazeutische Entwicklung ist bekanntlich mit hohen Kosten verbunden. Wie viel Geld hat die Vertex Pharmaceuticals bis jetzt in die Forschung und Entwicklung investiert?

Andreas Kopp: Das Unternehmen hat seit dem Jahr 2000 mehr als elf Milliarden USD in die Erforschung und Entwicklung neuer Therapien investiert. Erst 2012 konnten wir das erste Medikament auf den Markt bringen. Ursache der zystischen Fibrose ist ein defektes oder fehlendes CFTR-Protein als Folge von Mutationen im CFTR-Gen. Die sogenannten CFTR-Modulatoren setzen direkt an dem der Krankheit zugrundeliegenden Proteindefekt an und verbessern so die Aktivität des CFTR-Proteins. Die Krankheit und ihre Behandlung sind sehr komplex, da es viele unterschiedliche Mutationen gibt, die Mukoviszidose verursachen. Unser Ansatz ist es, den zugrunde liegenden Proteindefekt der Krankheit medikamentös zu behandeln. Längerfristig arbeiten wir an Zell- und Gentherapien, auch in anderen Krankheitsfeldern.

Wirtschaftsforum: Wie effektiv sind denn die Medikamente, die Sie bis jetzt auf den Markt gebracht haben?

Andreas Kopp: Mit den heutigen Therapiemöglichkeiten können etwa 75% der an Mukoviszidose erkrankten Menschen in Deutschland kausal behandelt werden. Noch ist keine Heilung möglich, jedoch eine deutliche Linderung der Symptome und eine bessere Lebensqualität als noch vor ein paar Jahren. Hier berichten Betroffene unter anderem, dass sie wieder längere Strecken laufen oder Sport treiben können. Besonders eindrücklich fand ich Aussagen von Patienten, die erstmals in ihrem Leben lachen können, ohne husten zu müssen. Und noch wichtiger: Mit den heutigen Therapieoptionen können viele Betroffene langfristig in die Zukunft blicken und ein Leben planen, das Familie oder Karriere beinhalten kann.

Wirtschaftsforum: Wie unterstützen Sie sonst Menschen, die an Mukoviszidose leiden?

Andreas Kopp: Die traditionelle Behandlung der Mukoviszidose wirkt sich stark auf das tägliche Leben der Betroffenen aus. Sie nimmt nicht selten vier oder mehr Stunden täglich in Anspruch und kann unter anderem Inhalation, Physiotherapie und bis zu 40 Tabletten pro Tag umfassen. Unser Ziel ist es, diesen Patienten neue Therapien bereitzustellen, die nicht nur ein bisschen zusätzliche Lebensqualität bieten, sondern eine echte Perspektive eröffnen. Deshalb investieren wir 70% unserer Betriebsausgaben in die Forschung. Drei von fünf unserer Mitarbeiter sind in der Forschung tätig. Neben der medikamentösen Therapie unterstützen wir die Patienten und ihre Familien mit verschiedenen Service- und Supportprogrammen. Dazu gehört eine Augmented Reality App für Kleinkinder mit Mukoviszidose und ihre Eltern und eine Informationsplattform für Betroffene. Während der Coronapandemie haben wir zudem die bestehende Community-Webseite www.mukostories.de, die eine Art Austauschplattform für Betroffene darstellt, um weitere Social Media-Kanäle ergänzt.

Wirtschaftsforum: Wie hat sich die Coronapandemie auf Ihre Aktivitäten ausgewirkt?

Andreas Kopp: Natürlich sind CF-Patienten bei einer Atemwegserkrankung wie COVID besonders gefährdet. Für uns war es wichtig, die bestmögliche Therapie für sie bereitzustellen. Da die CF-Community in Deutschland relativ klein ist – hierzulande gibt es ungefähr 100 Zentren und 200 bis 250 Ärzte, die auf Mukoviszidose spezialisiert sind – konnten wir die Kommunikation auch ohne Kongresse relativ leicht aufrechterhalten. Wir haben während der Pandemie unser neues Medikament erfolgreich auf den Markt gebracht und haben für die behandelnden Ärzte Erfahrungsaustausche organisiert. Wir haben aus dieser Zeit mitgenommen, dass die Nutzung unterschiedlicher Kanäle und auch der dezentralen Versorgung von besonderer Bedeutung ist.

Wirtschaftsforum: Was sind Ihrer Meinung nach die Erfolgsfaktoren des Unternehmens?

Andreas Kopp: Neben dem besonders starken Fokus auf die Forschung leben wir die Werte der Diversifizierung und glauben, dass wir durch unsere Unterschiede wachsen. Dies wirkt sich sehr positiv auf die Unternehmenskultur aus. So sind wir zum Beispiel eines der wenigen börsennotierten Pharmaunternehmen, das eine Frau an der Spitze hat, und etwa 42% unserer Beschäftigten sind Frauen.

Wirtschaftsforum: Wie sieht die Zukunft aus?

Andreas Kopp: Unser Ziel ist es, allen Menschen mit CF eine medikamentöse Behandlung anbieten zu können und die Krankheit eines Tages zu heilen. Zudem bringt uns die bisherige Forschung viele Erkenntnisse, um neue Therapien für andere genetische Erkrankungen wie Sichelzellanämie und Beta-Thalassämie zu entwickeln. Dies sind aktuell weitere Forschungsschwerpunkte bei Vertex.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Gesundheit, Medizin & Pharma

„Der Mensch wird zu oft übersehen“

Interview mit Udo Mannl, Geschäftsführer der mannl + hauck GmbH

„Der Mensch wird zu oft übersehen“

Das Leben mit einer Behinderung ist eine tägliche Herausforderung. Patienten dabei zu unterstützen ist der Anspruch des Sanitätshauses mit Orthopädie- und Rehatechnik sowie Orthopädie-Schuhtechnik mannl + hauck GmbH in Haßfurt.…

Medizinische Versorgung – modern und für jeden zugänglich

Interview mit Enrico Jensch, COO Helios und CEO Helios Global Health

Medizinische Versorgung – modern und für jeden zugänglich

Corona war ein Brennglas auf die Unzulänglichkeiten des deutschen Gesundheitssystems. Überholte Sektorentrennung, mangelnde Digitalisierung, überlastete Pflegeeinrichtungen und Fachkräfte- und Nachwuchsmangel bilden ein herausforderndes Spannungsfeld. Helios mit Hauptsitz in Berlin hat…

Pharmazeutische Innovation sichtbar machen

Interview mit Ina Herzer, Geschäftsführerin der Merck Sharp & Dohme Ges.m.b.H.

Pharmazeutische Innovation sichtbar machen

Die jüngsten Diskussionen um den Schutz vor Covid-19 Infektionen haben einmal mehr deutlich gemacht, dass vielen Menschen der Einblick in die Arbeit forschender und biopharmazeutischer Unternehmen fehlt – und damit…

Spannendes aus der Region München

„Gebäudereiniger sind die Hidden Champions des öffentlichen Lebens“

Interview mit Dr. h.c. Felix Schmidt, Geschäftsführer der Herrmann & Schmidt Dienstleistungen GmbH & Co. KG, Vorstandsmitglied der Gebäudereiniger-Innung Südbayern und Stadtkreis Regensburg

„Gebäudereiniger sind die Hidden Champions des öffentlichen Lebens“

Welche Branche beschäftigt in Deutschland etwa 700.000 Menschen und steht trotzdem selten im Zentrum der Aufmerksamkeit? Als Geschäftsführer eines 1.000 Mitarbeiter starken Facility-Management-Dienstleisters aus München kennt Felix Schmidt die Antwort…

„Das autonome Fahren ist der Weg der Zukunft“

Interview mit Maximilian Dietrich, Prokurist der ESPRiT Engineering GmbH

„Das autonome Fahren ist der Weg der Zukunft“

Embedded Software ist im Auto – und nicht nur dort – absolut sicherheitsrelevant. Die ESPRiT Engineering GmbH in München ist sich als Entwickler dieser Verantwortung bewusst. Prokurist Maximilian Dietrich sprach…

„Wir brauchen mehr Digitalisierung im Mittelstand“

Interview mit Christian Jupe, Geschäftsführer, und Josef Lang, Geschäftsführer der Provectus Technologies GmbH

„Wir brauchen mehr Digitalisierung im Mittelstand“

Digitale Transformation ist inzwischen in nahezu jedem Unternehmen angekommen. Die Provectus Technologies GmbH in München unterstützt ihre Kunden dabei, neue Technologien sinnvoll zu integrieren. Die Geschäftsführer und Gründer Christian Jupe…

Das könnte Sie auch interessieren

Mehr als nur Shopping!

Interview mit Patrick Stäuble, CEO der Shoppi Tivoli Management AG

Mehr als nur Shopping!

Gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung muss Shopping vor Ort heute mehr sein als der Einkauf von Produkten. Shopping muss zum emotionalen Erlebnis mit Unterhaltungscharakter werden. Das Management des Shoppi…

Metallverarbeitung 360 Grad

Interview mit Dipl. Wirt.-Inf. Patrick Roessing, Geschäftsführer der BEOSYS GmbH

Metallverarbeitung 360 Grad

Kleinere und mittelständische Unternehmen können sich häufig den Luxus einer eigenen IT-Abteilung nicht leisten. Deshalb ist es wichtig, eine Lösung am Markt zu finden, die bestmöglich die unternehmensspezifischen Bedürfnisse abdeckt.…

„Der Erfolg liegt im Tun“

Interview mit Florian Mader, Geschäftsführender Gesellschafter Bau und Immobilien der Mader GmbH

„Der Erfolg liegt im Tun“

Vielseitig, zuverlässig und qualitätsbewusst, das zeichnet die Mader Gruppe aus. Das Südtiroler Unternehmen umfasst heute vier Standorte in ganz Südtirol: Sterzing, Brixen, Bruneck und Bozen – dabei liegt der Ursprung…

TOP