Logistik optimieren? Die größte Ineffizienz liegt darin, es so wie immer schon zu machen!

Interview mit Monja Mühling, Co-Founder der Smartlane GmbH

Wirtschaftsforum: Mithilfe eines Algorithmus‘ optimieren Sie Transportwege für verschiedenste Kunden – vom Lastenfahrrad-Service bis zur Spedition. Welche Herausforderungen muss Ihr Unternehmen dabei meistern und wie funktioniert Ihr Produkt?

Monja Mühling: Wir sehen unsere Technologie branchenagnostisch, weil wir durch unsere komplexe Data Science bereits jetzt eine hohe Komplexität abbilden können. Natürlich gibt es im Vertrieb hinsichtlich der Kundenansprache ein paar Unterschiede, aber der Mehrwert von Smartlane ist in allen Branchen gegeben.

Denn im Endeffekt ist unser Produkt immer dasselbe: Unter Beachtung einer gewissen Anzahl von Restriktionen und Nebenbedingungen – etwa den Lieferzeitfenstern, den Arbeitszeiten der Fahrer, ihrem Know-How und dem der Servicemitarbeiter, der Größe und Beladungskapazität des Fahrzeugs und beliebig vielen weiteren Faktoren – führt unser Algorithmus in Form des Transport Minings eine optimierte Zuteilung des Auftrags durch, samt dynamischer Tourenoptimierung und automatisierter Disposition. So können wir auch die Servicequalität in der Logistik noch einmal beträchtlich steigern, indem wir dem Endkunden sehr genaue ETAs (Estimated Times of Arrival) prognostizieren können.

Smartlane | Screenview

Wirtschaftsforum: Wo liegt im Allgemeinen die größte Ineffizienz, die Sie mit Ihrer Optimierung beseitigen?

Monja Mühling: Zumeist in der Devise: Wir machen es so, wie wir es immer schon gemacht haben. Gerade in gewachsenen Strukturen sind oft sehr viele unterschiedliche Systeme zeitgleich im Einsatz, über die man irgendwann den Überblick verloren hat. Mit Smartlane können wir unseren Kunden dagegen ein System aus einem Guss bieten und in einem einzigen Optimierungslauf den gesamten Prozess transparent darstellen – ganz anders als bei den diffus gewachsenen Systemen, die in ihrer Vielfalt zusammengebaut wurden und die natürlich kein Disponent mehr überblicken kann. Wenn man händisch 10.000 Aufträge pro Tag disponieren muss, geht es natürlich gar nicht anders, als Standardaufträge immer demselben Fahrer zuzuweisen, auch wenn das im speziellen Fall vielleicht gar nicht effizient ist. In manchen Unternehmen gibt es immerhin eine Art statische Tourenoptimierung. Doch die ist dann eben nicht dynamisch, weshalb zu keinem Zeitpunkt das globale Optimum gebildet wird. Den allermeisten Unternehmen ist natürlich bewusst, dass sich diese Prozesse verschlanken ließen und man die Servicequalität für den Endkunden deutlich verbessern könnte, nur wissen sie eben nicht, an welcher Stellschraube sie dazu drehen müssten. Smartlane macht all das einfach möglich.

Monja Mühling
„Wenn man händisch 10.000 Aufträge pro Tag disponieren muss, geht es natürlich gar nicht anders, als Standardaufträge immer demselben Fahrer zuzuweisen, auch wenn das im speziellen Fall vielleicht gar nicht effizient ist.“ Monja Mühling

Wirtschaftsforum: Stichwort gewachsene Strukturen: Sie haben auch einmal für ein DAX-Unternehmen gearbeitet, dann die Welt der Großkonzerne aber bald wieder verlassen. Was hat Ihnen dort missfallen – und was kann ein Start-up leisten, wo ein gewachsener Konzern nicht mithalten kann?

Monja Mühling: Ich bin als Werkstudentin ein paar Monate in einem DAX-Unternehmen beschäftigt gewesen, und ich habe damals schnell erkennen können, dass es in einem so großen Konzern mit so vielen Beteiligten und Überschneidungen im Aufgabenbereich extrem schwer ist, etwas Konkretes anzustoßen, wenn man eine gute Idee hat oder eine Möglichkeit erkennt, etwas zu optimieren. Aufgrund der wahnsinnigen Komplexität der Entscheidungsprozesse und der politischen Hintergründe, vor denen manche Entscheidungen fallen, kann man auch als ambitionierte Einzelperson meist nicht sonderlich viel bewegen. Ich habe schnell gemerkt: Wenn ich da jetzt jahrelang das Gleiche machen und sehr viel Energie in meine Arbeit investieren würde, käme am Schluss oft nicht viel dabei rum. In Start-ups kommt man schneller zum Ziel, wenn man weiß, wo man hinwill. Das hat mich gereizt – und das reizt viele andere auch.

Wirtschaftsforum: Laut Ihrer Website herrscht in Ihrem Team bei den Geschlechterverhältnissen fast pari. Wie wichtig ist Diversität in Ihrer Unternehmenskultur?

Monja Mühling: Wir haben ziemliches Glück, dass es pari ist, obwohl wir es gar nicht darauf angelegt hatten. Wir haben unsere Team-Mitglieder allein auf Basis ihrer Kompetenz ausgesucht und die jeweiligen Stellen mit den Personen besetzt, die am besten zum Anforderungsprofil gepasst haben – zufällig waren das eben zur einen Hälfte Frauen und zur anderen Männer. Wir sind vielmehr darauf bedacht gewesen, alle Kompetenzen mit einem ausgewiesenen Spezialisten zu besetzen. Ich glaube aber schon, dass man bei dieser Personalstruktur bei gewissen Entscheidungsprozessen oder kreativen Überlegungen eine größere Dynamik spürt und ein ergiebigerer Austausch stattfindet. Das ist aber natürlich nicht allein geschlechtsabhängig, sondern vielmehr ein genereller Vorteil von einer gewissen Heterogenität. Das bringt einen anderen Schwung ins Unternehmen.

„Ich glaube schon, dass man bei einer heterogenen Personalstruktur bei gewissen Entscheidungsprozessen oder kreativen Überlegungen eine größere Dynamik spürt und ein ergiebigerer Austausch stattfindet.“ Monja Mühling
Monja Mühling

Wirtschaftsforum: Verschiedenste Unternehmen arbeiten an der vollkommenen Automatisierung des gesamten Transport- und Speditionswesens. Wie wird die Zustellung eines Pakets aus Ihrer Sicht in zwanzig Jahren ablaufen?

Monja Mühling: In diesem Segment muss sich in der Regulierung noch sehr viel tun. Die Technik ist auch in sehr viel weniger als 20 Jahren schon so weit, dass vollautomatisierte Fahrzeuge und Fluggeräte Post und Pakete ausliefern können. Allerdings bleibt die wichtige Frage nach der Haftung und der Moral wohl noch auf ein längeres ungeklärt. Und dies ist neben der Entwicklung der technischen Lösungen die Hauptaufgabe, die es zu bearbeiten gilt.

Auch aus Sicht der Kapazitäts- und Machbarkeitsgründen sehe ich nicht, dass in 20 Jahren alle menschlichen Paketlieferanten durch automatisierte Systeme ersetzt sein werden. Gerade innerstädtisch muss dafür unter anderem noch viel an der Infrastruktur getan werden. Ich gehe davon aus, dass es zu dem Zeitpunkt dann schon lange hauptsächlich autonome LKWs gibt, die im Überland-Verkehr Pakete und Waren in großen Mengen zu den Verteilzentren bringen.

Interview: Julian Miller | Fotos: Smartlane

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