Schulgebäude, die Lust am Lernen fördern
Interview mit Prof. Gernot Schulz, Geschäftsführender Gesellschafter der gernot schulz : architektur GmbH

Das Interview führten: Manfred Brinkmann und Dr. Endre Hagenthurn
Dr. Endre Hagenthurn (Wirtschaftsforum): Können Sie uns einen Überblick über die wichtigsten Meilensteine der Entwicklung Ihres Unternehmens geben?
Prof. Gernot Schulz: Ursprünglich wurde das Unternehmen 1993 in einer Partnerschaft gegründet und ist seit 2001 unter meiner alleinigen unternehmerischen Verantwortung. Seit 2009 sind wir eine GmbH. Heute sind wir vier Geschäftsführer*innen und beschäftigen 30 Mitarbeiter*innen. Unsere Spezialisierung auf den Bildungsbau, insbesondere den Schulbau, ergab sich durch gewonnene Wettbewerbe in diesem Bereich. Aktuell machen Bildungsbauprojekte etwa 65 % unseres Portfolios aus.
Dr. Endre Hagenthurn (Wirtschaftsforum): Welche weiteren Projekte ergänzen Ihr Portfolio?
Prof. Gernot Schulz: Neben Bildungsbauten sind wir auch in anderen Bauprojekten tätig. Dazu gehören Bürobauten, Kulturbauten und Wohnungsbauprojekte. Viele unserer Projekte resultieren aus Wettbewerben, was uns ermöglicht, ein breites Spektrum an Bauaufgaben zu bearbeiten und eng an gesellschaftlichen Prozessen zu sein. Ein aktuelles Beispiel ist unsere Arbeit im Rahmen der Internationalen Gartenausstellung 2027 im Ruhrgebiet, für die wir im Gelsenkirchener Nordsternpark ein historisches Ensemble von Zechengebäuden sanieren und in eine Kulturstätte verwandeln.
Manfred Brinkmann (Wirtschaftsforum): Welche aktuellen Impulse setzen Sie im Unternehmen, insbesondere im Bereich Künstliche Intelligenz (KI)?
Prof. Gernot Schulz: Die Digitalisierung und der Einsatz von KI sind in unserem Büro ein großes Thema. Wir nutzen KI, um beispielsweise Texte zu analysieren, Renderings zu erstellen und Recherchen durchzuführen. In der Architektur bietet KI die Möglichkeit, Entwurfsprozesse zu beschleunigen und zu verbessern. An der Hochschule experimentiere ich auch mit der Nutzung von KI im Entwurf, um Studierenden neue Perspektiven zu eröffnen und Leistungsfelder der Zukunft für Architekt*innen aufzuzeigen.
Manfred Brinkmann (Wirtschaftsforum): Welche neuen Kompetenzen sind für Architekten notwendig, um KI effektiv nutzen zu können?
Prof. Gernot Schulz: Architekten müssen lernen, KI-Angebote kritisch zu bewerten und auszuwählen. Es geht darum, aus den vielen Vorschlägen der KI die richtigen für unsere Prozesse auszuwählen. Diese Kompetenz wird in Zukunft immer wichtiger. KI ist ein weiteres Werkzeug, ähnlich wie das CAD-Zeichnen in meiner Studienzeit. Es wird nicht die klassischen Werkzeuge wie Skizzen oder Modellbau ersetzen, sondern ergänzen. Kreativität bleibt weiterhin ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit.
Dr. Endre Hagenthurn (Wirtschaftsforum): Was ist das Besondere an Ihrem Ansatz im Bildungsbau?
Prof. Gernot Schulz: Unser Ansatz basiert auf einer intensiven Zusammenarbeit mit Pädagogen, um Schulen zu entwerfen, die eine moderne und flexible Lernumgebung bieten. Ein zentrales Prinzip ist dabei die Schaffung von nutzungsoffenen Räumen, die vielfältige pädagogische Aktivitäten ermöglichen. Wir gestalten Schulen als „Zuhause“ für die Schüler, mit Bereichen für gemeinsames Lernen, Rückzugsmöglichkeiten und einer angenehmen Atmosphäre, die die Lust am Lernen fördert.
Manfred Brinkmann (Wirtschaftsforum): Sie haben das Bildungssystem und den Schulbau kritisch betrachtet. Was sind Ihre wesentlichen Kritikpunkte?
Prof. Gernot Schulz: Ein großes Problem im aktuellen Bildungssystem ist, dass es noch immer auf veralteten, militärisch geprägten Strukturen basiert. Die Qualität von Unterricht ist immer noch zu sehr vom Engagement der einzelnen Lehrkraft abhängig, es fehlt jedoch der grundsätzliche Systemwandel. Wir müssen uns meines Erachtens von der Vorstellung verabschieden, alle Schüler gleich auszubilden, und zu gleichartigen Abschlüssen zu bringen. Stattdessen sollten wir individuelle Talente fördern und Schwächen akzeptieren. Unsere Bildungspolitik muss sich darauf konzentrieren, junge Menschen in ihren Stärken zu unterstützen. Vor dem Hintergrund des allgegenwärtigen Fachkräftemangels können wir es uns gar nicht erlauben, junge Talente durch ein antiquiertes Bildungssystem in dem Sinne „zu verlieren“, dass wir Ihnen die Lust an Bildung nehmen.
Manfred Brinkmann (Wirtschaftsforum): Welche konkreten Veränderungen fordern Sie von der Politik?
Prof. Gernot Schulz: Zum einen benötigen wir mehr finanzielle Mittel für den Bildungsbau, ähnlich wie in skandinavischen Ländern, die deutlich mehr in ihre Bildungssysteme investieren. Zum anderen fordere ich eine öffentliche Debatte über die Ziele unserer Bildungspolitik. Bildung sollte einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft erhalten, und es sollte regelmäßig über Fortschritte und Herausforderungen diskutiert werden. Auch die Verantwortlichkeiten der Bildungsträger müssen klarer definiert werden, damit Schulen und Lehrer effektiver arbeiten können. So hindern zum Beispiel die unterschiedlichen Zuständigkeiten für den Schulbau (Städte und Kommunen) sowie für die Lehrerausbildung und -anstellung (Bundesländer) ein zielgerichtetes und schnelles Umdenken.
Manfred Brinkmann (Wirtschaftsforum): Was meinen Sie damit konkret?
Prof. Gernot Schulz: Aktuell bauen die Kommunen die Schulen, während die Lehrer vom Ministerium angestellt werden. Diese Verantwortlichkeitsspreizung führt dazu, dass Schulleitungen kaum Einfluss auf die Umsetzung von pädagogischen Konzepten haben. Es muss möglich sein, dass Schulen ihre Lehrkräfte auf gemeinsame Ziele verpflichten können. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Bildungseinrichtungen den aktuellen und zukünftigen Anforderungen gerecht werden.
Dr. Endre Hagenthurn (Wirtschaftsforum): Wie sehen Sie die Zukunft des Schulbaus?
Prof. Gernot Schulz: Der Schulbau muss sich weiterentwickeln, um den pädagogischen Anforderungen gerecht zu werden. Wir brauchen mehr Flexibilität und Offenheit in den Räumen, um individuelle Lernmethoden zu unterstützen. Gleichzeitig müssen wir schneller werden, neue Ideen (z.B. auch Themen der Digitalisierung) zu evaluieren und so das Beste für jede Bildungsgeneration zu erreichen. Auch die öffentliche Diskussion über Bildung muss intensiviert werden, um bessere Rahmenbedingungen zu schaffen. Hier wünsche ich mir mehr Engagement von der Politik und der Gesellschaft. Die „Lust am Lernen“ zu vermitteln muss das oberste Ziel jeder Bildungspolitik sein.
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