„Bauen muss nachhaltig werthaltig sein“
Interview mit Edina Szabó, Geschäftsführerin und Carsten Buschmann, Geschäftsführer der RVI GmbH
Wirtschaftsforum: Frau Szabó, Herr Buschmann, welche Schritte in der Unternehmensgeschichte haben RVI besonders geprägt?
Carsten Buschmann: RVI wurde 1973 gegründet. Die Idee dahinter war, die Lücke zwischen der Rente und dem aktuellen Lebensstandard mit einer Immobilie zu schließen. Seitdem verkaufen wir an private Investoren Kapitalanlagen, die wir selbst entwickeln, bauen und verwalten. Das ist noch heute unser Modell. Nachdem der Kapitalanleger die Immobilie von uns gekauft hat, mieten wir sie nach Fertigstellung zurück und garantieren ihm zehn Jahre lang die Miete. Dadurch baut er Kapital auf. Bis Ende der 1980-er-Jahre waren wir nur im Saarland tätig, dann auch in Rheinland-Pfalz, Hessen und nach der Wende in den östlichen Bundesländern. Seit 2003/2004 konzentrieren wir uns auf die Metropolregionen in Deutschland, schwerpunktmäßig in einem Umkreis von 350 bis 400 km um das Saarland. 2014 haben wir angefangen, Quartiere zu entwickeln. Das erste Projekt dieser Art mit rund 480 Wohungen realisieren wir derzeit in Esslingen am Neckar.
Wirtschaftsforum: Was hat Sie veranlasst, sich mit der Quartiersentwicklung zu beschäftigen?
Carsten Buschmann: Die Einflüsse in der Immobilienwirtschaft kommen aus der Gesetzgebung und den Megatrends. Ein solcher ist, dass es nicht mehr nur darum geht, privaten Wohnraum zu bauen, sondern auch darum, den Lebensraum um diesen Wohnraum herum zu entwickeln. Das ist in der Quartiersentwicklung deutlich besser umzusetzen als mit einem Einzelprojekt. Dabei spielen Themen wie Klimaneutralität und Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Wir müssen also größer denken. Zum Beispiel berücksichtigen wir die Entwicklung hin zum Homeoffice und schaffen Co-Working-Lösungen. Mobilität ist ein Thema: Brauche ich noch ein Auto? Wenn ja, fahre ich elektrisch? Und müssen wir vielleicht auch auf andere alternative Antriebe setzen? In Mannheim arbeiten wir mit dem weltweit renommierten Architekturbüro MVRDV an dem futuristischen Projekt New Franklin City. Dort gehen wir in den Bereich vertikales Wohnen in Hochhäusern, die als Buchstaben gestaltet sind. Ein großes Anliegen von uns ist, bei Trends Erster zu sein und zukunftsfähige Immobilien zu errichten. Bauen muss nachhaltig werthaltig sein - sowohl in der Bausubstanz als auch im Investment.
Edina Szabó: In Mannheim realisieren wir gerade die Zukunft. Aber bereits mit unserem ersten Projekt dieser Art, dem Projekt LOK.West im Klimaquartier Neue Weststadt in Esslingen, errichten wir ein CO2-neutrales Wohnquartier, das zudem den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen entsprechen soll. Gerade in der Quartiersentwicklung spielt übrigens auch die Digitalisierung eine große Rolle; sie ist einer unserer Schwerpunkte.
Wirtschaftsforum: Wie ist das Unternehmen heute aufgestellt und organisiert?
Carsten Buschmann: Wir agieren von Saarbrücken aus, haben aber dort, wo wir Grundstücke verwalten, Vermietungssachbearbeiter vor Ort. Da wir die Untermietverträge mit den Bewohnern abschließen und gleichzeitig dem Anleger eine versprochene Miete zahlen, haben wir ein eigenes Interesse daran, dass die Wohnungen belegt sind und der Mieter sich in der Immobilie wohlfühlt, und pfleglich mit ihr umgeht.
Edina Szabó: Die RVI Gruppe besteht aus vier Gesellschaften. Im Bereich Bau, dazu gehören auch Finanzierung und Rechnungswesen, sind 32 Mitarbeiter beschäftigt, in der Vermietung und Verwaltung 48. Weitere Mitarbeiter sind mit der Betreuung des Bestands an den Standorten befasst, an denen wir eine große Anzahl an Wohnungen haben. Unsere Bilanzsumme beträgt mehr als 100 Millionen EUR, der Jahresumsatz liegt bei 60 bis 70 Millionen EUR. Gesellschafter des Unternehmens sind zwei saarländische Genossenschaftsbanken und eine Privatperson.
Wirtschaftsforum: Welche Themen beschäftigen Sie und die Branche derzeit besonders?
Carsten Buschmann: Uns beschäftigt vor allem die Frage, wie, wann und zu welchem Preis wir bauen können. Die Regierung will, dass 400.000 Wohnungen gebaut werden, und bringt zur gleichen Zeit die Energieeinsparverordnung heraus. Die Grundstückspreise steigen ebenfalls immer weiter. Wir stehen in der Branche damit vor der Herausforderung, unter diesen Bedingungen so bauen zu müssen, dass am Ende noch bezahlbare Mieten dabei herauskommen. Dazu kommt jetzt die Russland-Ukraine-Krise. Wir wissen heute nicht, wann wir das notwendige Baumaterial bekommen und erhalten auch keine zuverlässigen Preiszusagen. Wir müssen deshalb über Förderungen für alle am Bau beteiligten sprechen. Sonst wird Bauen, gerade für den Privatmenschen, immer unattraktiver.
Edina Szabó: Eine große Hilfe wäre außerdem ein schnellerer Prozess bei der Erteilung von Baugenehmigungen. Lange Baugenehmigungsphasen machen ein Projekt für uns noch weniger berechenbar.