Beton ade: Die bessere Wahl für Rohrleitungssanierungen
Interview mit Marc Stiebing, CEO der RelineEurope GmH


Wirtschaftsforum: Herr Stiebing, wie funktioniert das grabenlose Sanierungsverfahren von RELINE?
Marc Stiebing: Wir verwenden eine firmeneigene und patentgeschützte Technologie, die auf einem UV-lichtgehärteten Schlauchliner basiert. Der Liner wird flach in das vorhandene Rohr eingezogen und mit Druckluft aufgestellt. Die bestehende Rohrleitung dient als Widerlager, während sich die UV-Lichtquelle durch das Rohr bewegt und den Liner mit UV-Licht aushärtet. Der sogenannte Alphaliner liegt an dem Altrohr an, ist aber statisch alleine tragfähig. Somit entsteht ein neues Rohr im Rohr. Wir liefern die gesamte Technik, die zur Durchführung der kompletten Sanierung erforderlich ist.
Wirtschaftsforum: Was sind die Vorteile des Verfahrens?
Marc Stiebing: Die Vorteile unserer Technologie sind vielfältig und umfassen sowohl praktische als auch nachhaltige Aspekte. Einer der bedeutendsten Pluspunkte besteht darin, dass Straßen und Gehwege nicht aufgegraben werden müssen, um das Altrohr zu sanieren. Somit werden durch dieses Verfahren teure Beeinträchtigungen des Alltags minimiert und damit verbundene Emissionen reduziert. Zudem fehlt in vielen Städten schlichtweg der Platz zum Aufgraben, beispielsweise in Japan, wo wir mit mehr als 90% Marktanteil im UV-CIPP-Verfahren marktführend sind. Darüber hinaus ermöglicht unsere Technologie eine erhebliche Zeitersparnis: Ein niederländischer Kunde berichtete neulich, wie er innerhalb von 90 Minuten eine Leitungslänge von fast 100 m installiert hat. Ein weiterer Vorteil der Technologie besteht in ihrer Nachhaltigkeit. Bei der Produktion legen wir großen Wert auf umweltfreundliche Prozesse und die Minimierung des Energieverbrauchs, was zu einer geringeren CO2-Emission führt. Im Vergleich zu traditionellen Betonrohren, die in ihrer Herstellung einen beträchtlichen Energieaufwand und CO2-Ausstoß bedeuten, bietet die Technologie eine umweltbewusstere Alternative. Schließlich stellt das Verfahren auch eine langfristig nachhaltige Lösung hinsichtlich deren Lebensdauer dar. Die sanierten Leitungen sind robust und langlebig, was zu einer Verringerung des Material- und Energieaufwands beiträgt und sie zu einer kosteneffizienten und nachhaltigeren Lösung für das moderne unterirdische Infrastrukturmanagement macht.
Wirtschaftsforum: Wie sicher sind die durch ihr Verfahren sanierten Freispiegel- und Druckrohrleitungen?
Marc Stiebing: Die mit unserem Material sanierten Freispiel- und Druckrohrleitungen bieten eine erstklassige Sicherheit. Es handelt sich um vollständig tragfähige Systeme, die vollkommen unabhängig von den vorhandenen Altrohren sind. Unser Material erfüllt nach dem Einbau die Klasse A im Druckrohrbereich. Unsere Lösung übernimmt problemlos alle statisch erforderlichen Lasten und benötigt dabei deutlich weniger Material als beispielsweise Beton. Die herausragenden mechanischen Eigenschaften machen das System auch für Regionen mit Erdbebenrisiko interessant, da es als Aussteifungselement dienen kann. Dabei werden Wandstärken erreicht, die nur etwa ein Drittel oder sogar noch dünner als bei Betonrohren sind. Darüber hinaus ermöglicht die extrem glatte Oberfläche unseres Materials einen äußerst geringen Reibungsquotienten, wodurch weiterhin hohe Durchflussraten erzielt werden. Das bedeutet, dass durch die Reduzierung des Durchmessers der Rohre etwa 30% mehr Wasser transportiert werden kann.
Wirtschaftsforum: In welchen Bereichen wird Ihr Verfahren angewendet?
Marc Stiebing: Wir sind weltweit mit dieser Technologie im Einsatz und haben bereits sieben Millionen Meter installiert. Bisher lag unser Schwerpunkt hauptsächlich auf der Sanierung von Abwasserkanälen. Dieses Thema gewinnt ab 2025 in Deutschland noch mehr an Bedeutung, da die Kommunen dann verpflichtet sein werden, Lecks in Abwasserleitungen zu melden. In den letzten zwei Jahren arbeiteten wir verstärkt im Bereich der Trinkwasserleitungen. Hier liegen die Verluste durch undichte Rohre zwischen 5% in Deutschland und bis zu 35% in anderen europäischen Ländern. Die Herausforderung dabei ist, dass das Trinkwasser mit einem Druck von bis zu 10 bar durch die Leitungen transportiert wird. Inzwischen haben wir die Technologie weiterentwickelt und dabei den Alphaliner AQUA.UV®CIPP speziell für diesen Bereich entwickelt. Mit der ebenfalls im Hause RELINE speziell für diesen Bereich des Trinkwassers entwickelten UV-Aushärteanlage AQUA.UV500 sind lange Installationslängen in Abhängigkeit der Nennweite in einem Einzug möglich. Das speziell für diese Anwendung konzipierte Lichtspektrum der eingesetzten UV-Lampen erlaubt eine einwandfreie Aushärtung und eine keimfreie Installation.
Wirtschaftsforum: Ihr Unternehmen ist seit 2009 sehr schnell gewachsen. Was ist das Erfolgsrezept?
Marc Stiebing: Wir sind der einzige Linerlieferant, der gleichzeitig auch die Maschinen zur Aushärtung baut und liefert. Das ist weltweit ein Alleinstellungsmerkmal. Wir entwickeln die Technologie ständig weiter, um neue Herausforderungen zu meistern.
Wirtschaftsforum: Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Markt in Zukunft entwickeln?
Marc Stiebing: Wir sind in einem absoluten Wachstumsmarkt tätig. Mehr als zwei Milliarden Menschen weltweit haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Wir schätzen den weltweiten Sanierungsbedarf allein bei den Abwasserkanälen auf etwa 41 Milliarden EUR. In Deutschland haben wir eine relativ gute Marktdurchdringung und sind in Europa marktführend. Diesen Erfolg wollen wir weltweit wiederholen, was uns bereits sehr gut gelingt. Wir haben in Südkorea das bis heute weltweit größte UV-Projekt ausgeführt. Dazu haben wir 170 t Material ins Land transportiert, um ein 700 m langes Rohr mit einem Durchmesser von 2 m zu sanieren.
Wirtschaftsforum: Was sind Ihre Ziele für die Zukunft?
Marc Stiebing: Unsere Vision für die Zukunft ist, das Geschäft der Abwasserliner in Entwicklungsländern zu bestätigen und in den Industrieländern das Thema Trinkwasser zu forcieren. Im Vergleich zur Energieversorgung oder beispielsweise dem Austausch von Heizungsanlagen hat der Handlungsbedarf im Bereich Wasser noch nicht die entsprechende Dringlichkeit erfahren.