Der Draht zur Zukunft
Interview mit Stephan Güpfert, Geschäftsführer der Kummler + Matter AG
Wirtschaftsforum: Herr Güpfert, der Name Kummler + Matter ist in der Schweiz Inbegriff für Kompetenz rund um den Trolleybus oder Oberleitungsbus, wie er in Deutschland genannt wird. Wie kam es dazu?
Stephan Güpfert: Das Unternehmen wurde 1909 gegründet und hat aufgrund dieser langen Geschichte eine entsprechende Erfahrung. Gründer waren die Herren Kummler und Matter, der eine Techniker, der andere Kaufmann, die sich schon früh neben diversen elektrischen Anlagen auf Oberleitungen für Schienen- und Straßenfahrzeuge konzentrierten. Das Unternehmen wurde dann im Laufe der Zeit mehrmals verkauft, gehörte zehn Jahre lang zur Alpiq und ist seit 2,5 Jahren Teil der Bouygues- beziehungsweise Colas-Gruppe. In dieser langen Zeit war der Fokus stets auf die Bereiche Energie und Verkehr gerichtet. Wir haben hier ein Know-how aufgebaut, das einzigartig ist, eine historisch gewachsene Kompetenz. Trolleybus-Fahrleitungen sind montagetechnisch sehr anspruchsvoll, deshalb ist fachlich kompetentes Personal entscheidend. Wir haben erfahrene Mitarbeitende und investieren mit Blick in die Zukunft gleichzeitig in die Ausbildung junger Monteure und Ingenieure.
Wirtschaftsforum: Was sind heute die wichtigsten Säulen des Portfolios?
Stephan Güpfert: Unsere Kernkompetenz liegt im Bereich Fahrleitungen oder Oberleitungen für Eisenbahnen, Straßenbahnen und Trolleybusse; Letzteres ist unser traditionelles Kerngeschäft, mit dem wir groß geworden sind. In der Schweiz haben wir einen Marktanteil von 90%. Es ist ein sehr spezifisches Geschäftsfeld, in dem es nicht viele Mitbewerber gibt. In der Schweiz sind die Oberleitungsbusse in vielen Städten unterwegs, in Deutschland ist das anders. Solingen ist eine von drei Städten, die die Busse im Nahverkehr einsetzen. Unser Portfolio ist klar auf Oberleitungen ausgerichtet, deckt aber die gesamte Wertschöpfungskette ab. Wir entwickeln zum Beispiel neue Fahrleitungskomponenten und bieten hier ein sehr großes Sortiment. Die Produkte sind Ergebnisse unserer Forschungs- und Entwicklungsarbeit, auch die Produktion erfolgt im Haus. Spezielle Halbfabrikate werden zugekauft; Endmontage und Qualitätskon-trolle liegen dann wieder in unserer Verantwortung. Nicht zuletzt planen und bauen wir Anlagen, können dabei auf die Expertise von 150 Ingenieuren und Monteuren setzen und arbeiten mit einem sehr großen Maschinenpark.
Wirtschaftsforum: Wie viel Mitarbeiter hat Kummler+ Matter heute insgesamt?
Stephan Güpfert: Wir haben 230 Mitarbeiter und setzen rund 55 Millionen EUR jährlich um. Zu den Kunden zählen in erster Linie Bahngesellschaften und Verkehrsbetriebe der Städte. Hier in der Schweiz ist die SBB unser größter Kunde, der rund 30% des Umsatzvolumens ausmacht. Hier gibt es zudem viele verschiedene private Eisenbahnunternehmen, die mehrheitlich den Kantonen gehören.
Wirtschaftsforum: Der Oberleitungsbus ist so etwas wie ein Markenzeichen von Kummler + Matter. Was ist das Besondere an den Bussen?
Stephan Güpfert: Die Trolleybusse sind ursprünglich als Alternative zur Straßenbahn entstanden, einfach weil sie günstiger sind. Schienen und Schienenfahrzeuge sind deutlich teurer als die schienenlosen Oberleitungsbusse. Nachteil ist, dass die Busse weniger Kapazitäten haben. Die Busse erlebten in der Nachkriegszeit einen Boom. Heute ist das Thema Green Mobility der Haupttreiber. Die Busse benötigen keine oder nur eine kleine Batterie und haben im Vergleich zu Batteriebussen eine größere Reichweite. In St. Gallen arbeitet man zum Beispiel gerade an zwei neuen Trolleybuslinien, die auf eine Kombination von Batterie und Fahrleitung setzen. Die Oberleitung versorgt den Bus während der Fahrt mit Strom und lädt gleichzeitig die Batterien auf. Auf oberleitungsfreien Strecken fährt der Bus dann mit Batteriestrom. Heute werden Trolleybusnetze ausgebaut, allerdings nicht neu gebaut, da die Akzeptanz allein aus optischen Gründen nicht da ist. Inzwischen zeichnet sich allerdings ein Wandel ab; ökologische Aspekte werden heute immer wichtiger.
„Wir sehen großes Potenzial im Bereich Ladelösungen.“ Stephan GüpfertGeschäftsführer
Wirtschaftsforum: Kummler + Matter ist auch im Bahnbereich ein Referenzunternehmen. Was ist hier die Stärke des Unternehmens?
Stephan Güpfert: Eine Stärke sind große, anspruchsvolle Fahrleitungsbauten und -erneuerungen. Wir genießen hier den Ruf, effizient und gut zu arbeiten, insbesondere was die Baustellenvorbereitung angeht, die extrem wichtig ist. Zum Teil arbeiten wir hier mit einem Helikopter, um Zeit und Platz zu sparen.
Wirtschaftsforum: Wie beurteilen Sie aktuell Zukunftsperspektiven?
Stephan Güpfert: E-Busse werden immer besser und je besser sie werden, umso weniger Trolleybusse wird es geben. Wir investieren deshalb massiv in innovative Ladelösungen und können das gesamte Portfolio an Infrastrukturen anbieten. Entscheidend ist, neue Lösungen für die Bedürfnisse unserer Kunden von morgen zu bieten. Weil wir das Know-how und die Kundennähe haben, glauben wir an das große Potenzial der Ladeinfrastruktur. Kunden kennen uns und wissen, dass sie Topqualität erwarten können.