„Noch viele Ideen im Topf“

Interview mit Peter Waltenspühl, Chief Marketing Officer der Kuhn Rikon AG

Wirtschaftsforum: Herr Waltenspühl, das Unternehmen Kuhn Rikon wurde schon 1819 gegründet. Begann die Geschichte damals schon mit Kochgeschirr?

Peter Waltenspühl: Nein, das Unternehmen wurde 1926 gegründet. Zuvor war es eine Spinnerei, die 1899 in einen metallverarbeitenden Betrieb umgeformt wurde, als die Textilbranche in der Schweiz zusehends unter Druck geriet. Schnell spezialisierte sie sich auf Kochgeschirr, vor allem Pfannen und Töpfe aus Kupfer, die verzinkt wurden. Das Unternehmen in seiner heutigen Form entstand 1926: Nachdem die Firma nach einem Großbrand wieder aufgebaut worden war, wurde sie an den Ingenieur Heinrich Kuhn verkauft, der daraufhin die Aktiengesellschaft gegründet hat. Nach dessen frühem Tod 1935 haben seine beiden noch jungen Söhne das Unternehmen übernommen. Henri Kuhn besuchte damals noch das Gymnasium, sein Bruder Jacques, der in den USA studierte, kehrte 1947 nach Rikon zurück, um ins Unternehmen einzutreten.

Wirtschaftsforum: Was tat sich in dieser Zeit bei den Produkten?

Peter Waltenspühl: Ganz wichtig war 1927 die Entwicklung des ersten Kochgeschirrs für elektrische Kochherde unter dem Namen Duro. 1949 folgte eines unserer bedeutendsten Produkte, der DUROMATIC®. Mit der Entwicklung dieses Schnellkochtopfs waren wir einer der Ersten in Europa. Heute steht der Name in der Schweiz für Schnellkochtöpfe. 1975 brachte Kuhn Rikon das doppelwandige Kochgeschirr DUROTHERM® auf den Markt und entwickelte mit dem Soft-Garen einen neuen Kochprozess: Die Speisen werden zunächst sehr stark erhitzt, dann wird der Topf vom Herd genommen und man lässt den Inhalt nachgaren. Diese schonende, gesunde und energieeffiziente Art des Garens ist eine frühere Form des Niedergarens.

Wirtschaftsforum: Wann begann die Internationalisierung des Unternehmens?

Peter Waltenspühl: 1980 haben wir unsere erste Tochter in England gegründet, wobei der DUROMATIC® schon früher ins Ausland exportiert wurde. 1983 folgte eine weitere in Spanien und 1988 in den USA. Heute sind unsere Exportkernmärkte Spanien und Nordamerika. In Spanien sind wir vor allem für unsere Bratpfannen und Schnellkochtöpfe bekannt und in den USA für Küchen-Gadgets. Dort haben wir erst in diesem Jahr Töpfe und Pfannen eingeführt. In Deutschland und Frankreich haben wir eine Grundbekanntheit. In den nächsten Jahren wollen wir uns auf ausgewählte Märkte wie Deutschland und England fokussieren.

Wirtschaftsforum: Kuhn Rikon war Mitgründer des Tibet-Instituts Rikon. Wie kam es denn dazu?

Peter Waltenspühl: 1964 haben Henri und Jacques Kuhn tibetische Flüchtlinge aufgenommen, nachdem China in Tibet eingefallen war. Sie boten ihnen nicht nur Arbeit und Wohnungen, sondern wollten auch, dass sie sich in Rikon wohlfühlten. Henri Kuhn und seine Frau Mathilde sind deshalb zum Dalai Lama gereist, der ihnen den Bau eines Klosters, eines spirituellen Zentrums, empfohlen hat. Aus diesem Grund hat das Unternehmen das erste tibetische Kloster in der Schweiz gebaut. Bei all seinen Besuchen in der Schweiz hat der Dalai Lama die Familie Kuhn dort besucht.

Wirtschaftsforum: Eine schöne Geschichte. Ist das Unternehmen immer noch im Besitz der Familie Kuhn?

Peter Waltenspühl: Kuhn Rikon ist nach wie vor im Familienbesitz, aber durch Heirat zur Familie Auwärter übergegangen. Der ursprüngliche Geist der Firma wurde über vier Generationen weitergegeben, das spürt man noch heute. Die Wertevorstellungen und Kulturgrundsätze sind dieselben geblieben. Das zeigt sich zum Beispiel in unserem hohen Frauenanteil von 56%. Dass wir ein Familienbetrieb sind, mit einer Inhaberfamilie, die über Generationen hinweg das Geschäft mit großer Leidenschaft geführt und für Kontinuität gesorgt hat, ist ein großer Erfolgstreiber. Das Wachstum erfolgte immer in vernünftigem Rahmen. Unsere Größe als KMU ist für uns ein Vorteil.

Wirtschaftsforum: Welche Produkte beinhaltet Ihr Portfolio heute?

Peter Waltenspühl: Unser Angebot umfasst Töpfe und Pfannen, Kochutensilien, Schneidutensilien, Fondue- und Raclettegeschirr und Keramik. Seit 2017 gehört die Firma Rheinfelder Keramik, die für ihr besonders in Deutschland und in der Schweiz beliebtes Fonduegeschirr bekannt ist, zu Kuhn Rikon. Unsere Produkthighlights sind nach wie vor DUROMATIC® und DUROTHERM®.

Wirtschaftsforum: Wodurch zeichnet sich Kuhn Rikon besonders aus?

Peter Waltenspühl: Unsere Kernprodukte, zu denen auch die Warmhalteschüssel HOTPAN® gehört, sind Alleinstellungsmerkmale. In ihnen zeigt sich unser hoher Innovationsgrad. Insgesamt steht Kuhn Rikon für Qualität. Die Schweizer Marke ist ein Gütesiegel. Wir produzieren einen beachtlichen Teil unseres Kochgeschirrs in der Schweiz.

Wirtschaftsforum: Welche Rolle spielen nachhaltige Produkte bei Ihnen?

Peter Waltenspühl: Nachhaltigkeit ist für unser Unternehmen extrem wichtig und hat eine hohe Priorität. Wir haben gerade eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet. Unsere Bratpfanne, die aus 100% recyceltem Aluminium besteht, ist eine Innovation im Zuge unserer nachhaltigen Ausrichtung. Das Geniale ist, dass sie gleichzeitig auch technisch besser ist als andere Alupfannen. Das Material hat eine hervorragende Wärmeleitfähigkeit und eine deutlich bessere Festigkeit gegenüber herkömmlichem Aluminium.

Wirtschaftsforum: Wo steht das Unternehmen heute am Markt?

Peter Waltenspühl: In der Schweiz sind wir die Nummer 1 unserer Branche. Laut einer aktuellen Marktumfrage gehören wir zu den zehn stärksten Schweizer Unternehmen.

Wirtschaftsforum: Spielt die Digitalisierung eine große Rolle in Ihrem Unternehmen?

Peter Waltenspühl: Auf jeden Fall, bei den Produkten selbst, im Vertrieb sowie in Kommunikation und Marketing. Im Bereich Kommunikation sind wir weltweit schon gut aufgestellt, und wir betreiben einen sehr gut genutzten Webshop. Bei den Produkten haben wir uns schon früh Gedanken darüber gemacht, wo die Digitalisierung greifen kann. Mit V-Zug, einem der größten Hersteller von Küchengeräten in der Schweiz, haben wir ein System entwickelt, bei dem der HOTPAN® oder der DUROMATIC® über Bluetooth und eine App mit dem Kochfeld kommunizieren.

Wirtschaftsforum: Zum Schluss ein Blick in die Zukunft. Welche Pläne haben Sie für die kommenden Jahre?

Peter Waltenspühl: Wir wollen den E-Commerce-Bereich ausbauen. Hier gibt es einen klaren Wachstumstrend; es findet eine Umverteilung von stationär auf online statt. Der stationäre Handel muss neue Formen des Einkaufserlebnisses bieten, und das Gleiche gilt für den Onlinehandel. In der Schweiz und in Spanien haben wir bereits eigene Outlets. Solche Shops möchten wir in all unseren Kern- und Zielmärkten aufbauen. Das Thema Nachhaltigkeit werden wir weiter voranbringen. Wir haben erste Produkte lanciert, die gut anlaufen, vor allem in Deutschland. Es handelt sich um New Life-Produkte, für die wir in der Herstellung 95% weniger Energie benötigen. Zu diesem Thema haben wir noch viele Ideen ‘im Topf’. Unser Ziel ist, unseren CO2-Fußabdruck auf null zu reduzieren. Unsere Strategie ist darauf ausgelegt, bis 2026 weltweit CO2-neutral zu werden. Wir werden auch neue innovative Produkte entwickeln, die wir einem Kreislauf zuführen.

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