Mit Herzblut fürs Herz

Interview mit Matthias Müller, Kaufmännischer Geschäftsführer der Kerckhoff-Klinik GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Müller, mit der Gründung der Kerckhoff-Klinik hat es eine besondere Bewandtnis – erzählen Sie uns doch davon.

Matthias Müller: Tatsächlich steht hinter der Gründung die für ein Krankenhaus schönste Geschichte, nämlich die eines zufriedenen Patienten. William G. Kerckhoff war ein wohlhabender deutschstämmiger amerikanischer Unternehmer, der in den 1920er-Jahren aufgrund eines Herzleidens mehrfach in Bad Nauheim zur Kur weilte. Da ihm die Aufenthalte in Bad Nauheim offensichtlich sehr gut taten, plante er, die Herzforschung in Bad Nauheim finanziell zu fördern. Kerckhoff konnte dieses Vorhaben nicht mehr in die Tat umsetzen, er verstarb 1929. Seine Frau Louise war in die Pläne eingeweiht und leitete nach seinem Tod die Gründung einer Stiftung in Bad Nauheim und die Errichtung des William G. Kerckhoff-Institutes ein. Aus diesem ging 1963 die Kerckhoff-Klinik hervor mit dem Ziel, Patient*innen schneller an den Erfolgen der Forschung teilhaben zu lassen.

Wirtschaftsforum: Wie sieht die heutige Unternehmensstruktur aus und welche Meilensteine führten dorthin?

Matthias Müller: Nach der Inbetriebnahme der Klinik erhielt die Kerckhoff-Klinik wenige Jahre später den Status Akutkrankenhaus mit der Fachabteilung Kardiologie. 1988 wurde die erste Abteilung für Herzchirurgie in Hessen hier ergänzt. 1998 wurde die Kerckhoff-Klinik GmbH gemeinsam mit der direkt benachbarten Rheumaklinik, die vorher zur Justus-Liebig-Universität gehört hatte, in die Stiftung Herz- und Rheumazentrum Bad Nauheim überführt. Seit 2008 ergänzt das Lungenzentrum das medizinische Leistungsangebot. Seit vielen Jahren ist die Kerckhoff-Klinik das einzige Zentrum für Transplantationen von Erwachsenenherzen in Hessen und Außenstelle des Universitätsklinikums Gießen für die Transplantation von Lungen.

2011 wurde das auf dem Campus befindliche Rehabilitationszentrum von einem Rehabilitationsträger in die Kerckhoff-Klinik integriert, sodass seit etwa 10 Jahren unsere Patienten*innen die akutmedizinische und rehabilitative Versorgung aus einer Hand an einem Ort erhalten können. Der nächste Entwicklungsschritt erfolgte im Jahr 2014 mit der Ergänzung des Gefäßzentrums, welches das Spektrum der Klinik optimal bereichert. Die Klinik hat sich zu einem international anerkannten medizinischen Hochleistungszentrum entwickelt und verfügt mit dem Franz-Groedel-Institut sowie dem benachbarten Max-Planck-Institut über eine enge wissenschaftliche Anbindung. Seit 2017 sind wir Teil des Campus der Justus-Liebig-Universität Gießen und somit an der Ausbildung von Medizinstudenten beteiligt.

Wirtschaftsforum: Wobei Letzteres ja bedingt, dass die Klinik auch in technischer Hinsicht auf dem aktuellen Stand der Entwicklung sein muss. Künstliche Intelligenz (KI) ist aus vielen Branchen nicht mehr wegzudenken. Auch im Medizinbereich?

Matthias Müller: KI ist für uns definitiv ein Thema. Als Fachklinik wollen und müssen wir auf dem neuesten Stand sein. So haben wir beispielsweise in den letzten Jahren die Anzahl unserer telemedizinisch geführten Patienten stark gesteigert. Das werden wir weiter ausbauen. Daran anschließend denken wir schon weiter im Bereich teleradiologische Rhythmusüberwachung und Frühwarnsysteme. Dazu gibt es bereits erste Studien, die Entwicklung ist äußerst dynamisch. In der Radiologie spricht man schon seit Jahren von KI-gestützter Befundung, welche auf Basis mehrerer Millionen Röntgenbilder äußerst exakte Befunde erstellt. Für die Versorgung – insbesondere komplexer Krankheitsbilder – ist dies aktuell noch nicht in der klinischen Routine, jedoch wird KI in der Zukunft ein Teil der medizinischen Versorgung sein.

Wirtschaftsforum: Die Coronapandemie hat die digitale Transformation in etlichen Bereichen in kurzer Zeit stark vorangebracht – so weit, so gut. Doch die Schwierigkeiten waren ungleich größer. Mit welchen Problemen haben Sie sich konfrontiert gesehen?

Matthias Müller: Die Belastung unserer Belegschaft war beziehungsweise ist sehr hoch. Dies gilt insbesondere für unsere Mitarbeitenden, die auf Intensiv- und Infektionsstation mit voller Schutzausrüstung nicht nur körperlich, sondern auch mental dauerhaft belastende Arbeiten durchführen. Aber auch alle anderen haben in der Pandemie gewohnte Wege verlassen und sich in den Dienst der Patientenversorgung gestellt. Diese Flexibilität unserer Mitarbeitenden macht uns sehr zuversichtlich, dass wir auch Entwicklungsprozesse wie die digitale Transformation meistern werden. Fantastisch ist, wie sich unser #teamkerckhoff in der Krise verhalten hat.

Gleichzeitig beobachten wir, dass in den Krankenhäusern die Anzahl an Patienten mit Herzinfarkt gesunken ist und es bedarf keines Medizinstudiums, um zu wissen, dass Herzpatienten nicht pandemiebedingt spontan genesen. Das haben wir mit großer Sorge beobachtet und die Menschen bei jeder Gelegenheit auf unterschiedlichsten Kanälen aufgefordert, Symptome, die auf einen Infarkt oder ein anderes Herzleiden hindeuten, ernst zu nehmen. Was jetzt auf uns zukommt, ist die Abarbeitung dieser ʻBugwelleʼ an Patienten. Das wird sicherlich eine Herausforderung, da die Patientenversorgung bis auf Weiteres unter Pandemiebedingungen erfolgt. Abgesehen davon hatten wir finanzielle Einbußen, denn die Ausgleichszahlungen, die wir pro verlorenen Belegungstag im Vergleich zum Vorjahr erhalten haben, konnten die Verluste nicht kompensieren. Gleichwohl ist es uns gelungen, laufende Projekte fortzuführen und somit in die Zukunft zu investieren. Dabei konnten wir die wirtschaftliche Stabilität erhalten.

Wirtschaftsforum: Was ist Ihnen für die Zukunft wichtig?

Matthias Müller: Die größte Herausforderung ist der Fachkräftemangel, insbesondere im Bereich der Pflege. Wichtig ist, dass wir junge, engagierte Mitarbeitende finden, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und sich beruflich entwickeln wollen. Der Pflegeberuf ist interessant, sinnstiftend und bietet ein breites Spektrum. Es gilt, die Motive der Berufswahl in den Mittelpunkt der Tätigkeit zu stellen. Der von einer Pflegekraft zu leistende bürokratische und pflegeferne Aufwand nimmt wertvolle Zeit in Anspruch, welche um ein Vielfaches sinnvoller in die Patientenversorgung zu investieren wäre.

Auch darf die digitale Transformation nicht aus den Augen verloren werden. Ziel muss es sein, dass für alle Beteiligten – und das gilt über die Gesundheitsbranche hinaus – Arbeit erleichtert wird. Die Vorteile sollten bewusst in die Veränderungsprozesse eingebracht und im Anschluss daran für alle spürbar sein. Damit ein langfristiger Erfolg gesichert ist, müssen die Folgekosten der Digitalisierung wie Fachkräfte und laufende Kosten berücksichtigt werden. Auch ein höherer Digitalisierungsgrad ist Ergebnis der Arbeit von Fachkräften.

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