Wo die Medizin der Zukunft schon in der Gegenwart gelebt wird

Interview mit Prof. Dr. med. Hartmut Juhl, Geschäftsführer der Indivumed GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Prof. Dr. Juhl, mit Indivumed möchten Sie einen Beitrag zur individualisierten Krebstherapie leisten. Wie weit konnte man diesem Ziel in der klinischen Praxis bereits kommen?

Prof. Dr. med. Hartmut Juhl: Als die personalisierte Medizin vor gut 20 Jahren am Horizont erschien, war dies der zentrale Impulsgeber für die Gründung unseres Unternehmens. In diesem langen Zeitraum konnte man bei der Erkennung von Angriffspunkten in Krebszellen sowie in der Wirkstoffentwicklung durchaus eine exponentielle Entwicklung der Fortschritte erkennen, sodass wir uns in der Forschung wie auch in der klinischen Praxis auf einem guten Weg sehen und uns bereits über viele Erfolgsgeschichten freuen können. So ist Brustkrebs für viele Frauen heute keine tödliche Erkrankung mehr, was neben der Früherkennung auch auf die besseren medikamentösen Behandlungsverfahren zurückzuführen ist. Klar ist jedoch, dass wir noch mehr Wirkstoffe benötigen und diese den individuellen Patienten zudem besser zugeordnet werden müssen, damit sich jene positiven und hoffnungsvoll stimmenden Entwicklungen fortsetzen können.

Wirtschaftsforum: An dieser Stelle setzt wiederum Indivumed an?

Prof. Dr. med. Hartmut Juhl: Unser Unternehmen wurde damals aus der Überzeugung heraus gegründet, dass eine Krebstherapie nur im Sinne einer personalisierten Medizin nachhaltig erfolgreich sein kann, sprich: wenn die Therapie voll und ganz auf den jeweiligen Patienten und seine spezifische Neoplasie zugeschnitten ist. Dieses Ziel lässt sich jedoch nur mit einer sauberen Datenlage erreichen – das mag zunächst trivial klingen, doch dahinter verbirgt sich im klinischen Alltag durchaus eine relevante Herausforderung.

Wirtschaftsforum: Worin genau bestehen darin die Schwierigkeiten?

Prof. Dr. med. Hartmut Juhl: Jedes Gewebestück, das Bestandteil eines Tumors ist und entnommen werden kann, trägt die gesamte Information über die jeweilige Krebserkrankung in sich; diese kann man jedoch nur dann korrekt auslesen, wenn das Gewebe im Rahmen von standardisierten Prozessen in tiefgefrorenem Zustand asserviert wird, da sich die Zusammensetzung der Moleküle im Gewebe nach der Exzision durch den Chirurgen noch verändern kann. Mit dieser Zielsetzung begann damals die Geschichte von Indivumed, und auch heute sind wir weiterhin das einzige Unternehmen, das diesen hohen Standardisierungsgrad weltweit in diversen Kliniken etabliert hat und Proben von Patienten zusammen mit den relevanten klinischen Daten erhebt.

Wirtschaftsforum: Wie genau haben Sie die dabei gewonnen Daten nutzen können?

Prof. Dr. med. Hartmut Juhl: Wir haben für jeden Patienten umfassende Analysen der gefrorenen Tumorgewebestücke im Vergleich zum Normalgewebe durchgeführt und dadurch zusammen mit umfassenden klinischen Datenpunkten pro Patient eine globale Datenbank aufbauen können, die nirgendwo anders in dieser Form besteht. Denn keine andere Gendatenbank kann bei den gleichen Patienten eine Verknüpfung zur Analyse von Protein-Signalwegen und anderen Messpunkten herstellen, um die dahinterliegenden biologischen Prozesse wirklich zu verstehen. Nun, da wir diese hervorragende Datenbasis geschaffen und die entsprechenden Analysefähigkeiten entwickelt haben, wollen wir diesen umfassenden Informationsvorrat über verschiedene Patientengruppen, Tumorerkrankungen und Weltregionen hinweg mithilfe Künstlicher Intelligenz und verschiedener bioinformatischer Verfahren besser verstehen lernen. Seit dem Verkauf unseres Service-Geschäfts vor vier Jahren konzentrieren wir uns nun mit all unserer Energie auf dieses Ziel.

Wirtschaftsforum: Wie sehen dabei die perspektivischen nächsten Schritte aus?

Prof. Dr. med. Hartmut Juhl: Wir möchten weiter dazu beitragen, dass sehr effektive Wirkstoffe die Marktreife erreichen, und dieses Wirkungsspektrum ferner um eine ebenso effiziente Diagnostik erweitern, damit sämtliche Präparate gezielt und patientenspezifisch eingesetzt werden können. In diesem Zuge wollen wir auch am Aufbau entsprechender Fachzentren mitwirken, in denen die Medizin der Zukunft schon hier und heute gelebt wird. Natürlich verfolgen wir bei Indivumed Therapeutics trotz all unserer intrinsischen Motivation, das Leben von Krebspatientinnen durchgreifend zu verbessern, auch wirtschaftliche Interessen. Wenn man das Krebsproblem auch nur zu einem kleinen Teil löst, stellt sich der kommerzielle Erfolg ganz von selbst ein.

Tags
Nach themenverwandten Beiträgen filtern

Mehr zum Thema Gesundheit, Medizin & Pharma

MedTech mit Verantwortung – Lösungen, die verbinden

Interview mit Laura Garcia Baglietto, Executive Vice President Medical Devices & Environment International der GBA Group und Dr. Timo Lebold, Geschäftsführer der GBA MDS GmbH

MedTech mit Verantwortung – Lösungen, die verbinden

Die GBA Group zählt zu den führenden Labor- und Beratungsdienstleistern im europäischen Life Sciences-Sektor. In Gilching bei München bietet die GBA Medical Device Services GmbH regulatorische Beratung und umfassende Analytik…

Lentz & Müller: Digital und persönlich

Interview mit Moritz Thole und Thomas Lentz, Geschäftsführer der Lentz & Müller Dentaltechnik

Lentz & Müller: Digital und persönlich

Von der kleinen Zahnschmiede zum digitalisierten Vor­zeigelabor – Lentz & Müller hat seit der Gründung im Jahr 1984 eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen. Das Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitern setzte früh…

WEPA – Verlässlichkeit und  Innovation für die Apothekenwelt

Interview mit Raphael de Sá Almeida, Leitung Marketing der WEPA APOTHEKENBEDARF GmbH & Co. KG

WEPA – Verlässlichkeit und Innovation für die Apothekenwelt

Die Apothekenwelt wandelt sich rasant: Digitalisierung, Versandhandel und neue gesetzliche Rahmenbedingungen fordern innovative Lösungen. Die WEPA APOTHEKENBEDARF GmbH & Co. KG ist seit über 140 Jahren ein verlässlicher Partner der…

Spannendes aus der Region Hamburg

Zukunftsorientierte Immobilienstrategien und Lösungen

Interview mit Dr. Kurt-Georg Herzog, Managing Director der STARGIME Deutschland GmbH

Zukunftsorientierte Immobilienstrategien und Lösungen

Die Immobilienbranche steht vor zahlreichen Herausforderungen, doch Dr. Kurt-Georg Herzog und sein Team der STARGIME Deutschland GmbH haben einen einzigartigen Ansatz gefunden, um diese zu meistern. Als Managing Director eines…

Sichere Schleusen: Kein Zugang für Würmer

Interview mit Dipl.-Inform. Till Dörges Geschäftsführer der PRESENSE Technologies GmbH

Sichere Schleusen: Kein Zugang für Würmer

Der digitale Fortschritt hat auch seine Schattenseiten. So finden über Schadprogramme Würmer und Viren oft Zugang in Unternehmensnetzwerke. Die PRESENSE Technologies GmbH mit Sitz in Hamburg sorgt in Behörden und…

Finanzpartner mit dem anderen Blick

Interview mit Simon Schach, Geschäftsführer Vertrieb der nordwest Factoring & Service GmbH

Finanzpartner mit dem anderen Blick

Die Aufträge brechen weg, aber die Forderungen laufen weiter. Ein Schreckensszenario für Unternehmen. Liquiditätsprobleme können verschiedene Gründe haben. Ein wichtiges Instrument um sie zu beheben, ist das Factoring, eine Finanzierungsform,…

Das könnte Sie auch interessieren

Was Maschinen können, beginnt beim Menschen

Interview mit Maximilian Schmidt, Geschäftsführer der Kiesel GmbH

Was Maschinen können, beginnt beim Menschen

Ob Glasfaserausbau, Großbaustellen oder Recyclingzentren – ohne leistungsfähige Maschinen kommt heute keine Infrastrukturmaßnahme mehr aus. Die Kiesel GmbH aus Baienfurt gilt als eines der führenden Familienunternehmen im Bereich Baumaschinenhandel und…

„Camping muss komfortabel sein!“

Interview mit Michael Krämer, Geschäftsführer der CAMPWERK GmbH

„Camping muss komfortabel sein!“

Camping war schon immer eine große Leidenschaft von Michael Krämer, aber die Produkte, die es auf dem Markt gab, haben ihm nie gefallen. Das wollte der ausgebildete Informatiker mit seinem…

Wie eine Käserei Agilität und Herkunft verbindet

Interview mit Sylvia Maria Schindecker, Geschäftsführerin der VÖCKLAKÄSEREI eGen

Wie eine Käserei Agilität und Herkunft verbindet

Tradition, Qualität und regionale Verbundenheit: Die VÖCKLAKÄSEREI eGen im oberösterreichischen Pöndorf zählt zu den letzten ihrer Art. Als genossenschaftlich organisierter Betrieb mit bäuerlichen Eigentümern steht sie für handwerkliche Käseherstellung aus…

TOP