Mit Herz, Hand und Haltung
Interview mit Jochen Saacke, Geschäftsführer der Höhenberger Biokiste GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Saacke, wie ist die Höhenberger Biokiste eigentlich entstanden?
Jochen Saacke: Aufgewachsen bin ich in München und habe Gartenbau studiert. Ende der 1990er-Jahre bin ich ich – mehr oder weniger durch Zufall – in der Lebensgemeinschaft Höhenberg gelandet, einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Dort habe ich die Gärtnerei mit aufgebaut. Schnell stellte sich die Frage: Wie vermarkten wir die Produkte? Ein anderer Betrieb in der Region hatte damals schon das Modell einer ‘Biokiste’ eingeführt. Als dieser nach München umzog, war das für uns die Gelegenheit, selbst damit zu starten. Daraus entstand 2001 die Höhenberger Biokiste GmbH. Das Besondere: Gesellschafter ist bis heute die Lebensgemeinschaft Höhenberg, also ein gemeinnütziger Verein. Wir arbeiten wirtschaftlich, aber die Gewinne fließen nicht an private Eigentümer, sondern in den Verein zurück. Dies übrigens auch nur in geringem Umfang. Für mich ist das stimmig – ich bin angestellt wie alle anderen und sehe mich als Teil einer Gemeinschaft, die einen gesellschaftlichen Auftrag erfüllt.
Wirtschaftsforum: Wie hat sich Ihr Unternehmen entwickelt?
Jochen Saacke: Über viele Jahre sind wir stetig gewachsen – jährlich um bis zu 20%. Mit Corona kam dann die Sonderkonjunktur: Weil wir kontaktlos liefern konnten, explodierte die Nachfrage. Innerhalb kürzester Zeit sind wir von 80 auf fast 150 Mitarbeitende gewachsen. Doch auf den Boom folgte die Ernüchterung: Mit dem Ende der Pandemie, steigenden Kosten durch Krieg und Energiekrise sowie wachsender Konkurrenz im Einzelhandel ist die Nachfrage stark zurückgegangen. Wir mussten uns wieder gesundschrumpfen und stehen heute mit fast 100 Mitarbeitenden da. Im Jahresschnitt beliefern wir wöchentlich 2.400 Kunden – im Winter sind es bis zu 2.800, im Sommer deutlich unter 2.000. Darunter sind auch über 300 Kindergärten und Schulen sowie ebenso viele Firmen. Umsatzmäßig liegen wir mit etwa 6 Millionen EUR im Lieferservice und 1,5 Millionen im Biomarkt zwar über dem Vor-Corona-Niveau, aber das ungebremste Wachstum ist vorbei. Diese Phase war nicht einfach, aber auch lehrreich. Wir haben gelernt, noch stärker auf Effizienz zu achten, Kosten zu senken und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren. Einige Veranstaltungen oder auch die Kochkurse haben wir eingestellt – sie waren schön, aber leider nicht wirtschaftlich. Entscheidend ist, dass wir unsere Stammkundschaft halten und unsere Strukturen zukunftsfähig bleiben.
Wirtschaftsforum: Viele Kunden fragen sich vielleicht, warum sie überhaupt eine Biokiste brauchen, wenn Bio inzwischen auch im Supermarkt zu finden ist. Welche Vorteile sehen Sie?
Jochen Saacke: Bio ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, und das ist im Grunde ein Erfolg der Bewegung. Aber es bedeutet auch, dass wir uns behaupten müssen. Unser Vorteil liegt in der Kombination: Wir garantieren 100% Bio nach höchsten Standards, arbeiten eng mit regionalen Erzeugern zusammen, liefern weitgehend unverpackt und bequem bis vor die Haustür – zuverlässig und ohne großen Aufwand. Der größte Vorteil ist die Kombination aus Bequemlichkeit, Qualität und Transparenz. In der Region arbeiten wir ausschließlich mit Erzeugern zusammen, die wir persönlich kennen. Und dies sind einige. Das gibt eine Sicherheit, die man im Supermarkt so nicht hat. Zudem achten wir streng auf höchste Bio-Standards wie Bioland oder Demeter und sparen durch unsere Mehrwegsysteme viel Verpackung ein. Wer eine Biokiste bestellt, bekommt also nicht nur gesunde Lebensmittel, sondern unterstützt gleichzeitig die regionale Landwirtschaft, kurze Transportwege und nachhaltige Strukturen. Bio bedeutet für uns nicht nur ‘ohne Chemie’, sondern einen ganzheitlichen Ansatz, der Boden, Tiere, Menschen und Umwelt einbezieht.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist die Inklusion. Bei uns arbeiten auch Menschen mit Behinderungen, zum Beispiel mit Down-Syndrom oder Epilepsie. Das ist für uns keine PR-Strategie, sondern gelebte Überzeugung. Es bringt Herausforderungen, aber vor allem eine große Bereicherung. Inklusion ist Teil unserer DNA.
Wirtschaftsforum: Wie sehen Sie die Zukunft der Höhenberger Biokiste?
Jochen Saacke: Ich rechne erst einmal nicht mit großem Umsatzwachstum. Wenn wir 2 bis 3% jährlich schaffen, ist das schon ein Erfolg. Unser Geschäftsmodell funktioniert, wenn wir effizient sind und unsere Kundschaft halten. Der Lebensmittelmarkt ist hart umkämpft, die Margen sind gering, und der Druck wächst. Aber wir haben etwas, was uns trägt: eine treue Stammkundschaft, die unsere Arbeit schätzt und uns teilweise sogar finanziell unterstützt – etwa über stille Beteiligungen. Das zeigt, dass wir mehr sind als ein Unternehmen. Wir sind ein gemeinsames ‘Projekt’ von Erzeugern, Mitarbeitenden und Kunden.
Wirtschaftsforum: Sie sind nunmehr seit fast 25 Jahren bei der Höhenberger Biokiste. Was motiviert Sie immer noch jeden Tag an Ihrer Arbeit?
Jochen Saacke: Mich persönlich motiviert genau das: Wir machen das nicht für uns allein. Wir machen es für die Region, für die Landwirtschaft, für die Menschen, die hier arbeiten, und für die Familien, die sich auf uns verlassen. Wenn wir das weiterführen können, bin ich zufrieden.