„Gebäudereiniger sind die Hidden Champions des öffentlichen Lebens“
Interview mit Dr. h.c. Felix Schmidt, Geschäftsführer der Herrmann & Schmidt Dienstleistungen GmbH & Co. KG, Vorstandsmitglied der Gebäudereiniger-Innung Südbayern und Stadtkreis Regensburg

„Wir arbeiten in einer der spannendsten Branchen, die es gibt“, fasst Felix Schmidt, Geschäftsführer der Herrmann & Schmidt Dienstleistungen GmbH & Co. KG, den Reiz seines Berufes zusammen: „Wir sind nicht nur dann in der Allianz-Arena und im Olympiapark, wenn alle Plätze restlos besetzt sind. Unsere Mitarbeiter kennen die Spielerkabinen der Bayern von innen und die Orchestergräben des Opernhauses kurz vor Veranstaltungsbeginn. Wir bewegen uns durch die unterirdischen Versorgungsbereiche der Großstadt und kommen deshalb im Alltag stets an Orte, zu denen der breiten Öffentlichkeit der Zutritt verwehrt bleibt.“
Gebäudereinigung ist Vertrauenssache
An diesen neuralgischen Stellen im Großraum München sorgen die MitarbeiterInnen von Herrmann & Schmidt dann für eine der Grundvoraussetzungen, die das öffentliche Leben, wie wir es kennen, überhaupt erst ermöglichen: Sauberkeit und Hygiene.
Insgesamt beschäftigt das Unternehmen über 1.000 Menschen, womit sich Herrmann & Schmidt noch als einer der kleineren Player in der Reinigungsbranche verortet. „Wir sind 1905 als klassischer Handwerksbetrieb gegründet worden und leben diesen Spirit auch in der nunmehr 4. Generation genauso wie am ersten Tag.“
Neben einigen Wahrzeichen Münchens stehen insbesondere Einrichtungen der öffentlichen Infrastruktur wie U-Bahnhöfe sowie Bürogebäude im Zentrum der Unternehmenstätigkeit: dort, wo Facility Management Vertrauenssache ist: „Ein Schreibtisch ist ein sensibler Bereich. Noch dazu finden die Reinigungsarbeiten fast immer dann statt, wenn niemand anderes zugegen ist. Der Kunde muss wissen, dass er beruhigt alles stehen und liegen lassen kann – und dass die abgerechneten Arbeiten auch stets zuverlässig erbracht werden“, so Felix Schmidt.
Eine Lanze für die Tarifautonomie
Um dieses Vertrauen konsequent gewährleisten zu können, ist eine persönliche Wertschätzung der Menschen, die diese sensiblen Tätigkeiten ausführen, unabdingbar. Hier sieht Felix Schmidt jedoch nicht nur gesellschaftlichen Handlungsbedarf, sondern will aus diesem Blickwinkel auch die Auswirkungen von mancher politischen Richtungsentscheidung hinterfragen: „In unserer Branche galt ein Tariflohn in Höhe von 11,55 EUR pro Stunde, der zum Januar 2024 auf 13,00 EUR gestiegen wäre. Diese Einigung war das einmütige Ergebnis eines Arbeitskampfes zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern, das den Interessen beider Parteien entsprach“, beschreibt Felix Schmidt die Ausgangssituation.
„Mit der Erhöhung des allgemeinen Mindestlohns sinkt allerdings der Lohnunterschied zwischen unseren ausgebildeten Reinigungskräften, die eine körperlich fordernde Tätigkeit ausüben, und Arbeitnehmern ohne entsprechende Ausbildung“, so Felix Schmidt weiter. „Ein gewisser Lohnabstand ist da nicht nur fair, sondern auch ein bedeutender ökonomischer Anreiz. Gerade in der Pandemie hat sich schließlich gezeigt, welche Tätigkeiten tatsächlich als systemrelevant gelten müssen und für unseren Alltag unabdingbar sind: Menschen, die für Sauberkeit und Hygiene verantwortlich zeichnen, zählen sicherlich dazu.“
Als notwendige Reaktion auf die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns um 22,20% innerhalb von 10 Monaten von 9,82 Euro auf 12,00 Euro zum 01.10.2022 haben sich die Gewerkschaft IG BAU und der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) Anfang Juni 2022 vorzeitig und freiwillig auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt, um den Abstand des tariflichen zum gesetzlichen Mindestlohn zu wahren. Dies sorgt in dem wettbewerbs- und personalintensiven Dienstleistungshandwerk für ausgewogene Rahmenbedingungen für Unternehmen und Beschäftigte. Der neue Mindestlohntarifvertrag beinhaltet eine Tarifanpassung der Lohngruppe1 (Einstiegslohn) in zwei Stufen ab dem 01.10.2022 bis 31.12.2024 auf 13 Euro (12,55%) und ab 2024 auf 13, 50 Euro (3,85%). Lohngruppe 6, die für die Glas- und Fassadenreinigung gilt, steigt von 14,81 Euro auf 16,20 Euro.