„Wir sind die Bank des kleinen Mannes“
Interview mit Maike Grüne, Geschäftsführerin der Grüne‘s Leihhäuser GmbH & Co. KG

Wirtschaftsforum: Frau Grüne, getreu Ihrem Unternehmensmotto ‘Ist das Geld mal knapp, gib ein Pfand bei Grüne ab’, betreiben Sie Deutschlands größtes Pfandleihhaus mit 21 Filialen in neun Städten. Wie sieht der Alltag in Ihren Geschäften aus?
Maike Grüne: Prinzipiell steht am Anfang der Kunde, der einen Pfandgegenstand zu uns bringt, welchen wir daraufhin taxieren, um zunächst den genauen Wert zu ermitteln. Bei Goldschmuck können wir beispielsweise mithilfe von Säure einen kleinen Abrieb einem chemischen Test unterziehen, um zu prüfen, ob es sich um Gold handelt. Anschließend sind Legierung, Gewicht und aktueller Goldkurs maßgeblich für die Höhe des Darlehens. Für Brillanten haben wir diverse Prüfgeräte, die wir für die Prüfung von Echtheit und zur Bestimmung des Wertes heranziehen können. Zudem erhalten die Mitarbeiter Schulungen zum Thema Brillantbewertung. Bei hochwertigen Elektronikgeräten wie Spielekonsolen und Smartphones können wir den aktuellen Handelswert des gebrauchten Produkts über das Internet ermitteln. Haben wir unserem Kunden einen entsprechenden Kredit gewährt, hat er sechs Monate Zeit, um sein Pfand auszulösen oder gegebenenfalls eine Verlängerung zu beantragen. Geschieht dies nicht, wird der Pfandgegenstand schließlich versteigert.
Wirtschaftsforum: Warum hinterlegen die Kunden lieber ein Pfand in Ihrem Leihhaus, als einfach ihren Dispokredit auszunutzen oder sich auf anderem Wege ein Darlehen zu beschaffen?
Maike Grüne: Der große Vorteil eines Pfandkredits liegt wahrscheinlich in dem schnellen, unbürokratischen Ablauf und der hohen Transparenz, mit der wir überzeugen können. Im Gegensatz zu einer Kreditverhandlung mit einer Bank muss der Kunde uns gegenüber weder seine privaten Finanzen offenlegen noch eine Schufa-Auskunft vorlegen oder sich dazu äußern, ob schon einmal sein Konto gepfändet wurde – all das interessiert uns nicht. In den allermeisten Fällen können wir dem Kunden innerhalb von wenigen Minuten ein faires Darlehen in bar anbieten und treten somit als die ‘Bank des kleinen Mannes’ auf. Noch dazu haftet dabei allein das Pfand – und nicht der Kunde mit seinem Privatvermögen. Gerät ein Kreditnehmer bei seiner Hausbank in Zahlungsrückstand, drohen ihm Pfändungsmaßnahmen oder im schlimmsten Fall gar ein Insolvenzverfahren. Wer sein Pfand bei uns nicht mehr auslöst, hat hingegen überhaupt nichts zu befürchten – und kann sich vielleicht sogar über eine kleine Zahlung freuen, wenn es bei der Versteigerung über Wert den Eigentümer wechselt, denn ein etwaiger Gewinn steht stets dem Pfandgeber zu.
Wirtschaftsforum: Wie hat sich dabei die Coronakrise auf Ihr Unternehmen ausgewirkt?
Maike Grüne: Da wir – genau wie eine Bank auch – die allgemeine Bevölkerung mit Bargeld versorgen, wurden wir glücklicherweise als systemrelevant eingestuft und konnten unsere Geschäftstätigkeit nahtlos fortsetzen. Gleichzeitig war jedoch klar zu spüren, dass der Bargeldbedarf der Privathaushalte aufgrund der fehlenden Ausgabemöglichkeiten spürbar nachließ: Man konnte ja nicht mehr ins Kino oder Restaurant gehen oder einen schönen Urlaub planen. Auch Mietzahlungen wurden gestundet, während die staatlichen Hilfspakete zahlreiche Nöte lindern konnten. Da die Menschen in vielen Fällen unterm Strich nun sogar mehr Geld zur Verfügung hatten als vor der Krise, wurden in dieser Zeit auch viele Pfänder wieder ausgelöst, weil gar keine Darlehen mehr benötigt wurden.
Wirtschaftsforum: Mittlerweile stehen die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten im Fokus der Aufmerksamkeit – hat sich das Kundenverhalten mit der grassierenden Inflation verändert?
Maike Grüne: Die steigenden Preise setzen tatsächlich viele Haushalte unter Druck. Noch dazu können wir erkennen, dass bestimmte Nachholeffekte einsetzen und die Menschen sich all das gönnen möchten, worauf sie während der Pandemie verzichten mussten: Viele haben Lust, etwas zu unternehmen, in den Urlaub zu fahren oder anderen Freizeitaktivitäten nachzugehen und sind bereit, dafür auch Geld auszugeben. Das merken wir im Tagesgeschäft auch an den vielen Neukunden, die zu uns kommen.
Wirtschaftsforum: Ist der Schritt ins Pfandleihhaus dabei für manchen Kunden auch mit einer gewissen persönlichen Hemmschwelle verbunden?
Maike Grüne: Das mag bisweilen der Fall sein, ist jedoch bei nüchterner Betrachtung völlig deplatziert. Wir sind ein ehrbares Unternehmen, unsere Branche wird vom Gesetzgeber streng reguliert, die Vorwürfe von Wucherzinsen gehen gänzlich an der Realität vorbei. Manche Menschen haben ein völlig falsches Bild von unserer Tätigkeit und wo das Wissen aufhört, fangen eben die Vorurteile an. Ein Pfand in einem Leihhaus abzugeben, ist genauso wenig ein persönliches Scheitern wie bei der Bank eine Hypothek aufzunehmen – und das tun schließlich die allermeisten Menschen in ihrem Leben ohne ein schlechtes Gewissen.