Dichtungen für jede dritte Sprühdose auf der Welt
Interview mit Kai-Uwe Rüde, Geschäftsführer der Globus Gummiwerke GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Rüde, seit über 100 Jahren stellt Ihr Unternehmen Gummiflachdichtungen für verschiedenste Industrieanwendungen her. Wie genau läuft Ihr Produktionsprozess heute ab?
Kai-Uwe Rüde: Nahezu all unsere Produktionsabläufe bestehen im Prinzip aus drei Schritten: Zunächst werden die Kautschukmischungen, die wir als Ausgangsprodukt beziehen, extrudiert, woraufhin der Werkstoff im Regelfall in Form von relativ instabilen Schläuchen vorliegt. In der folgenden Vulkanisation wird aus dem Kautschuk Gummi mit zusätzlicher Stabilität. Es folgt als letzter Produktionsschritt der passende Zuschnitt für das jeweilige Endprodukt. Bei sehr spezifischen Anwendungszwecken führen wir bisweilen noch weitere Maßnahmen durch, etwa Wärmebehandlungen oder Veredelungen.
Wirtschaftsforum: In welchen Branchen kommen Ihre fertigen Produkte schließlich zum Einsatz?
Kai-Uwe Rüde: Unser größter Markt ist sicherlich die Aerosolverpackung. Dort liefern wir die Dichtungen, die erforderlich sind, um den Deckel der Sprühdose mit dem eigentlichen Behältnis zu verschließen. Auf den Inhalt kommt es für unsere Zwecke dabei nicht sonderlich an: Wir liefern Dichtungen für Sprühdosen, in denen sowohl Kosmetika als auch Lebensmittel oder Farben und viele weitere Inhaltsstoffe verpackt werden. Diese breiten Anwendungsmöglichkeiten haben uns in diesem Segment eine beeindruckende Marktstellung ermöglicht: Wir fertigen zwischen 15 und 20 Millionen Aerosoldichtungen am Tag, und unser Produkt werden Sie ungefähr in jeder dritten Sprühdose auf der Welt finden.
Wirtschaftsforum: In welchen weiteren Branchen und Produkten finden Ihre Erzeugnisse Verwendung?
Kai-Uwe Rüde: Wir sind auch im Automotive-Sektor sehr präsent. Hier kommen unsere Produkte hauptsächlich in Öl- und Kraftstofffiltern zum Einsatz. Darüber hinaus fertigen wir eine Vielzahl von Deckeldichtungen, zum Beispiel für Kraftstoff- und Bremsflüssigkeitsdeckel – also überall dort, wo am Fahrzeug etwas fest verschlossen sein muss. Außerdem werden unsere Produkte in verschiedensten Industrieanwendungen verbaut: als Dichtungen für Pumpen in Heizungsanlagen, zur Abdichtung von Leitungsverbindungen oder als Federelemente in Landmaschinen.
Wirtschaftsforum: All diese Branchen – Aerosolverpackungen, Automotive und Industrieanlagen – sind großen technischen und regulatorischen Veränderungen unterworfen. Wie stark ist Ihr Unternehmen davon betroffen?
Kai-Uwe Rüde: Wir dürfen natürlich nicht ignorieren, welche Veränderungen heute bei uns stattfinden. Tatsächlich sind wir in manchen Bereichen tätig, die morgen in dieser Form nicht mehr bestehen werden. Bei reinen Elektrofahrzeugen wird beispielsweise keine Dichtung für Kraftstoffbehälter mehr erforderlich sein. Trotzdem wird uns der Verbrennungsmotor noch viele Jahrzehnte im After Market-Bereich begleiten – selbst in diesem Segment sehen wir also keine unmittelbaren dramatischen Veränderungen für unsere Geschäftstätigkeit.
Wirtschaftsforum: In seiner mehr als 100-jährigen Geschichte hat Ihr Unternehmen auch schwere Zeiten durchgemacht – etwa 2007, als nach langem Investitionsstau kein optimaler Produktionsfluss mehr gewährleistet war. Wie hat die Globus Gummiwerke GmbH wieder den Anschluss an den Markt gefunden?
Kai-Uwe Rüde: Wir haben im Jahr 2012 ein neues Fertigungsgebäude errichtet, wodurch ganz andere Prozessflüsse möglich wurden, die in den alten Werkshallen undenkbar waren. Außerdem haben wir uns intensiv mit unserer Unternehmenskultur auseinandergesetzt und uns entschlossen, den Menschen in unserem Unternehmen viel stärker ins Zentrum zu rücken. Dieser Kulturwandel hat uns in der Geschäftsleitung wie in der Belegschaft gestärkt und ich bin stolz, die positiven Änderungen täglich spüren zu können.
Wirtschaftsforum: Welche Rahmenbedingungen wünschen Sie sich von der Politik?
Kai-Uwe Rüde: Es wäre niemandem geholfen, wenn wir in Deutschland den ohnehin teuren Strom noch teurer machen und dadurch die Fertigungsindustrie noch stärker belasten. Dadurch würden die Betriebe nur in Länder abwandern, in denen die Umweltbedingungen heute schon schlechter sind als hierzulande und der Wirtschaftsstandort Deutschland würde nachhaltig beschädigt werden. Ich wünsche mir deshalb mehr Abstand und Ruhe bei manchen wirtschaftspolitischen Entscheidungen.