Und plötzlich steht Manuel Neuer im Wohnzimmer
Interview mit Robin Sho Moser, Co-Gründer und Geschäftsführer von eyecandylab

Wirtschaftsforum: Worin unterscheiden sich Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR)?
Robin Sho Moser: Während sich der Nutzer bei Virtual Reality in einer komplett virtuellen Umgebung befindet, geht es bei Augmented Reality um die Anreicherung der realen Umgebung mit digitalen Elementen. Bei Virtual Reality kann sich der Nutzer in eine komplett virtuelle Umgebung begeben. So kann er sich mit Hilfe einer entsprechenden Brille zum Beispiel auf eine ferne Insel, auf die Bühne eines Musikfestivals oder in die erste Reihe eines Basketballspiels "beamen". Bei Augmented Reality steht vor allem der Nutzen im Vordergrund. Dabei sehen wir zum Beispiel im industriellen Sektor bereits viele Anwendungsfelder. So nutzen Fachkräfte an Fertigungsstraßen AR, um die richtigen Teile zum Verbauen schneller zu identifizieren oder im Bereich Wartung, um aus der Entfernung Prognosen an den Mitarbeiter weiter zu geben.
Wirtschaftsforum: Wie lässt sich AR in das eigene Wohnzimmer holen?
Robin Sho Moser: Eine Möglichkeit ist, eine der zahlreichen AR Apps aus dem App Store zu laden und über das eigene Smartphone oder Tablet zu erleben. Momentan sind es vor allem Spiele, die in AR angeboten werden. Pokémon Go ist ein Beispiel dafür. Es sind auch Anwendungen im Bereich der Alltagshelfer zu finden. So erlaubt Apples Messwerkzeug, die „Maßband-App“, das Abmessen von realen Objekten wie etwa eines Koffers oder gar eines Raumes mit einem virtuellen AR-Maßband.

„TV war über viele Jahrzehnte hinweg ein passives Medium, welches den Zuschauer zum Zurücklehnen eingeladen hat.“ Robin Sho Moser
Wirtschaftsforum: Welche Vorteile bieten AR-Inhalte und wie verbessern sie das TV-Erlebnis?
Robin Sho Moser: Für uns Menschen ist Video ein Medium mit einer hohen Informationsdichte. Dennoch gibt es viele Informationen und Daten, die zum Beispiel während einer Sendung nicht über das Bewegtbild oder die Tonspur übermittelt werden können. TV war über viele Jahrzehnte hinweg ein passives Medium, welches den Zuschauer zum Zurücklehnen ("lean back") eingeladen hat. Mit Streaming-Diensten wie Netflix und einer immer stärker anwachsenden Interaktivität wird der Zuschauer immer stärker zur aktiven Teilnahme, dem sogenannten "lean forward", abgeleitet von der Körperhaltung, eingeladen. AR ist als aufstrebende Technologie zur Anreicherung unseres Alltags bestens dafür geeignet.
Wirtschaftsforum: Welche Inhalte lassen sich mit AR darstellen und wie entwickeln Sie diese?
Robin Sho Moser: Denkt man zum Beispiel an ein Fußballspiel, so können viele der Daten und Statistiken nicht permanent auf dem TV eingeblendet werden. Mit AR jedoch lassen sich diese um den TV herum anordnen und intuitiv überblicken. Ebenso sind komplett neue Interaktionen wie Spielerhologramme im heimischen Wohnzimmer denkbar. So kann man sich dann zum Beispiel Manuel Neuer in realer Größe neben dem TV anzeigen lassen.
Für den Bereich des Commerce entwickeln wir aktuell für einen Kunden aus Asien ein AR Shopping Interface. Das ermöglicht es, während einer Home-Shopping-Sendung einen Artikel im 3D-Raum anzuzeigen, während es im TV vorgestellt wird. Man kann den Artikel direkt vor sich auf dem Tisch "abstellen", in allen Details ansehen und dann anschließend direkt über das Smartphone kaufen. Damit lässt sich der gesamte Bestellprozess sehr vereinfachen.
Die Inhalte werden von unseren Kunden erstellt. Wir haben hierfür ein Development Kit für die Gaming-Plattform "Unity" entwickelt, welches jedem Entwickler dieser Plattform die Möglichkeit gibt, die "AR-Schicht" für den entsprechenden Videoinhalt selbst zu entwickeln.
„Die großen Konzerne wie Apple und Google tun aktuell alles dafür, AR bereits heute einem breiten Publikum zuverlässig und in ansprechender Weise zugänglich zu machen.“ Robin Sho Moser

Wirtschaftsforum: Welches Equipment benötigen Nutzer, um Ihre AR-Funktionen vollständig nutzen zu können?
Robin Sho Moser: Nichts, was man nicht ohnehin schon besitzt: Ein Smartphone oder Tablet. Wir konzentrieren uns dabei auf bereits bestehende Infrastruktur. In Zukunft wollen wir unsere Technologie auf Glasses wie etwa Magic Leap oder andere Brillen bringen, hier warten wir jedoch ab bis der Markt reif genug ist und bei den Konsumenten Geräte in ausreichender Stückzahl vorhanden sind. Die großen Konzerne wie Apple und Google tun aktuell alles dafür, AR bereits heute einem breiten Publikum zuverlässig und in ansprechender Weise zugänglich zu machen. Dementsprechend werden wir uns vorerst auf den Markt Smartphone und Tablets konzentrieren. Dennoch passiert momentan sehr viel: erst kürzlich wurde prognostiziert, dass Apple mit einer Brille ab 2020 an den Markt gehen wird.
Wirtschaftsforum: Mit Galileo auf Pro7 konnten Sie Ihr erstes AR-Projekt in Deutschland realisieren. Ist das der erste Schritt in Richtung Zukunft, den auch anderen Medien machen können?
Robin Sho Moser: Absolut! Wir haben bereits in den USA mit Nickelodeon gelauncht und sind dabei in Asien den Home Shopping Case auszurollen. Wir sehen international starkes Interesse an unserer Technologie aus dem Bereich der Medien Networks und zusätzlich von Seiten der Mobilfunkbetreiber und Kabelnetzen. Die bevorstehende 5G Technologie gibt unseren Kunden viele neue Möglichkeiten, um sich breiter aufzustellen, neue Services anzubieten und entsprechend auch damit Geld zu verdienen. Wir freuen uns, bereits mit SoftBank einen starken Partner im japanischen Markt gefunden zu haben.
Wirtschaftsforum: Welches TV- oder sogar Kinoprojekt würden Sie gerne einmal mit AR-Inhalten ausarbeiten?
Robin Sho Moser: Für uns ist aktuell der Bereich Sport sehr spannend! Die Olympischen Sommerspiele 2020 mit AR zu ermöglichen oder die EM 2020 interaktiv erlebbar zu machen, wäre ein Ziel!
Interview: Vera Gaidies | Fotos: eyecandylab