Wie präzise Oberflächen für bessere Leistung sorgen

Interview mit Werner Berlage, Global Human Resources Director der Extrude Hone GmbH Andreas Wolfrat, Geschäftsführer Europa der Extrude Hone GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Wolfrat, Herr Berlage, die Extrude Hone GmbH wurde 1960 gegründet und gehört seit 2015 zu Madison Industries. Was waren die wichtigsten Entwicklungsschritte in dieser Zeit?

Andreas Wolfrat: Extrude Hone ist mittlerweile eine international tätige Unternehmensgruppe mit Schwestergesellschaften in den USA, Asien und Europa. Sehen Sie es mir nach, wenn ich manchmal aus der Sicht der europäischen Märkte spreche, für die ich primär verantwortlich bin. Die Wurzeln unseres Unternehmens liegen in den USA. Hier haben wir 1960 mit Druckfließläppmaschinen zum Polieren, Verrunden und Entgraten angefangen. 1974 haben wir den Vertrieb und Service mit dieser Technologie weltweit ausgebaut. Ein Jahr später kamen dann Maschinen für die elektrochemische Oberflächenbearbeitung hinzu. Ein Quantensprung war die Übernahme von Teilen des Geschäftsbereiches thermisches Entgraten von Bosch im Jahr 2002. Bevor wir 2015 von Madison Industries übernommen wurden, haben wir einige Jahre zu dem amerikanischen Werkzeughersteller Kennametal gehört. Madison Industries ist ein Mischkonzern mit Sitz in Chicago und vier großen Geschäftsbereichen: Filtration, Medical, Safety und Industry. Wir gehören zum Bereich Industrielösungen. Wir sind in die Gruppe integriert, agieren aber komplett unabhängig. Seitdem haben wir uns kontinuierlich weiterentwickelt und weiteres Wachstum erzielt.

Wirtschaftsforum: Welche Lösungen für die Oberflächenbearbeitung bieten Sie insgesamt an, um die Leistung der Endprodukte ihrer Kunden zu steigern?

Werner Berlage: Wir haben drei Säulen, für die wir Maschinen und Werkzeuge produzieren: Druckfließläppen, elektrochemische Bearbeitung und thermisches Entgraten. Es gibt keine andere Firma, die alle drei Technologien unter einem Dach vereint. Darüber hinaus bieten wir Lohnbearbeitung an, das macht sonst auch kaum einer.

Andreas Wolfrat: In den Bereichen Druckfließläppen und thermisches Entgraten sind wir Marktführer, im Segment elektrochemische Bearbeitung Nummer 2. In vielen Bereichen sind wir technologisch führend. Wir bieten Druckfließläppmaschinen mit kurzen Zykluszeiten und geringem Mediumverbrauch, die sich durch sehr hohe Produktivität auszeichnen. Bei Maschinen für die elektrochemische Bearbeitung gibt es hervorragende Lösungen für passende Werkzeuge, und im Bereich thermisches Entgraten decken wir die gesamte Bandbreite der Anforderungen ab, von kompakten Lösungen für kleine Bearbeitungsvolumina bis zu großen Maschinen mit maximaler Kapazität. Wir entwickeln viele Maschinen in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden und verstehen uns als Lösungspartner für deren technische Probleme. Unsere Kunden profitieren von unseren Lösungen durch reduzierte Reibung, Verschleiß und Geräusche in Getrieben, minimierte Oberflächenspannungen, längere Lebensdauer von Bauteilen und viele andere Vorteile.

Wirtschaftsforum: Können Sie Beispiele nennen, wie die Technologien bei Kunden eingesetzt werden?

Andreas Wolfrat: Wir beliefern alle führenden Autohersteller weltweit, alle führenden Hersteller im Bereich Baumaschinen, viele Zulieferer, Medizintechnikhersteller und die Luftfahrtindustrie. Für einen großen Kunden haben wir zum Beispiel Maschinen für die elektrochemische Bearbeitung von Komponenten für Elektromotoren entwickelt und gebaut. Die Maschinen werden jetzt in Südkorea betrieben. Für einen anderen großen Kunden aus dem Halbleiterbereich mit Hauptsitz in Israel und Produktion in Thailand haben wir Druckfließläppmaschinen entwickelt, die einen komplett neuen Prozess für die Bearbeitung eines komplexen Semiconductor-Teils nutzen. Ein anderer Kunde erweitert zurzeit seine US-Getriebeproduktion für Klein-Lkw. Alle Werkzeuge und Maschinen wurden zuerst in Deutschland konstruiert und gefertigt und anschließend in den USA in Betrieb genommen.

Wirtschaftsforum: Das heißt, Sie sind weltweit unterwegs?

Werner Berlage: Ja, wir haben Kunden in ganz Europa, in Nord- und Südamerika sowie in Asien. Die wichtigsten Märkte sind nach wie vor in UK, Frankreich, Italien, Deutschland, USA und China. Wir sehen über die nächsten Jahre aber ein stärkeres Wachstum in Asien.

Wirtschaftsforum: Leisten Sie auch weltweit Unterstützung bei technischen Problemen?

Andreas Wolfrat: Eine effiziente globale Vernetzung gehört zu unseren wichtigsten Merkmalen. Wir sind sehr breit aufgestellt und unterhalten ein globales Servicenetz. Wir bieten einen schnellen Ersatzteilservice und technischen Support weltweit.

Wirtschaftsforum: Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit für Sie?

Andreas Wolfrat: Wir achten auf die Erfüllung der Energiebilanz und reduzieren laufend unseren Fußabdruck. Im Bereich thermisches Entgraten haben wir jetzt zum Beispiel eine Maschine entwickelt, die 30% weniger Energie verbraucht. Für unsere Kunden ist das noch nicht so relevant, für die sind hauptsächlich die Kosten pro bearbeitetem Teil bedeutsam.

Wirtschaftsforum: Und das Thema Digitalisierung?

Andreas Wolfrat: Digitalisierung ist ein umfassendes Thema. Ich würde hier mal Bereiche nennen: Digitale Lösungsangebote und digitale Zusammenarbeit im Unternehmen. Im Unternehmen nutzen wir seit Jahren Microsoft Teams und haben Vor-Ort-Termine deutlich reduziert sowie einheitliche Möglichkeiten des Datenaustausches geschaffen. Darüber hinaus sind unsere Mitarbeiter:innen international deutlich besser im Kontakt. Im Bereich digitaler Lösungsangebote muss man sagen, dass viele unserer Kunden nur wenige digitale Lösungen nachfragen, Automatisierungstechnik ausgenommen.Wir investieren jedoch in Technologien, um vorausschauende Wartung anbieten zu können, bevor eine Maschine ausfällt. Standardmäßig nutzen wir natürlich Fernwartungstools von unserem Standort in Deutschland, sonst könnten wir weltweit keinen Service machen.

Wirtschaftsforum: Inwieweit sind Sie vom zunehmenden Fachkräftemangel betroffen?

Werner Berlage: Das ist immer mehr ein Thema. Es gibt überall weniger Bewerber:innen und die haben jedoch oft hohe Ansprüche. Wir versuchen aber, mit unseren Mitteln gegenzusteuern: Bei einem Unternehmen unserer Größe kann man direkt etwas beeinflussen, wir haben kurze Entscheidungswege und unsere Mitarbeiter decken in der Regel ein breites Aufgabengebiet ab, sodass man sich fachlich voll entfalten kann. Das schätzen viele Mitarbeiter:innen. Ein marktgerechtes Gehalt, Kantine, Jobrad, Fortbildungsmöglichkeiten, flexible Elternzeiten und eine betriebliche Altersvorsorge sind heute selbstverständlich. Im Bereich der Altersvorsorge bieten wir überdurchschnittliche Zuschüsse an, zusätzlich noch eine Berufsunfähigkeitsversicherung ohne Gesundheitsprüfung. Das wird nicht überall angeboten. Hinzugekommen ist nun noch die Möglichkeit flexibel mobil arbeiten zu können. Außerdem haben wir ein internes Weiterbildungsprogramm initiiert, damit sich die Kollegen:innen auch auf internationaler Ebene zu fachlichen Fragen austauschen und voneinander profitieren können. Für viele Mitarbeiter:innen ist es auch ein Plus, im grünen Allgäu mit hoher Lebensqualität zu wohnen und doch international arbeiten zu können.

Wirtschaftsforum: Hat sich die Coronakrise negativ auf Ihr Geschäft ausgewirkt?

Andreas Wolfrat: Dank unseres breiten Spektrums an Anwendungen und Kunden sind wir bisher gut durch diese Zeit gekommen.

Wirtschaftsforum: Welche Ziele haben Sie für das laufende Jahr und darüber hinaus?

Andreas Wolfrat: Wir wollen neue Märkte entwickeln, vor allem außerhalb des Automobilbereichs, auf Basis unserer technischen Lösungen in allen Regionen neue Zugänge zum Markt suchen und strategisch überlegen, wie wir uns noch stärker vom Wettbewerb abgrenzen können, um unser langfristiges Wachstum zu sichern. Wir wollen noch unabhängiger vom Automobilsektor werden als heute. Interessant ist zum Beispiel der Wachstumsmarkt Medizintechnik. Der Bereich elektrochemische Bearbeitung wird wahrscheinlich zurückgehen, der hat sein Zuhause im Verbrennungsmotor. Dafür werden die anderen Technologien zunehmen. In drei Jahren streben wir 5 bis 6% Umsatzwachstum an.

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