Wie die Energiewende in Südhessen gestaltet wird

Interview mit Dipl.-Kfr. Ines Schultze und Dipl.-Ing. Holger Klein, Vorstände der e-netz Südhessen AG

Wirtschaftsforum: Frau Schultze, Herr Klein, Sie leiten die e-netz Südhessen AG im Team. Wie haben Sie sich die Aufgaben aufgeteilt?

Ines Schultze: Wir arbeiten ressortübergreifend und treffen wichtige Entscheidungen gemeinsam. Ich bin hauptsächlich für den wirtschaftlichen Part verantwortlich: Netzwirtschaft, Regulierung, IT, Netzentwicklung und -strategie und das Konzessionsmanagement. Außerdem betreue ich weiteres kommunales Infrastrukturgeschäft wie zum Beispiel die Baulandentwicklung.

Holger Klein: Ich bin der Ingenieur im Team und verantwortlich für Planung, Bau und Betrieb der Netze, aber auch für den Netzkundenservice beziehungsweise Netzanschlüsse. Letzteres gewinnt im Zuge der zunehmenden Integration von Energieerzeugungsanlagen und durch die Anbindung an Wärmepumpen und Ladeeinrichtungen mehr und mehr an Bedeutung.

Wirtschaftsforum: Vor drei bis vier Jahren war die e-netz Südhessen noch eher eine operative Gesellschaft für Netzinfrastruktur, dann haben Sie das Unternehmen zu einer großen Netzgesellschaft umgestaltet und Assets und Betrieb zusammengeführt.

Ines Schultze: Das war ein strategisch wichtiger Schritt. Wir haben früh damit begonnen, auf die gesetzlichen Anforderungen der Energiewende zu reagieren und haben eine große Reorganisation durchgeführt. Dabei haben wir die wichtige Rolle des Asset Owners und die wesentlichen Aufgaben Netzstrategie, Asset Management, Netzbetrieb und Netzkundenservice ausgeprägt. Elementar war auch die Entscheidung, den Betrieb von Strom und Erdgas voneinander zu trennen – vor dem Hintergrund, dass die Netze sich unterschiedlich entwickeln. Damit ist unsere Organisation fit für den Umbau der Stromnetze in der Region. So ebnen wir über 50 Konzessionskommunen den Weg in die Energiewende. Die Wärmeerzeugung in vielen kleineren Kommunen wird zukünftig in erster Linie strombasiert sein. Aus diesem Grund haben wir eine Zielnetzplanung für die Nieder- und Mittelspannungsebene entwickelt. Daraus leiten wir kommunenindividuelle Investitionspläne ab.

Holger Klein: Die Weichen dafür haben wir früh gestellt. Der Umbau der Stromnetze erfordert ein hohes Finanzvolumen. Dieses müssen wir zielgerichtet einsetzen, um die Energiewende zu stemmen. Deswegen haben wir unser Asset Management komplett neu aufgesetzt und die Rollen darin geschärft. Unser Konzept wird nach DIN ISO 55001 zertifiziert. Somit haben wir ein Instrument geschaffen, Maßnahmen optimal bedarfsgerecht umzusetzen.

Wirtschaftsforum: Sie haben mehr als 100 Auszubildende. Wie wichtig ist die eigene Ausbildung für Sie?

Ines Schultze: Wir bilden intensiv konzernweit aus, im Wesentlichen für den Netzbetrieb. Aktuell haben wir 118 Auszubildende im Unternehmen. Wir setzen ganz klar auf den eigenen Nachwuchs, um unser Know-how zu sichern. Dies hat sich bewährt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung. Seit Beginn des Jahres haben wir zudem ein neues Tarifsystem, das mehr Flexibilität ermöglicht. Außerdem pflegen wir engen Kontakt zu verschiedenen Universitäten. Werkstudenten erhalten so die Möglichkeit, die interessanten neuen Aufgaben eines Netzbetreibers kennenzulernen. Sie arbeiten an der Umsetzung strategischer Aufgaben, an der Zielnetzplanung oder an der Digitalisierung der Niederspannung mit. Nach abgeschlossenem Studium wollen wir sie übernehmen. Wir präsentieren uns als attraktiver Arbeitgeber.

Holger Klein: Mittlerweile schätzen die Mitarbeitenden nicht nur die Krisensicherheit, die ein Netzbetreiber bietet. Die Energiewende macht uns zusätzlich attraktiv, denn wir geben die Chance, sie aktiv mitzugestalten. Auch der Teamgedanke spielt eine wichtige Rolle bei uns. Über verschiedene Formate setzen wir Impulse und kommen abteilungsübergreifend regelmäßig zusammen, zum Beispiel beim Kollegen-Speed-Dating. Das fördert das Miteinander und macht uns schneller und effizienter.

Wirtschaftsforum: Wie beurteilen Sie die Energiepolitik der Regierung?

Ines Schultze: Was die Politik vorhat, ist grundsätzlich wichtig für die Zukunft. Als regionaler Verteilnetzbetreiber sind wir in der Verantwortung, die Infrastruktur für den Rhein-Main-Neckar-Raum zu schaffen und den Umbau der Netze voranzutreiben. Wir gehen dabei immer in Vorkonzeption und müssen mögliche Bedarfe frühzeitig erkennen, um liefern zu können, sobald diese Bedarfe konkret werden. Das bedeutet, dass wir auch finanziell in Vorleistung gehen. Aus diesem Grund benötigen wir eine Energiepolitik mit einem zukunftsgerichteten regulatorischen Rahmen für Netzentgelte. Derzeit basieren die Netzentgelte leider immer noch auf der Vergangenheit. Sie orientieren sich nicht an dem Bedarf der Zukunft. Das erschwert den Umbau der Stromnetze.

Holger Klein: Positiv erwähnt werden muss die Politik der Bundesregierung in Bezug auf die Erdgasmangellage. Hier hat man den richtigen Kurs eingeschlagen, in Form von Flüssiggasimporten eine schnelle Reaktion gezeigt und die drohende Mangellage in den Griff bekommen. So konnten wir wiederum in den Gesprächen mit unseren Industriekunden frühzeitig Entwarnung signalisieren. Die Industrie ist stark abhängig von der Versorgung mit Erdgas und wäre von einem Versorgungsstopp stark getroffen worden. Die Kommunikation hat gut funktioniert.

Wirtschaftsforum: Welche Schwerpunkte setzen Sie im aktuellen Jahr?

Ines Schultze: Ein wichtiger Schwerpunkt ist die Digitalisierung der Stromnetze. In diesem Zuge schaffen wir die Instrumente für die Umsetzung des neuen § 14a im Energiewirtschaftsgesetz. Er ermöglicht Netzbetreibern die Steuerung von Verbrauchseinrichtungen wie Wärmepumpen und privaten Ladepunkten für E-Mobilität im Bedarfsfall, um Überlastungen im Netz zu vermeiden. Dabei werden wir auch unser eigenes 450-Megahertz-Funknetz lösungsorientiert einsetzen.

Holger Klein: § 14a EnWG ist eine Herausforderung. Die Betreiber hatten bislang keinen Grund, die Niederspannungsnetze zu beobachten. Jetzt müssen wir die Energieflüsse genau verstehen, brauchen detaillierte Messungen, um Lastspitzen zu erkennen. Das ist die Voraussetzung, um steuerbare Verbrauchseinrichtungen bedarfsgerecht zu dimmen. Das ist eine große Aufgabe, der sich Netzbetreiber in ganz Deutschland zu stellen haben.

Wirtschaftsforum: Und langfristig?

Ines Schultze: Wir werden vor allem den Umbau der Stromnetze für jede Kommune in unserem Netzgebiet bewältigen, was massive Investitionen in die Region erfordert. Wir haben bereits Investitionspläne bis zum Jahr 2045 erstellt. Damit erfüllen wir den Auftrag, den wir im Rahmen der Konzessionsverträge von den Kommunen erhalten haben, und verfolgen darüber hinaus unseren ganzheitlichen Ansatz weiter: Wir stehen unseren kommunalen Partnern als Dienstleister für Baulandentwicklung, kommunale Wärmeplanung und Straßenbeleuchtung zur Verfügung.

Holger Klein: Eher mittelfristig als langfristig werden wir auch Wasserstoffnetzbetreiber werden und planen den Aufbau einer bedarfsgerechten Infrastruktur – für die Industrie und für die Wärmeversorgung. Überall da, wo es Sinn ergibt, werden wir alle Möglichkeiten prüfen, das bestehende Erdgasnetz zu transformieren.

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