Damit sicher wirklich sicher ist
Interview mit Achim Hetterich, Geschäftsführer der DEKRA Incos GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Hetterich, Sie sind Geschäftsführer der DEKRA Incos GmbH, der DEKRA Visatec GmbH sowie Vorstand der DGZfP, der Deutschen Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfung. Woher kommt diese Spezialisierung auf die Materialprüfung?
Achim Hetterich: Ich brenne für das Thema. DEKRA steht für Sicherheit. Jeden Tag sorgen wir mit zerstörenden, vor allem aber zerstörungsfreien Prüfungen für Sicherheit in Industriebetrieben, indem wir feststellen, ob Bauteile, Schweißnähte oder Industrieanlagen sicher sind. Kein Tag gleicht dem anderen, jede Anlage ist anders. Das macht unsere Arbeit so abwechslungsreich.
Wirtschaftsforum: Können Sie Beispiele nennen?
Achim Hetterich: Wir prüfen zum Beispiel bei einer LNG-Pipeline, ob die Werkstoffe wasserstofftauglich sind. Für eine geplante Umstellung von Flüssiggas auf Wasserstoff ist diese Prüfung von zentraler Bedeutung, weil die Werkstoffe andere Parameter erfüllen müssen. Auch in Kraftwerken oder Chemiewerken werden Rohrleitungen geschweißt; hier überwachen wir den gesamten Fertigungsprozess.
Wirtschaftsforum: Für welche Kunden sind die Prüfungen interessant?
Achim Hetterich: Wir arbeiten für Raffineriebetreiber, die Luftfahrtindustrie, den Behälterbau, Stadtwerke, die Deutsche Bahn, RWE, Preußen Elektra und viele andere. Für die Deutsche Bahn übernehmen wir die Fertigungsüberwachung für neue Fahrzeuge; ein Zukunftsprojekt im Braunkohletageabbau sieht in den nächsten 50 Jahren die Flutung der Tagebaugebiete mit Rheinwasser vor, das durch große Wasserpipelines transportiert wird. Überall dort, wo es hohe Drücke oder Medien mit Gefahrenpotenzial gibt, wird intensiv geprüft. Voraussetzung für die Prüfung ist die Akkreditierung durch die Deutsche Akkreditierungsstelle (DAKKS).
Wirtschaftsforum: Die DEKRA Incos ist in Ingolstadt ansässig und arbeitet für international agierende Unternehmen. Wo liegen geografisch die Kernmärkte?
Achim Hetterich: Aufgrund der DEKRA-Regionalstruktur ist Deutschland unser Kernmarkt. Wir haben Schwestergesellschaften in Frankreich, Schweden und anderen Ländern mit ähnlichem Portfolio. Aber wir gehen mit unseren Kunden mit. Für Siemens Energy haben wir Prüfeinsätze in Marokko, auf den Philippinen und in Israel absolviert, für die Deutsche Bahn arbeiten wir derzeit in der Schweiz, in Finnland haben wir ein Projekt im Kernkraftwerk Olkiluoto.
Wirtschaftsforum: DEKRA Incos prüft Kernkraftwerke, Braunkohletagebaue und Flüssiggasterminals. Wie sieht für Sie die ideale Energieversorgung aus?
Achim Hetterich: Ich bin davon überzeugt, dass die Vielfalt entscheidend ist; wir müssten stärker diversifizieren. Statt Braunkohlekraftwerke übergangsweise weiterlaufen zu lassen, bezieht Deutschland umstrittenes Frackinggas aus den USA. Kernkraftwerke wurden abgeschaltet, dafür kaufen wir Atomstrom aus Frankreich, Tschechien, Polen oder Ungarn. Kernenergie wird ja sehr kontrovers in Deutschland diskutiert.
Ich glaube, der Mix machts; wir brauchen den Dreiklang aus Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit. Jeder Energieträger hat seine physikalischen Vor- und Nachteile, die man so kombinieren muss, dass Versorgungssicherheit und Kosten in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.
Wirtschaftsforum: DEKRA beschäftigt in Deutschland 14.000 Mitarbeiter, DEKRA Incos und Visatec zusammen 330; der Umsatz liegt bei 41 Millionen EUR. Wo sehen Sie die Stärken des Unternehmens?
Achim Hetterich: Ganz klar in unseren erfahrenen Fachkräften, auch wenn diese schwer zu bekommen und zu halten sind. Zudem stehen wir für gute Prozesse. Als akkreditiertes Prüflabor müssen wir uns strikt an Normen und Regeln halten, um vernünftige Bewertungen sicherzustellen. Nicht zuletzt arbeiten wir mit modernem Prüfequipment.
Wirtschaftsforum: Mitarbeiter sind schwer zu finden. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Zukunft?
Achim Hetterich: Die größte Herausforderung ist tatsächlich der Fachkräftemangel; wir setzen daher konsequent auf Aus- und Weiterbildung. Ein weiteres Thema ist die Digitalisierung, auch, um den Personalrückgang abfedern zu können. Bei uns spielt allerdings Handarbeit nach wie vor eine große Rolle, deshalb können wir in bestimmten Bereichen nicht automatisieren. Denkbar wäre aber eine Automatisierung bei der Auswertung von Röntgenaufnahmen, auch wenn die finale Entscheidung, auch aus Haftungsgründen, immer der Prüfer treffen wird. Als dritte große Herausforderung sehe ich das Thema Informationssicherheit. Wir arbeiten zum Teil mit hochradioaktiven Quellen, die besonders gesichert werden müssen. Seit dem Krieg in der Ukraine spüren wir, dass wir heftiger attackiert werden, auch wenn es bisher keine größeren Ausfälle gab. Aber wir brauchen alle ein großes zertifiziertes Informationssicherheitsmanagementsystem; das wird ein Investitionsschwerpunkt der nächsten Jahre sein.