Gehirn trifft auf künstliche Intelligenz
Interview mit Dr. Jörn Rickert, CEO und Gründer der CorTec GmbH


Wirtschaftsforum: Herr Rickert, bitte erklären Sie einmal genau, was für eine Art von Lösungen Sie entwickeln.
Dr. Jörn Rickert: Auf der Basis unserer Closed-Loop-Brain-Interchange-Plattform-Technologie entwickeln und produzieren wir Komponenten wie zum Beispiel Elektroden, Kapselungen oder aktive implantierbare Systeme, die die neuronalen Informationen des menschlichen Körpers in Kontrollsignale für therapeutische Anwendungen übersetzen.
Wirtschaftsforum: Was unterscheidet die CorTec-Lösung von denen anderer Anbieter?
Dr. Jörn Rickert: Unsere Brain Interchange-Technologie ermöglicht die Verbindung von Gehirn und Nerven mit moderner Informationstechnologie. So werden neue und wirksamere Therapien möglich. Dazu ist die Technologie höher auflösend, ermöglicht es also, genauere Informationen auszulesen und präziser zu stimulieren. Dies ist eine ganz neue Generation an Implantaten, die sich besser individualisieren lassen. Wir waren eine der ersten Firmen, die im Bereich Neurotechnologie und Gehirn-Computerschnittstellen gegründet wurden. Hier sind wir einer der Technologieführer. Als Beispiel: Elon Musk hat in den USA Neuralink gegründet, für die Verbindung des menschlichen Gehirns mit Computern. Wir sind einen Schritt weiter – da unsere Technik bereits ausführlich getestet und die Produktion aufgebaut wurde. Aktuell haben wir eine Kooperation mit einem weiteren Technologieführer am Markt, mit Blackrock Neurotech aus den USA. Das Unternehmen ist weltweit Pionier für Computerschnittstellen.
Wirtschaftsforum: Ist Ihre Plattform schon vollumfänglich am Markt?
Dr. Jörn Rickert: Aktuell sind Teile der Technologieplattform am Markt, zum Beispiel die Elektroden, die wir unter der Marke AirRay® vertreiben. Sie werden bereits in einer Vielzahl von Projekten zur Entwicklung von neuen Neurotherapien eingesetzt. Auch hermetische und besonders leistungsfähige Kapselungen sind als Bausteine der Technologie bereits verfügbar. Nach rund zehn Jahren Entwicklungszeit möchten wir jetzt das Gesamtsystem zum Ende dieses Jahres auf den Markt bringen und der präklinischen und klinischen Forschung zur Verfügung stellen.
Wirtschaftsforum: Seit wann ist CorTec am Markt?
Dr. Jörn Rickert: CorTec ist eine klassische Ausgründung aus der Universität Freiburg, entstanden aus einer Kooperation von Hirnforschern, Klinikforschern und Ingenieuren. Unsere Ursprungsidee, die Kombination von Hirn und Nerven mit der Informa-tionstechnik, ist bis heute unsere Kernkompetenz. 2003 haben wir die Brain-Machine-Interface-Initia-tive gegründet und uns mit dem Thema Brain-Computer-Interfaces beschäftigt. Seit 2011 sind wir operativ tätig. Wir konnten in Tierversuchen sehr schnell zeigen, dass die drahtlose Kombination zwischen Gehirn und Technik über einen langen Zeitraum stabil funktioniert. Solche Versuche sind ein langer Weg. Deshalb hat es bis 2014 gedauert, bis wir mit implantierbaren Elektroden an den Markt gehen konnten, die die Hirn- und Nervenaktivität messen und gleichzeitig stimulieren können. Inzwischen haben wir hier weltweit Kunden aus Industrie und Forschung beliefert, die sehr zufrieden mit der Qualität der Elektroden sind. Wir haben 2019 unsere Zulassung für die USA bekommen und unseren eigenen Reinraum aufgebaut. Dieser wurde inzwischen vom TÜV-Süd qualifiziert.
Wirtschaftsforum: Was sind für die zweite Jahreshälfte 2021 Ihre wichtigsten Pläne?
Dr. Jörn Rickert: Es ist uns sehr wichtig, mit unserem Brain Interchange-System fertig zu werden und mit den ersten Kunden und Partnern therapeutische Projekte zu beginnen. Wir hoffen auch, in der zweiten Jahreshälfte wieder auf Messen und Fachveranstaltungen persönlich unsere Kunden und Partner treffen zu können.
Wirtschaftsforum: Um Ihre Pläne realisieren zu können, brauchen Sie qualifizierte Mitarbeiter. Welche Rolle spielt das Thema Fachkräftemangel dabei?
Dr. Jörn Rickert: Wir suchen und brauchen Mitarbeiter, um neue Kapazitäten freizusetzen. Insbesondere im Bereich der Softwareentwickler und Elektronikingenieure ist es sehr schwer, Talente zu finden. Was unser Arbeitsumfeld angeht, sind wir attraktiv: Wir sind international vernetzt und arbeiten an einer Zukunftstechnologie. Auch intern bieten wir unseren Mitarbeitern zahlreiche Perspektiven. Wir haben ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm aufgelegt und pflegen unsere eigene Unternehmenskultur mit flachen Hierarchien. Bei uns kann man viel mitentscheiden, mitwirken und bewirken. Unser Unternehmen lebt von unseren Mitarbeitern, deshalb stehen sie bei uns im Fokus.
Wirtschaftsforum: Welche Vision verfolgen Sie mit CorTec?
Dr. Jörn Rickert: Wir möchten, dass möglichst viele Patienten von unseren Implantaten profitieren. Unsere Plattform eignet sich für eine Vielzahl von Therapien, die wir mit verschiedenen Partnern gemeinsam entwickeln. Ich schätze, dass es noch etwa sieben Jahre dauert, bis Patienten von neuen Therapien profitieren können. Wir hoffen, dann schon die ersten ein bis zwei Zulassungen zu haben.