Eine Herzensangelegenheit
Interview mit Dr. Ares K. Menon, Geschäftsführer der Berlin Heart GmbH

Wirtschaftsforum: Herr Dr. Menon, Sie sind Herzchirurg und Geschäftsführer von Berlin Heart. Was genau sind Herzunterstützungssysteme?
Dr. Ares Menon: Wir haben in Deutschland und anderswo die Situation, dass Spenderorgane so rar wie nie sind, die Zahl der Patienten, die an Herzinsuffizienzen leiden, gleichzeitig steigt. Für diese Menschen sind unsere Unterstützungssysteme, VAD (Ventricular Assist Device) genannt, oft die letzte Rettung. Dabei handelt es sich letztlich um Pumpen, ohne die diese Patienten nicht lebensfähig wären. Über 90% aller Patienten, die unter schwerster Herzinsuffizienz leiden, sind mit einem VAD gut behandelt; nur für sehr wenige Patienten kommt ein Total Artificial Heart (TAH) in Frage. Entscheidend ist, dass die VAD von Berlin Heart Menschen vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter unterstützen – das ist weltweit einzigartig. Unser kleinster Patient wog weniger als 2,5 kg. Diese kleinen Patienten liegen uns besonders am Herzen. Der pädi-atrische Markt ist klein und wir engagieren uns hier sehr.
Wirtschaftsforum: Welche VAD bietet Berlin Heart an?
Dr. Ares Menon: Unser Produktprogramm basiert auf EXCOR® Adult und EXCOR® Pediatric. Mit beiden Systemen kann nicht nur die linke, sondern auch die rechte Herzkammer unterstützt werden; da sind wir einzigartig. Berlin Heart ist das einzige Unternehmen, das eine langfristige beidseitige Herzunterstützung anbietet. EXCOR® Adult und Pediatric sind parakorporale VAD, das bedeutet, die Blutpumpen befinden sich außerhalb des Körpers und sind über Kanülen mit dem Herzen und den Blutgefäßen verbunden.
Wirtschaftsforum: Wie sah die Entwicklung von Berlin Heart bis zur weltweiten Marktführerschaft aus?
Dr. Ares Menon: Berlin Heart wurde in der jetzigen Form 1996 gegründet und ist heute ein klassisches, mittelständisches Unternehmen, das weltweit agiert. 1988 gab es bereits einen Handelsregistereintrag mit dem gleichen Namen; damals war es ein echtes Start-up, das aus dem Deutschen Herzzentrum Berlin (DHZB) entstanden ist und aus der klinischen Notwendigkeit heraus Produkte entwickelt hat, die uns bis heute begleiten. Schon Ende der 1980er-Jahre wurden erste Patienten, ab 1990 erste Kinder erfolgreich behandelt; damals steckte die VAD-Therapie noch in den Kinderschuhen. 2006 wurde eine Investorenfamilie auf Berlin Heart aufmerksam und übernahm das Unternehmen aus Venture Capital heraus. Heute sind am Standort Berlin sämtliche Aktivitäten gebündelt. Wir haben hier 215 Mitarbeiter; zudem gibt es in den USA die Berlin Heart Inc, eine Vertriebstochter mit 15 Mitarbeitern. Unser großer Vorteil ist, dass die Investorenfamilie den pädiatrischen Markt sehr unterstützt – und das, obwohl es ein Nischenmarkt bei gleichzeitig langen Entwicklungszeiten und einem geringen Return on Investment ist. Der Aufwand ist hoch, der wirtschaftliche Benefit gering. Hier arbeitet man mit außergewöhnlicher Leidenschaft an dem Ziel, mehr für Kinder zu tun.
Wirtschaftsforum: Gibt es aktuell neue Produkte in der Pipeline?
Dr. Ares Menon: Corona hatte zwar keine monetären Auswirkungen, allerdings hat die Markteinführung von zwei neuen Produkten gelitten. Wir haben eine neue Fontan-Kanüle für Patienten in lebensbedrohlichem Zustand entwickelt. Diese Venenkanüle ist eine Brücke zur Transplantation. Das zweite Produkt ist EXCOR® Active, ein mobiles Antriebsgerät der VADs, ähnlich wie ein Trolley, das kranken Kindern zu mehr Mobilität verhilft. Bisher mussten die kleinen Patienten die Wartezeit auf ein Spenderherz größtenteils im Zimmer oder auf den Fluren verbringen; mit EXCOR® Active eröffnen sich nun ganz neue Möglichkeiten. Die Kinder können viele Stunden raus aus der Klinik an die frische Luft und draußen auf dem Klinikgelände spazieren gehen. Das Feedback vom Markt ist überwältigend. Uns wird berichtet, dass die Kinder förmlich aufblühen, sich viel mehr bewegen können und einfach glücklicher sind.
Wirtschaftsforum: Wo werden die Produkte vertrieben?
Dr. Ares Menon: Wir haben Zulassungen in allen MedTech-Märkten: Europa, USA und Canada, Südamerika, Japan, Südkorea, Australien und Indien. Der Zulassungsprozess für Europa, die CE-Kennzeichnung ist mittlerweile ein sehr komplizierter Vorgang.
Wirtschaftsforum: Gibt es eine klar definierte Zukunftsvision?
Dr. Ares Menon: Unser Ziel heißt, weg vom Überleben, hin zu besserer Lebensqualität. Die Überlebenschancen zu steigern, ist das A und O; es geht uns aber auch darum, die Qualität nachhaltig zu verbessern. Wir wollen natürlich wachsen, allerdings nicht nur durch regionale Ausdehnung, sondern durch die Versorgung von Patientengruppen, die noch nicht so gut versorgt werden. 50% des Turnovers werden bei uns in Forschung und Entwicklung gesteckt, was enorm ist. Wir investieren in neue Pumpentechnologien um das Leben von Patienten, insbesondere von Kindern nachhaltig zu verbessern.