„Behandele andere so, wie Du selbst behandelt werden möchtest.“

Interview mit Prof. Dr. Claus Hipp, Chef des deutschen Baby-Nahrung-Herstellers HiPP

Wirtschaftsforum: Prof. Hipp, Sie repräsentieren das Unternehmen jetzt bereits in der dritten Familiengeneration. Was würden Sie sagen, waren die wichtigsten Meilensteine und Entwicklungen, die HiPP zu dem gemacht haben, was das Unternehmen heute am Markt ist?

Prof. Hipp: Ja, es gibt uns schon sehr viele Jahre. Unsere Familie hat damals damit begonnen, Bienenwachskerzen und Honigkuchen zu machen. Mein Großvater Josef Hipp hat den Grundstein für unser Unternehmen 1899 gelegt, als er begann, spezielles Mehl für Kinderzwieback zu produzieren. Als später dann seine Frau Probleme mit dem Stillen ihrer Zwillinge hatte, hatte er die Idee, Baby-Brei aus handgemahlenem Zwieback und Milch herzustellen. Sein Zwieback-Mehl sprach sich sehr schnell herum und wurde ein Erfolg in der ganzen Region. Es wurde in schwarz-gelben Päckchen und Dosen verkauft. 1932 hat dann mein Vater Georg den kleinen Familienbetrieb in ein Unternehmen umgewandelt. 1956 begann er mit der industriellen Herstellung von Babynahrung in Dosen. Er weitete das Produktangebot konsequent aus und 1959 führte er das erste „Gläschen“ ein. Ein weiterer wichtiger Meilenstein in unserer Entwicklung war auf jeden Fall seine Begegnung mit dem Schweizer Arzt Dr. Hans Müller, einem Pionier der umweltfreundlichen Landwirtschaft. Er inspirierte meinen Vater dazu, Früchte und Gemüse auf umweltfreundliche Art und Weise anzubauen. Seit 1956 werden alle Rohmaterialien, die für HiPP Produkte verwendet werden, auf ökologisch kultiviertem bebautem Land angebaut. Als ich das Management der Firma 1967 übernommen habe, habe ich die Idee der ökologischen Landwirtschaft kontinuierlich weiter ausgebaut und weiterentwickelt. Am Anfang mussten wir die Landwirte noch selbst besuchen und von unserer Vision überzeugen. Heute zählen zu unserem Netzwerk rund 6.000 Vertrags-Landwirte und wir sind der weltgrößte Hersteller von organischen Lebensmitteln. Lange Rede, kurzer Sinn – wir haben uns von Anfang an einer qualitätsorientierten und organischen Produktion verschrieben, denn wir respektieren unsere Natur.

Wirtschaftsforum: Es gibt diese berühmte Fernsehwerbung, die Sie auf einer Plantage zeigt. Sie sagen in der Werbung: „Dafür stehe ich mit meinem Namen.“ Was war die Motivation für diese Werbung?

Prof. Hipp: Wir sind ja in der Tat verantwortlich für unsere Produkte. Um eine durchgängige Qualitätskette sicherzustellen führen wir zahlreiche Qualitätskontrollen durch, die bei unseren Landwirten anfangen, über die gesamte Produktionskette gehen und letztendlich auch die gesamte Abfüllung und Verpackung der Produkte umfassen. Wenn ein Krümel im Swimming-Pool ist – wir finden ihn. Aber hinter dem Slogan „Dafür stehe ich mit meinem Namen“, steckt noch mehr. Wir glauben, dass ökologische Landwirtschaft ein Muss ist, um eine gesunde Zukunft für die nächsten Generationen sicherzustellen. Deshalb erforschen wir konsequent den ökologischen Anbau, von der Bodenbehandlung bis hin zu Verpackungsmethoden.

Wirtschaftsforum: Können Sie uns einige Beispiele geben?

Prof. Hipp: Artenschutz und ökologische Diversität sind wichtige Stichworte auf unserer Agenda. Wir kümmern uns um seltene Tier- und Pflanzenarten, die geschützt werden müssen, um die Artenvielfalt zu erhalten und ökologischen Anbau überhaupt möglich zu machen. Leider ist die Bedeutung der Artenvielfalt den meisten Menschen noch nicht bewusst. Wir konzentrieren uns unter anderem auf die Bienenzucht. Heute basieren rund 83% aller Lebensmittel auf Aktivitäten von Bienen. Honig ist eigentlich nur ein Nebenprodukt. Die Besamung der Pflanzen ist entscheidend. Auf unseren eigenen Plantagen stellen wir eine intakte Umgebung für Besamungsvorgänge bereit. Ein anderes Beispiel sind die Benjes Hecken. Diese Hecken ziehen sehr seltene Vogelarten an, die bereits unter Artenschutz stehen, weil sie vom Aussterben bedroht sind. Außerdem haben wir großzügige Landflächen mit Wiesen, wo wir Pflanzen die Chance geben, zu wachsen und zu blühen. Wir haben hier wohl um die 38 Sorten Gräser. Wir glauben, dass die Qualität unseres Bodens die beste Antwort auf den Klimawechsel ist. Darüber hinaus erforschen wir Möglichkeiten der natürlichen Tieraufzucht. Schweizer Studien haben herausgefunden, dass Kühe, die traditionell gefüttert werden, also mit Gras und Heu, länger leben, als Hochleistungskühe, die mit Kraftfutter gefüttert werden. Das heißt, letztendlich sind sie nicht profitabler als die herkömmlich gefütterten Kühe.

Wirtschaftsforum: Abgesehen von Ihren landwirtschaftlichen Aktivitäten – geben Sie das Wissen, das Sie haben, auch weiter, betreiben also Lobby-Arbeit für diese natürlichen Ressourcen?“

Prof. Hipp: „Wir schaffen mit unseren eigenen Bauernhöfen Beispiele und laden Landwirte, Wissenschaftler, Geschäftsleute und Studenten ein, diese zu besuchen und sich selbst ein Bild davon zu machen, wie nachhaltige Landwirtschaft aussehen kann. Wir arbeiten zudem eng mit der Universität in Hannover zusammen und mit der technischen Universität München, Weihenstephan. Natürlich kommunizieren wir unser Wissen und versuchen, das Bewusstsein der Menschen für ökologische Landwirtschaft zu wecken und zu stärken.

Wirtschaftsforum: Einem Großteil der Verbraucher wird nicht bekannt sein, wie sehr sie sich für ökologischen Anbau engagieren. Abgesehen von den Nachhaltigkeitsargumenten, warum sollten Verbrauchen HiPP Produkte kaufen und nicht Produkte von Private Label Anbietern?

Prof. Hipp: Weil sie uns kennen. Sie wissen vielleicht nicht im Einzelnen, was wir tun und wieviel wir in die Gestaltung einer gesunden Zukunft investieren. Aber sie vertrauen unseren Produkten trotzdem mehr, als denen unserer Wettbewerber. Sie kennen die Gesichter hinter unserer Marke. Zudem sind wir Spezialisten für Babynahrung und verfügen über jahrzehntelange Erfahrung in unserem Markt. Nicht zuletzt sind wir ein Familienunternehmen und agieren auf der Grundlage langfristiger Werte. Wir sind keinen Aktionären oder Investoren verpflichtet, die jedes Jahr Profit sehen wollen.

Wirtschaftsforum: Was sind zurzeit Ihre wichtigsten Geschäftsfelder?

Prof. Hipp: Babynahrung, Babypflege und Lebensmittel für größere Kinder. Unsere Frucht-Quetschbeutel zum Beispiel sind auch bei Schulkindern sehr beliebt. Unsere Babypflege-Produkte sind ziemlich neu. Unser Geschäft dreht sich um Babys und da ist es naheliegend, dass wir in benachbarte Segmente expandieren, um Familien die garantierte HiPP Qualität rund um ihr Baby anbieten zu können. Die Pflegeprodukte ergänzen unser Angebot hervorragend.

Wirtschaftsforum: Was sind zurzeit Ihre wichtigsten Märkte? Wie wichtig ist Deutschland für HiPP?

Prof. Hipp: Deutschland ist nach wie vor unser Hauptmarkt. Aber der Markt leidet natürlich unter den anhaltenden Geburtsrückgängen. Der Pro-Kopf Umsatz pro Baby steigt zwar, aber dies schließt nicht wirklich das Segment der Babynahrung ein. Babys können nur essen, bis sie satt sind. Aber es gibt sowohl in Europa, als auch in Übersee, noch viele interessante Märkte, insbesondere in den östlichen Regionen. Dort besteht noch starker Nachholbedarf bezüglich organischer Produkte. Russland zum Beispiel bietet vielversprechende Perspektiven, ebenso Asien. Aber aktuell stehen für uns noch die Nachbarländer im Fokus.“

Wirtschaftsforum: Wie erreichen Sie Ihre Kunden? Was sind Ihre wichtigsten Marketing-Kanäle und inwieweit spielen Online-Medien eine Rolle?

Prof. Hipp: Natürlich verfolgen wir einen umfassenden Marketing-Mix und wir erkennen auch die wachsende Wichtigkeit von sozialen Medien und Online-Plattformen. Aber bislang ist das Fernsehen noch unser wichtigster Marketingkanal. Wenn die Familie morgens aus dem Haus ist und Mama den Haushalt macht, dann schaltet sie das Fernsehen an und sieht unsere Werbung. So werden wir zu einem Teil ihrer täglichen Routine.

Wirtschaftsforum: Anni Friesinger ist Ihr neues Testimonial für die Quetschbeutel. Ist Sport ein neuer Absatzmarkt für HiPP?

Prof. Hipp: Unsere Produkte werden bereits von Top-Athleten konsumiert. Sie sind einfach zu verdauen und die Sportler wissen, dass sie leistungsfähiger sind, wenn sie ihren Körper nicht mit schwer verdaubaren Stoffen belasten.

Wirtschaftsforum: Sie sind bereits seit 50 Jahren im Geschäft. Gibt es schon eine vierte Hipp-Generation? Ist diese schon im Unternehmen tätig?

Prof. Hipp: Meine beiden Söhne Stefan und Sebastian sind schon in der Firma tätig und Teil des Managements. Ich bin stolz auf sie und manche Dinge können sie besser als ich. Neben einer guten Ausbildung habe ich immer versucht, ihnen meine Leidenschaft fürs Geschäft zu vermitteln. Ich denke, das ist mir gelungen und ich bin mir sicher, dass sie den grundlegenden Werten unseres Unternehmens treu bleiben werden. Deshalb fällt es mir leicht zu delegieren und ihnen Verantwortung zu übertragen.

Wirtschaftsforum: Prof. Hipp, bitte geben Sie uns eine Lebensweisheit aus Ihrer Erfahrung als Unternehmer?

Prof. Hipp: Arbeite hart und sei folgendem Leitspruch treu: Behandele andere so, wie Du selbst behandelt werden möchtest. Das Motto umfasst nicht nur Menschen, sondern auch unsere Natur.

Wirtschaftsforum: Prof. Hipp, wir danken Ihnen für dieses Interview.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.european-business-journal.com.

 

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