Wo fliegende Autos abheben
Interview mit Ulrich Gehling, Geschäftsführer der AutoGyro GmbH

Dass viel Liebe zum Detail und Leidenschaft fürs Design in ihnen steckt, sieht man ihnen an: Gegründet im Jahr 2003 „von ein paar Enthusiasten“, wie Geschäftsführer Ulrich Gehling es augenzwinkernd ausdrückt, startete AutoGyro als erster Hersteller in Deutschland seine Produktion von Tragschraubern – und ist heute mit einem Marktanteil von 60% Weltmarktführer mit Produkten, die hinsichtlich Design, Qualität und Funktionalität ihresgleichen suchen.
Ein fliegendes Auto
Zunächst waren es offene Modelle, doch schon 2009 wurde mit dem ersten geschlossenen Modell Calidus einen Meilenstein gesetzt, auf den 2012 mit dem Cavalon ein weiterer folgte. Auf Letzteren ist Ulrich Gehling, der seit 30 Jahren selbst fliegt, Flugzeugbau studiert und sein ganzes Berufsleben in der Luftfahrt zugebracht hat, besonders stolz: „Der Cavalon ist faktisch ein fliegendes Auto“, sagt er und erläutert auch gleich, warum: „Er kann für die Straße zugelassen werden. Im Straßenbetrieb sind der Propeller und der Hauptrotor nicht in Bewegung, und angetrieben werden dann die Räder.“
Der für sein gelungenes Design ausgezeichnete Cavalon verfügt über eine selbsttragende Monocoque-Zelle aus Carbonfaserverbundstoff und bietet noch mehr Platz und Komfort als der Calidus.
Der MTOFree und die neueste Entwicklung, der MTOSport, beides offene Modelle, sind ebenso zukunftsweisend: „In seiner Klasse ist der MTOSport der einzige mit verstellbaren Sitzen“, hebt der Geschäftsführer hervor.
Seine Modelle bescherten dem Unternehmen bisher etliche Auszeichnungen wie den RedDot Design Award, den Großen Preis des Mittelstandes oder den GreenTec Award. Günstig und sehr sicher Außer mit umwerfendem Design punkten die wendigen Flieger aber vor allem mit ganz handfesten Qualitäten: Tragschrauber sind zuverlässig und sehr sicher.
Ulrich Gehling erläutert das Prinzip: „Im Gegensatz zum Hubschrauber, bei dem der Hauptrotor vom Triebwerk angetrieben wird, dreht sich der Rotor des Tragschraubers frei im Fahrtwind und wird durch ihn angetrieben. Er trägt das Fluggerät. Dadurch befindet sich der Tragschrauber stets in der Autorotation und kann auch bei einem Motorausfall noch sicher gelandet werden.“

„Im Vergleich zu Hubschraubern sind Tragschrauber um ein Vielfaches günstiger und außerdem sehr sicher.“ Ulrich GehlingGeschäftsführer
Betriebs- und Anschaffungskosten sprechen ebenfalls für den Tragschrauber: „Alle unsere Motoren mit Leistungen zwischen 100 und 145 PS laufen mit ganz normalem Superbleifrei-Benzin, wie ein Auto, und haben Reichweiten von mehreren Hundert Kilometern.“
Im Vergleich zum Hubschrauber ist ein Tragschrauber außerdem wesentlich günstiger – etwa um den Faktor 4 bis 10. „Tragschrauber können in vielen Bereichen sehr viel kosteneffizienter eingesetzt werden“, sagt Ulrich Gehling und verdeutlicht das anhand eines Beispiels: „Hätte man beim G20-Gipfel in Hamburg die Hubschrauber-Überwachungsflotte um einige Tragschrauber ergänzt, so hätte sich mindestens ein Hubschrauber einsparen lassen und es wäre ohne Mehrkosten eine bessere Aufklärung erreicht worden.“
Grosses Wachstumspotenzial
Interessant sind Tragschrauber vor allem für die Kameraüberwachung aus der Luft. „Wir führen bereits Gespräche mit Verantwortlichen aus der Politik und bei der Polizei. Im gewerblichen Bereich werden Tragschrauber eine immer größere Rolle spielen“, so der Geschäftsführer.
Doch auch in der Privatfliegerei sieht er weiteres Wachstumspotenzial, insbesondere in den USA und Kanada sowie auch in Asien. Das Auslandsgeschäft des Unternehmens, das inzwischen 140 Mitarbeiter hat und jährlich etwa 17 Millionen EUR umsetzt, macht 90% aus; exportiert wird in 40 Länder. Für Marketing und Vertrieb nutzt man neben eigenen Vertriebsmitarbeitern auch die Präsenz auf Messen wie der Aero in Friedrichshafen sowie die Kooperation mit Partnern in diversen Ländern und auch mit Flugschulen. Internet und Social Media spielen ebenfalls eine wichtige Rolle.
Für Ulrich Gehling sind die stabile Qualität der Produkte, der ausgezeichnete Service über ein weltweites Partnernetzwerk, die stets gesicherte Ersatzteilversorgung und nicht zuletzt die hohe Innovationskraft seines Unternehmens die alles bestimmenden Faktoren für dessen Erfolg und auch seine eigene Triebfeder: „Innovation und Motivation sind die Dinge, die mich antreiben“, verrät der Fachmann, der seit Januar 2017 als Geschäftsführer für AutoGyro tätig ist und zuvor bereits für so renommierte Unternehmen wie die Schweizer Pilatus Flugzeugwerke AG sowie auch für Grob Aircraft und RUAG gearbeitet hat.
Trotz dem Fachkräftemangel, den auch AutoGyro spürt und ihm nur teilweise durch eigene Ausbildung von Mitarbeitern begegnen kann, sieht Ulrich Gehling die Zukunft seines Unternehmens positiv: „Die Luftfahrt ist eine kleine, eingeschworene Familie. Man kennt sich. Wer sich für Tragschrauber interessiert, kommt an uns kaum vorbei.“