TECHART:Zurück auf der Überholspur
Interview mit Benedict von Canal, Geschäftsführer der TECHART Automobildesign GmbH

Wirtschaftsforum: Herr von Canal, Sie haben TECHART in einer existenziellen Krisensituation übernommen. Was hat Sie zu diesem Schritt motiviert?
Benedict von Canal: Mich reizte die Herausforderung auf mehreren Ebenen: strategisch, operativ und intellektuell. TECHART war kein gewöhnlicher Sanierungsfall – es war ein Sy nicht zweitrangig stemversagen entlang aller zentralen Unternehmensachsen: Marktposition, Produktqualität, interne Organisation, Personalführung und finanzielle Steuerung. Meine Motivation war, herauszufinden, ob sich ein solcher multidimensionaler Krisenfall mit radikalem Fokus, analytischer Klarheit und echtem persönlichen Einsatz in eine zukunftsfähige Organisation transformieren lässt. Das war kein klassischer Karriere-Move – es war ein unternehmerisches Experiment, fast im Sinne einer ‘Live-Case-Studie’.
Wirtschaftsforum: Was ist Ihr wichtigstes Learning nach fast zwei Jahren intensiver Restrukturierung?
Benedict von Canal: Ein Unternehmen ist so stark wie die Qualität seiner Führung – oder eben so verletzlich. Die Erfahrung bei TECHART hat eindrücklich gezeigt, wie schnell selbst etablierte Marken durch dysfunktionale Führung und mangelnde Governance in existenzielle Krisen geraten können. Vertrauen, Kapital und Relevanz lassen sich innerhalb kürzester Zeit verspielen – der Wiederaufbau hingegen ist langwierig und verlangt eine präzise orchestrierte Teamleistung.
Der entscheidende Hebel war daher nicht das heroische Einzelhandeln, sondern das konsequente Reorganisieren von Verantwortung, Kultur und strategischer Klarheit im Führungskreis.
Wirtschaftsforum: TECHART blickt auf fast vier Jahrzehnte bewegter Firmengeschichte zurück. Welche Wendepunkte waren dabei besonders prägend?
Benedict von Canal: TECHART begann als hoch spezialisierte Sattlerei mit dem Anspruch, das Interieur von Porsche-Fahrzeugen kompromisslos auf Kundenpersönlichkeiten zuzuschneiden. In den frühen 1990er-Jahren war das Unternehmen in den Showrooms großer Porsche-Zentren präsent – eine organische Partnerschaft. Mit dem Strategiewechsel der Porsche AG änderten sich die Spielregeln: Während andere OEMs wie BMW oder Mercedes Kooperationen mit Veredlern suchten, entschied sich Porsche für eine Abschottung des Aftermarkets. Diese Neupositionierung hemmte unser Wachstum über zwei Jahrzehnte. Zwei juristische Auseinandersetzungen – eine vor über 20 Jahren, die andere über ein Jahrzehnt zurückliegend – prägten diese Phase zusätzlich. Beide Verfahren haben wir rechtskräftig gewonnen und im zweiten Fall sogar europäische Rechtsgeschichte geschrieben. Doch obwohl sie abgeschlossen sind und keinerlei Relevanz mehr für unser heutiges Geschäft haben, banden sie damals substanzielle Ressourcen und lähmten die unternehmerische Entwicklung über Jahre hinweg. Heute blicken wir mit klarem Blick nach vorn.
Wirtschaftsforum: Welche Leistungen bietet TECHART heute an – und was macht Ihr Angebot weltweit führend?
Benedict von Canal: TECHART steht heute für eine ganzheitliche Individualisierung von Porsche-Fahrzeugen auf internationalem Spitzenniveau. Unser Spektrum reicht von maßgeschneiderten Interieurs in Manufakturqualität über funktionale Aerodynamikkomponenten aus Carbon bis hin zu leistungsoptimierten Abgasanlagen und Motor-Upgrades mit über 40% Performance-Zuwachs.
Wir verstehen uns nicht als Tuner, sondern als Designhaus mit Ingenieurs-DNA – mit dem Anspruch, Ästhetik, Fahrdynamik und Markenidentität in Einklang zu bringen. Unser Vertriebsnetz umfasst über 100 Partner in Amerika, Europa, dem Mittleren Osten und Asien. Viele Kunden bestellen einzelne Komponenten zur lokalen Montage – andere vertrauen uns den kompletten Umbau direkt im Werk an, inklusive Fahrzeugbeschaffung. TECHART ist dort gefragt, wo Premium nicht reicht – sondern Charakter gefragt ist.
Wirtschaftsforum: Wie wichtig ist Social Media für die Positionierung von TECHART?
Benedict von Canal: Social Media ist heute nicht mehr nur ein Kommunikationskanal – es ist das Schaufenster, die Bühne und das Echolot unserer Marke. Für viele unserer Kunden, insbesondere der jüngeren Generation, ist Sichtbarkeit gleichbedeutend mit Wert. Wer in Dubai, Hongkong oder auf der Maximilianstraße unterwegs ist, möchte nicht einfach nur fahren – er will gesehen werden.
Ein TECHART-Fahrzeug ist ein Statement, das in der digitalen Welt seine zweite Bühne findet. Unsere Inhalte generieren teils über 10 Millionen Views – und das nicht durch Zufall, sondern weil wir verstanden haben, dass sich Produktästhetik heute auch algorithmisch denken lässt. Ästhetik und Reichweite korrelieren – das ist eine neue Dimension des Markenerlebnisses.
Wirtschaftsforum: Wo steht TECHART heute in Sachen Digitalisierung?
Benedict von Canal: Als ich das Unternehmen übernahm, war die digitale Infrastruktur auf dem Stand der frühen 2000er-Jahre – das betraf sowohl Prozesse als auch Denkweisen. Statt inkrementell aufzuholen, haben wir die Chance genutzt, digitale Entwicklungssprünge zu machen. Mithilfe von KI, vernetzten Tools und datengetriebenen Entscheidungen überspringen wir ganze Technologiezyklen. Digitalisierung bei TECHART ist kein Selbstzweck, sondern Hebel zur Effizienz, Skalierbarkeit und global konsistenten Markenführung. Wir haben ein Inhouse-KI-Team aufgebaut, das nicht nur Automatisierung vorantreibt, sondern auch kreative Prozesse stimuliert – von der Produktvisualisierung bis zur digitalen Kundenansprache. Nichtsdestotrotz haben wir auch noch viele Hausaufgaben zu meistern in den nächsten Jahren.
Wirtschaftsforum: Wie positioniert sich TECHART angesichts der zunehmenden Elektrifizierung des Automobils?
Benedict von Canal: E-Mobilität ist eine technologische Zeitenwende – aber keine emotionale. Unsere Kunden kaufen keine reinen Fortbewegungsmittel, sondern mobile Ausdrucksformen ihrer Persönlichkeit. Ob unter der Karosserie ein V8 arbeitet oder ein Elektromotor, ist für diese Zielgruppe noch nicht zweitrangig – entscheidend ist: Wie einzigartig fühlt sich das Produkt an? Gleichzeitig ist auch klar: Der Paradigmenwechsel im Premiumsegment hin zu einer breiten Nachfrage nach individualisierten E-Fahrzeugen hat noch nicht stattgefunden. Wir beobachten den Markt sehr genau – bislang liegt unser Umsatzanteil mit elektrifizierten Fahrzeugen noch deutlich unter 3%. Aber sobald sich hier Nachfrage und Nutzerverhalten verschieben, werden wir vorbereitet sein. Bereits heute bieten wir Lösungen sowohl für Verbrenner als auch für E-Modelle – das ist Teil unseres strategischen Vorlaufs.
Wirtschaftsforum: Wohin entwickelt sich TECHART – was sind Ihre strategischen Ziele für die nächsten Jahre?
Benedict von Canal: TECHART bleibt der Marke Porsche tief verbunden – nicht aus Abhängigkeit, sondern aus Überzeugung, Bewunderung und Liebe. Diese Marke ist für uns mehr als ein Chassis – sie ist die Plattform für Design, Emotion und fahrdynamische Exzellenz. Unser strategischer Fokus liegt in der vertikalen Tiefe statt der horizontalen Breite: Wir konzentrieren uns künftig noch stärker auf die modellübergreifende Spezialisierung – insbesondere auf die Ikonen Porsche 911 und Cayenne. Parallel öffnen wir neue Kapitel: die behutsame Veredelung klassischer Porsche-Fahrzeuge (Heritage Line) und perspektivisch auch das Denken in eigenen, designstarken Fahrzeugkonzepten. Wir wollen nicht einfach Zubehör liefern – wir wollen automobile Charaktere erschaffen, die Individualität auf den Punkt bringen.