Es gibt leider noch immer viele Gorillas unter den Chefs
Interview mit Patrick van Veen, Biologe und Führungskräftecoach
Wirtschaftsforum: Herr van Veen, eines Ihrer Bücher trägt den Titel „Hilfe, mein Chef ist ein Affe!“. Sind nach Ihrer Erfahrung mehr Gorillas oder mehr Paviane darunter?
Patrick van Veen: Leider mehr Gorillas, es gibt noch sehr viele Chefs, die sich auf die Brust schlagen und damit ihre Position unterstreichen. Natürlich geht es bei Menschen dabei viel mehr um Statussymbole: Büro, Parkplatz, Auto, Sekretärin und so weiter sind immer noch wichtiger, als sich um die Führungskompetenzen zu kümmern. Nach Möglichkeit sollte Expertise wieder eine größere Rolle spielen – so wie bei den Pavianen: Die Männer führen bei Gefahr und die Frauen bei der Nahrungssuche. Ich hoffe, dass es in Zukunft mehr Paviane unter den Chefs geben wird, bei denen es nicht länger um Statussymbole geht, sondern um Kompetenzen.
„Ich hoffe, dass es in Zukunft mehr Paviane unter den Chefs geben wird, bei denen es nicht länger um Statussymbole geht, sondern um Kompetenzen.“ Patrick van Veen
Wirtschaftsforum: Sie sind studierter Biologe. Was war der Impuls für Sie, mit Apemanagement eine Brücke in die Führungsebenen von Unternehmen zu schlagen?
Patrick van Veen: Weil ich keinen Job als Biologe gefunden hatte, änderte ich meine Pläne und begann für ein Versicherungsunternehmen zu arbeiten. Ich habe dort auch eine interne Managementausbildung gemacht und dabei ist mir aufgefallen, wie sich alle verhalten haben. Es war wie auf einem Affenfelsen! Ich habe mir dann ein Notizbuch gekauft und angefangen, meine Kollegen zu beobachten. Bis ein Chef mal gefragt hat, was es mit diesem Buch auf sich hat. Also erklärte ich ihm das Ganze, und das war zugleich der Schlusspunkt bei diesem Unternehmen. Ich entschied mich dafür, meine alte Ausbildung und die jüngsten Erfahrungen zusammenzubringen.
Wirtschaftsforum: Wie kann man sich die Inhalte der angebotenen Seminare vorstellen? Ist das einfach nur ein ausgedehnter Zoobesuch?
Patrick van Veen: In erster Linie möchten wir in den Seminaren die Teilnehmer mit ihrem eigenen Verhalten und dem der Kollegen konfrontieren. Konkrete Inhalte hängen natürlich von den Fragen der Teilnehmer und den Herausforderungen in der Firma ab. Manchmal geht es um Kommunikation, dann wieder um Changemanagement oder Leadership. Wir suchen uns die passenden Affen und Beispiele zu diesen Themen. Fast immer beobachten wir zunächst Affen. Wobei ich den Teilnehmern die Erfahrung zu vermitteln versuche, was es heißt, ohne Vorurteile, Interpretation und Reflexion zu beobachten. Das ist ungemein wichtig, weil viele Manager und Mitarbeiter so neutral beobachten können, welches Verhalten sowohl Kommunikation als auch Kooperation stört. Aber Seminare sind nicht nur ein Spiegel. Es geht allgemein um Zusammenarbeit und die Erkenntnis, wie Verhaltensformen sich destruktiv oder zum Vorteil auswirken können.
„In erster Linie möchten wir in den Seminaren die Teilnehmer mit ihrem eigenen Verhalten und dem der Kollegen konfrontieren.“ Patrick van Veen
Wirtschaftsforum: Lassen Sie uns ein Gedankenexperiment wagen: In welchen Bereichen würden Affen als Unternehmer erfolgreicher abschneiden als wir Menschen?
Patrick van Veen: Es gibt da ein populäres Beispiel: Affen sind laut einiger Studien und Forschungsprojekte tatsächlich die besseren Aktienhändler. Aber sonst bin ich noch immer positiv gegenüber dem Menschen eingestellt. Da wir eine komplexere Kommunikation haben, können wir auch besser koordinieren und planen. Aber die Sozialstrukturen, die wir dabei aufbauen, bringen ebenso komplexe Probleme mit sich. Diesen Bereich können Affen meistens besser abstecken. Tatsächlich sind beim Lügen und Betrügen Schimpansen oft sogar besser als wir Menschen. Wenn das also die wichtigste Kompetenz innerhalb eines Unternehmens sein sollte, verlieren wir im Vergleich.
Wirtschaftsforum: Dass Sie ein besonderes Faible für Affen haben, ist offensichtlich. Von welchem anderen Tier könnten Manager ähnlich viel lernen und warum?
Patrick van Veen: Von Herdentieren wie den Gnus. Unsere Gesellschaft und die zugehörigen Unternehmen sind längst nicht nur überschaubare Kreise, in denen jeder den anderen kennt. Leider herrscht in vielen Unternehmen große Anonymität, was dazu führt, dass wir uns weniger damit verbunden fühlen. Gleichzeitig entziehen sich auf diese Art Verhaltensweisen immer mehr der Kontrolle. Wir können einfach als Herdentieren hintereinander herlaufen, ohne wirklich zu wissen, wohin die Reise geht. Durch das Studium von Herdentieren können Manager lernen, wie sich dieses Verhaltensmuster im eigenen Betrieb vermeiden lässt.
Interview: Markus Büssecker, Fotos: Apemagement